Der schönste Moment
In einer pointierten und bildkräftigen Diktion entfaltet Michael Cornelius das Psychogramm einer Generation, der nichts mehr auf den Nägeln brennt.Schon als Junge schrieb er für Geld: Die Mitschüler drückten ihm jeweils zwei Pfennige in die Hand, dafür diktierte er ihnen wohlgeformte Sätze, die sie im Beichtstuhl aufsagen konnten. Später verfasste er für Motivationskünstler Ratgeber. Er kam zu Wohlstand, leistete sich ein Haus, einen schnittigen Jaguar und eine hübsche Ehefrau. Eigentlich hätte es immer so weitergehen können. Aber dann wurde er Ghostwriter für Erfolgsmenschen und Prominente.
Eine verhängnisvolle Entscheidung, wie er allmählich begreift. Denn jetzt ist er süchtig danach, »fremdes Leben wie mein eigenes zu spüren«. Dieser Hunger kann jedoch nie gestillt werden, weil die Existenzen der anderen genauso oberflächlich sind, wie es sein eigenes Leben ist. Das gilt erst recht für seinen neuesten Auftraggeber, der mit seiner Mischung aus Größenwahn, Jovialität und permanentem Ich-Marketing alles in den Schatten stellt, was der Ghostwriter bisher schönzuschreiben hatte: Andreas Hopf ist Manager des Jahres und versilbert in Deutschland Fernsehlizenzen aus Amerika. Sein Firmengebäude am Rande Münchens ist eine gläserne Nachbildung der Cheopspyramide. Schon nach dem ersten Treffen ahnt der Ghostwriter, dass dieser Mann eine Nummer zu groß für ihn sein könnte. Aber er kann nicht aufhören ...
Michael Cornelius nimmt uns mit auf eine Odyssee durch die Vorhölle so genannter Erfolgsmenschen, die vor allem eines
Als Ghostwriter schreibt er für Schauspielerinnen, Esoterik-Gurus und andere Prominente. Er verdient gutes Geld, aber die Kunst, sich immer neue fremde Leben überzustreifen, fordert ihren Tribut. Als er nun auch noch in die Haut eines Jungunternehmers schlüpfen muss, den der Erfolg alle Bodenhaftung verlieren lässt, steuert der Ghostwriter auf einen Abgrund zu, von dem es kein Zurück mehr gibt.
In einer pointierten und bildkräftigen Diktion entfaltet Michael Cornelius das Psychogramm einer Generation, der nichts mehr auf den Nägeln brennt.
Schon als Junge schrieb er für Geld: Die Mitschüler drückten ihm jeweils zwei Pfennige in die Hand, dafür diktierte er ihnen wohlgeformte Sätze, die sie im Beichtstuhl aufsagen konnten. Später verfasste er für Motivationskünstler Ratgeber. Er kam zu Wohlstand, leistete sich ein Haus, einen schnittigen Jaguar - und eine hübsche Ehefrau. Eigentlich hätte es immer so weitergehen können. Aber dann wurde er Ghostwriter für Erfolgsmenschen und Prominente.
Eine verhängnisvolle Entscheidung, wie er allmählich begreift. Denn jetzt ist er süchtig danach, "fremdes Leben wie mein eigenes zu spüren". Dieser Hunger kann jedoch nie gestillt werden, weil die Existenzen der anderen genauso oberflächlich sind, wie es sein eigenes Leben ist. Das gilt erst recht für seinen neuesten Auftraggeber, der mit seiner Mischung aus Größenwahn, Jovialität und permanentem Ich-Marketing alles in den Schatten stellt, was der Ghostwriter bisher schönzuschreiben hatte: Andreas Hopf ist Manager des Jahres und versilbert in Deutschland Fernsehlizenzen aus Amerika. Sein Firmengebäude am Rande Münchens ist eine gläserne Nachbildung der Cheopspyramide. Schon nach dem ersten Treffen ahnt der Ghostwriter, dass dieser Mann eine Nummer zu groß für ihn sein könnte. Aber er kann nicht aufhören ...
Michael Cornelius nimmt uns mit auf eine Odyssee durch die Vorhölle so genannter Erfolgsmenschen, die vor allem eines verkaufen: sich selbst. Sein Roman ist ein Abgesang auf das wohlhabende Erlebnisproletariat, das Liebe und Glück unter die Konsumgüter eingereiht hat.
"Ein äußerst unterhaltsamer Trash-Irrsinn, der - klar - böse endet." - KulturSpiegel
"'Der schönste Moment' ist eine Gesellschaftssatire - bissig, stilsicher und vielschichtig." - Süddeutsche Zeitung - SZ-Extra
"Michael Cornelius' Romanheld bringt das Leben auf sechs Begriffe: Mama, Hunger, ficken, Gott, Scheiße, Geld. Cornelius intelligentes Buch ist wohl deshalb so unterhaltsam, weil es stets Distanz wahrt. Durch den Text leuchten Goetz, Fichte und Fauser. Michael Cornelius hat einen aufregenden Zeitroman geschrieben, der ein großes Publikum verdient. Das ist angesichts des Mangels guter Debüts in der deutschen Gegenwartsliteratur fast ein Grund zum Jubeln." - Manuel Karasek, netzeitung. de
Der schönste Moment von Michael Cornelius
LESEPROBE
Es gibteinen Geruch, den ich seit meiner Kindheit liebe. Ich erzeugte ihn zuerst, indem ich mit demDaumen ganz langsam auf den Rücken einesMaikäfers drückte. Der Tropfen gelberSaft, den das Tier zappelnd aus seinem Hinterteil herausquälte, verströmteeinen wunderbar scharfen Duft, der mich glücklich machte. Mit einem Ruck presste ich den Rest des Elixiers aus demkleinen Freund. Ich roch noch tagelangnach der klebrigen Soße an meinemFinger. Als ich älter wurde, nahm ich einen Hammer, das ging schneller und knackte auchden härtesten Panzer.
Die Dame,die ich knacken wollte, saß in ihrem Wohnzimmer und wartete auf mich. Siewartete schon vierzig Minuten. Ich saßauf ihrer Toilette und dachte nach. Ich machedas immer so, bei jedem neuen Kunden. Nach der üblichen Begrüßung, Kuss links, Kussrechts, gehe ich mit einer höflichenEntschuldigung aufs Klo. »Eine vorübergehendeÜbelkeit, habe die Nacht durchgearbeitet, es ist mir sehr peinlich, geradejetzt.« Das funktioniert bei allen Prominenten,widerspruchslos führen sie einen sofortan ihren intimsten Ort. Gewöhnlich verbringe ich hier fünfzehn Minuten.Fünfzehn Minuten sind eine Provokation,fünfzehn Minuten sind eine Demütigung für jeden, egal, ob Showmaster, Managerdes Jahres oder Bambipreisträgerin.Fünfzehn Minuten, das sind meine kleineEwigkeit, mein Gottesdienst, mein Gebet.
Jetzt saßich hier schon über vierzig Minuten und wusstenicht warum. Ich war am Ende, schon klar, aber das war ich schon von Anfang an. An jedemeinzelnen Tag, in jeder einzelnen Nacht,seit ich mich zu diesem verdammten Jobhabe überreden lassen. Ich habe trotzdem immer weitergemacht. »Geh jetzt rausund reiß dich zusammen«, sagte ich zumir, »wenn du jetzt nicht raus gehst,dann wird der Job platzen und der Vorschuss, den sie dir bezahlt haben, istauch weg.« Ich habe in letzter Zeit häufiger Selbstgesprächegeführt, und wenn ich mich dabeiertappe, fürchte ich mich ein wenig vormir selbst.
Ich binGhostwriter. Ich war in Bädern, die sich in nichts von den Wohnzimmern unterschieden, mitechten Teppichen und Ölgemälden, ich kämpfte mit scharfen Sagrotangerüchenin weißen Marmortempeln und ichmeditierte in düsteren, schwarz gefliesten Existenzialistennasszellen, dereneinziger Stilbruch die goldenen Armaturen waren. Je länger ich diesen Jobmache, desto mehr bin ich davonüberzeugt, dass hier die Seele einesMenschen zu Hause ist. Und damit meine ich nicht die Art, wie jemand seine Schönheitslotionenauf dem Waschtisch dekoriert oder nichtdekoriert. In der Abwesenheit der Person spüre ich ihre Anwesenheit. Mir geht es genauso auf Beerdigungen oder inRäumen, in denen vor Kurzemjemand gestorben ist. Als ob ein Geistda wäre, der mich genauso beobachtet, wie ich ihn beobachte.
Alles warviolett im Bad meiner Kundin. Ich starrte auf violette Kacheln, violette Handtücher undVorhänge. Sogar der Buddha, der mirzulächelte, war violett, und verströmten nicht auch die Räucherstäbchen etwas Violettes?
Es klopftean der Tür. »Hallo, alles in Ordnung?«
»Es gehtschon wieder«, sagte ich, »mir war gerade schwindelig. Ich bin gleich bei Ihnen.«
Dieältliche Schauspielerin, deren Image seit einem halben Jahrhundert mädchenhafte Jugendlichkeitwar, saß barfußim Lotussitz auf dem weichen Ledersofa ihres Landhauses. Sie gab sich entspanntund wirkte doch auf mich, als hätte sieeinen Stock verschluckt. Es gab Tee, undsie sprach mit einer bezaubernden Melodie und kicherte verlegen. Ich sollte ihreAutobiografie schreiben.
Ich blicktein ihre jungen Augen, die aus gut gepflegtem, aber doch altem Fleischherauslugten. Weiches Fleisch von derKonsistenz eines Brotteigs. Ein Brotteig, in dem zwei blaue Murmeln steckten,mit dem winzigen Unterschied, dass irgendein Spaßvogel darüber wulstige Augenlider aus Hühnerhaut drapierthatte. Für einen Moment glaubte ich,einem Vampir gegenüberzusitzen. Ja, vielleicht war diese Frau einige hundertJahre alt, und ihr gestählter,geschmeidiger Körper sollte mich nurtäuschen. Gleich würde sie mit einem Satz auf mich springen, mich am Hals erwischen und mein Bluttrinken.
© KarlBlessing Verlag
- Autor: Michael Cornelius
- 2006, 1, 187 Seiten, Maße: 13 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Blessing
- ISBN-10: 3896673009
- ISBN-13: 9783896673008
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