Geld oder Leben
Die Leute in diesen Erzählungen glauben alle an etwas anderes: Die Großmutter an Pfifferlinge, ein Kind an Schokoriegel, Mütter an die große Liebe und die heile Familie, Väter an die Freiheit, eine Lehrerin an die Gerechtigkeit und die Studenten zunächst an...
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Produktinformationen zu „Geld oder Leben “
Die Leute in diesen Erzählungen glauben alle an etwas anderes: Die Großmutter an Pfifferlinge, ein Kind an Schokoriegel, Mütter an die große Liebe und die heile Familie, Väter an die Freiheit, eine Lehrerin an die Gerechtigkeit und die Studenten zunächst an "Nein-Danke" und später an die große Geldvermehrung. Solange man an sie glaubt, scheint sie ja auch zu funktionieren. Oder etwa doch nicht?
Ein neues Buch von Birgit Vanderbeke, von der Annemarie Stoltenberg in "Die Welt" schrieb, sie habe "einen messerscharfen Verstand, den sie benutzt, komplizierte Dinge einfach und raffiniert zugleich zu erzählen."
Ein neues Buch von Birgit Vanderbeke, von der Annemarie Stoltenberg in "Die Welt" schrieb, sie habe "einen messerscharfen Verstand, den sie benutzt, komplizierte Dinge einfach und raffiniert zugleich zu erzählen."
Lese-Probe zu „Geld oder Leben “
Birgit Vanderbeke Geld oder LebenLeseprobe
Kurz bevor der Laden zumachte, tauchte plötzlich Hänschen Hoh-mann dort auf. Hänschen Hohmann war nicht an der Uni, sondern nach der Schule sang- und klanglos von der Bild-fläche verschwunden. Lu sagte, ist das nicht Hänschen Hohmann, und ich sagte, hat sich ziemlich verändert, oder.
Wir hatten, als wir unsere Abschlußzeugnisse hatten, alle noch etwas vor der Aula herumgestanden und Adressen getauscht und gesagt, daß wir uns nicht aus den Augen verlieren würden, und das Adressentauschen wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen, weil wir uns alle über kurz oder lang an der Uni über den Weg gelaufen sind und die meisten längst neue Adressen hatten, die wir in-zwischen auch schon getauscht hatten, bloß Hänschen Hohmann war einfach nicht in der Aula erschienen, als es die Abschlußzeugnisse gab und das Schulorchester dazu spielte, und dann war er einfach verschwunden und nie an der Uni oder im Kommunikationszentrum aufgetaucht, und plötzlich stand er da und hatte sich ziemlich verändert. Er stand alleine herum und kannte offenbar niemanden. Er sah auch nicht aus, als ob er jemanden suchte. Lu sagte, gehen wir doch mal hin, und wir schoben uns durch die Leute hindurch in seine Richtung.
Du bist damals einfach verschwunden, sagte ich, als wir bei ihm waren, und Lu sagte, was machst du denn hier. Er sagte, mal sehen. Bißchen voll hier zum Reden, und Lu sagte, Gewöhnungssache, aber dann gingen wir mit Hänschen Hohmann nach draußen, weil es aussah, als fühlte er sich nicht wohl im Kommunikations-zen-t-rums-gedränge, und als wir draußen waren, beschloß ich, lieber nicht mehr Hänschen zu ihm zu sagen. Ich sag wohl besser jetzt Hans zu dir, sagte ich, und das ehemalige Hänschen lachte. Ich hab den Eindruck, das hier ist nichts für mich, sagte er, und ich mochte, daß er das sagte, weil ich selbst den Eindruck hatte, daß es mit dem Rest der Welt nicht wirklich viel zu tun hätte. Ich sagte, und was wäre dann was für dich. Keine
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Ahnung, sagte er, und in dem Au-genblick hatte Lu jemanden entdeckt, den sie kannte, und sagte, einen Moment, und so kam es, daß ich mit Hans Hohmann erst alleine herumstand, und später, als Lu zu-rückkam und sagte, sie müsse mit Gerdi etwas besprechen, sind wir spazierengegangen, und er sagte, daß er nach der blödsinnigen Schule erst einmal Lust hatte, sich die Welt anzusehen. Ich sagte, so blödsinnig war sie vielleicht gar nicht, aber ich wollte nicht darauf bestehen, also fragte ich, wie er es gemacht hatte, sich die Welt anzusehen, weil ich es schon sehr schwierig fand, hier zu sein und das Leben hier zu bezahlen, und ich stellte mir vor, daß man ziemlich viel Geld bräuchte, um sich auch noch den Rest der Welt anzusehen, obwohl es mir gut gefiel, daß Hans Hohmann es offenbar hingekriegt hatte. Er sagte, ganz einfach, du brauchst bloß zur See, und dann sagte er, daß er nach dem Militär zwei volle Jahre auf verschiedenen Schiffen kreuz und quer herumgefahren war, und jetzt war er wieder da, schaute sich um und überlegte, was er machen sollte. Kommt drauf an, sagte ich, und er sagte, worauf. Worauf du Lust hast, sagte ich. Er sagte, ich glaube, das sind so Sachen, die man nicht studieren kann. Dann fragte er mich, wie Studieren sei, und ich erzählte ihm davon, und irgendwann waren wir schon ziemlich weit spazierengegangen, als er sagte, das klingt nach Herumsitzen und Geschwätz, und ich sagte, eigentlich nur manchmal. Mir war inzwischen nach dem vielen Spazierengehen selbst nach Herumsitzen zumute, und ich hatte nicht das Gefühl, daß es Geschwätz wäre, wenn wir uns unterhielten. Als wir aus der Kneipe herauskamen, war es schon dunkel.
Und du, fragte er, woran glaubst du.
Ich sagte sehr schnell, an Wurstsalat und meine blaue Kletterpflanze, und an den Hibiskus auch, und er sagte, das ist immerhin schon mal ein Anfang, aber mir war es trotzdem peinlich, daß ich es gesagt hatte, und ich nehme an, ich wurde rot, jedenfalls fühlte sich mein Gesicht heiß an, aber es war dunkel, und weil wir nebeneinander gingen, konnte er davon nichts sehen, und als wir noch ein paar Schritte gegangen waren, fand ich es erleichternd, daß ich es gesagt hatte.
Und du, fragte er, woran glaubst du.
Ich sagte sehr schnell, an Wurstsalat und meine blaue Kletterpflanze, und an den Hibiskus auch, und er sagte, das ist immerhin schon mal ein Anfang, aber mir war es trotzdem peinlich, daß ich es gesagt hatte, und ich nehme an, ich wurde rot, jedenfalls fühlte sich mein Gesicht heiß an, aber es war dunkel, und weil wir nebeneinander gingen, konnte er davon nichts sehen, und als wir noch ein paar Schritte gegangen waren, fand ich es erleichternd, daß ich es gesagt hatte.
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Autoren-Porträt von Birgit Vanderbeke
Birgit Vanderbeke, geb. 1956 im brandenburgischen Dahme, lebt im Süden Frankreichs. 1997 erhielt sie den Kranichsteiner Literaturpreis, 1999 den Solothurner Literaturpreis für ihr erzählerisches Gesamtwerk sowie den Roswitha-Preis, 2002 wurde ihr der Hans-Fallada-Preis verliehen, 2007 erhielt sie die Brüder-Grimm-Professur an der Kasseler Universität.
Bibliographische Angaben
- Autor: Birgit Vanderbeke
- 2003, 1, 144 Seiten, Maße: 13 x 210,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: S.fischer
- ISBN-10: 3100870212
- ISBN-13: 9783100870216
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