Der Schnitt
Zur Geschichte der Bildung weiblicher Subjektivität
In den Kämpfen für ein gerechtes Geschlechterverhältnis wird traditionell zwischen einer vermeintlich weiblichen Differenz und der Forderung nach juristischer Gleichheit unterschieden. Dieses Buch vollzieht gegenüber beiden Positionen einen Schnitt und...
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Produktinformationen zu „Der Schnitt “
Klappentext zu „Der Schnitt “
In den Kämpfen für ein gerechtes Geschlechterverhältnis wird traditionell zwischen einer vermeintlich weiblichen Differenz und der Forderung nach juristischer Gleichheit unterschieden. Dieses Buch vollzieht gegenüber beiden Positionen einen Schnitt und zielt auf eine radikale Kritik der modernen Subjektkonstitution und eine weitgehende Transformation der Gesellschaftsordnung. In der deutschsprachigen Rezeption wurde die differenzfeministische Geschichte der Bildung weiblicher Subjektivität kontrovers diskutiert. Zugleich zeugt die im Buch fokussierte deutsch-italienische Debatte von einem wiederholt gesuchten transnationalen Austausch, den es im Hinblick auf aktuelle geschlechterpolitische und gesellschaftstheoretische Fragen zu erneuern gilt.
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Der Schnitt “
Einleitung Ein Schnitt, mehrere Schnitte, in unregelmäßiger, nicht notwendig parallel verlaufender Abfolge: Die Tagli bilden den wohl bekanntesten Werkzyklus im künstlerischen Schaffen von Lucio Fontana (1899-1968). Gemeinsam mit einer Gruppe junger Künstler formulierte Fontana 1946 an der Kunstakademie in Buenos Aires im Manifiesto Blanco (Weißes Manifest) die Notwendigkeit, sich von den konventionellen Gattungen der Kunst zu lösen und für die zeitgenössische Erfahrung von Bewegung und Dynamik eine neue ästhetische Praxis zu erfinden (vgl. Fontana 1946/1996). Entsprechend dieser Forderung stellte Fontana sein Schaffen seit den späten Vierzigerjahren unter den übergeordneten Werktitel Concetto spaziale (Raumkonzept). Die Tagli, Messerschnitte in eine zumeist monochrome Fläche, gehören seit den späten Fünfzigerjahren zum Programm des Spazialismus. Entscheidend war für Fontana im Akt des Schnitts nicht die Zerstörung des traditionellen Bildträgers, sondern das schöpferische Moment: Jeder Schnitt (taglio) in die zweidimensionale Oberfläche eröffnete einen Raum hinter der Leinwand, der die Phantasie der Betrachtenden anregte, zur Reflexion der eigenen Position herausforderte. Im Gegensatz zu kunsthistorischen Deutungen, die die Tagli mit offenen Wunden und weiblichen Genitalien assoziieren (vgl. Hess 2017: 49) oder in ihnen allein eine polemische Geste gegen die Tradition erkennen, begriff die Kunstkritikerin Carla Lonzi Fontanas Tagli von Beginn an als radikal kreativen Akt, mit dem der Künstler eine existenzielle Erfahrung ausdrücken wollte (Lonzi 1962/2012: 298-301). Ein Jahrzehnt nach den ersten öffentlichen Ausstellungen der Tagli griff Lonzi Fontanas Intuition auf und vollzog selbst einen radikalen Schnitt: Im Manifesto di Rivolta Femminile rief sie 1970 gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Frauen zur Revolte gegen die vorherrschende Geschlechterordnung auf. Die Geschlechterdifferenz als Schnitt zu begreifen, bedeutete für Lonzi, die Bildung weiblicher
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Subjektivität nicht länger am Modell des männlichen Subjekts auszurichten und das Geschlechterverhältnis in einer neuen Dimension zu denken. Lonzi bezeichnete den durch den Schnitt sich eröffnenden Raum als eine »kulturelle Leere« (Lonzi 1977b: 22), mit der es sich zu konfrontieren galt, um jenseits vorgegebener patriarchaler Maßstäbe einen differenten Sinn von Weiblichkeit (und Männlichkeit) entwickeln zu können. Für das feministische Differenzdenken in Italien, den pensiero della differenza sessuale, ist der taglio, auch ohne expliziten Bezug auf das künstlerische Werk von Lucio Fontana und dessen Rezeption durch Carla Lonzi, bis heute ein gängiger Begriff geblieben. Die vorliegende Arbeit greift ihn auf, in der Absicht, ausgehend von der Französischen Revolution die Geschichte des feministischen Denkens der Geschlechterdifferenz als Schnitt zu reflektieren. Nachgezeichnet werden soll die Geschichte einer feministischen Theorie und Praxis, die mit der Bildung weiblicher Subjektivität auf eine radikale Veränderung der Geschlechter- und Gesellschaftsordnung abzielt. Frauenbewegungen und feministische Theorien sind als historische Phänomene zu betrachten, die vornehmlich in historischen Transformati-onsprozessen hervortreten, wenn infolge gesellschaftlicher Umbruch- oder Krisensituationen auch vermeintlich selbstverständliche Geschlechterverhältnisse fragwürdig werden. Gleichzeitig wirken frauenbewegte, feministische Kräfte auf die geschichtlichen Ereignisse zurück. Die intermittierende Erscheinungsweise beziehungsweise die intermittierende Aufmerksamkeit für feministische Erscheinungen haben die naturalistische Metapher von den feministischen Wellen geprägt. Die Welle gilt als treffende Beschreibung von frauenbewegten und feministischen Dynamiken, »weil sie anschaulich die immer wieder neuen Anfänge sowie ihre von den jeweiligen politischen Bedingungen abhängigen Erfolge und Rückschläge beschreibt und deutlich macht, dass nur eine gewaltige, sich vereinigende Strömung S
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Inhaltsverzeichnis zu „Der Schnitt “
Inhalt Einleitung 9 1 »Unsere Umwertung der Werte« Mit Helene Stöcker in der Alten Frauenbewegung um 1900 1.1 Differenz 21 1.1.1 Prélude française 21 1.1.2 Gleichheit oder Differenz 32 1.1.3 Freiheit und Differenz 39 1.2 Subjekt 47 1.2.1 Gott ist tot: Das desillusionierte Subjekt 47 1.2.2 Die neue Frau: Ein anderes Subjekt 59 1.2.3 Die neue Mutter: Eine andere Frau 73 1.3 Neue Ethik 85 1.3.1 Liebe 85 1.3.2 Eugenische Subjektkonstruktionen 103 1.3.3 Pazifismus 116 1.4 Bildung 124 1.4.1 Jenseits des Deutungsmusters 124 1.4.2 Nietzsche als Erzieher 137 1.4.3 Bildung als Roman 152 2 »Wir spucken auf Hegel«. Mit Carla Lonzi in der Neuen Frauenbewegung um 1970 2.1 Differenz 161 2.1.1 Neue Situation 161 2.1.2 Emanzipation oder Differenz 170 2.1.3 Studenten- und Hippiebewegung 177 2.2 Subjekt 184 2.2.1 Wir spucken auf das Patriarchat 184 2.2.2 Anti-dialektische Internationale 206 2.2.3 Tabula rasa 220 2.3 Relationalität 230 2.3.1 Selbstportrait mit Künstlern 230 2.3.2 Pratica dell'autocoscienza 243 2.3.3 Klitorale und vaginale Frauen 269 2.4 Genealogie 288 2.4.1 Vom Umgang mit der Historie 288 2.4.2 Gelehrt und verlacht: Les Précieuses 300 2.4.3 Armande bin ich (nicht mehr) 311 3 »In der Falte der Gegenwart«. Feministische Differenz seit 1990 3.1 Differenz 329 3.1.1 Differenz, encore 329 3.1.2 Das Mehr der Freiheit 338 3.2 Subjekt 345 3.2.1 Gender Trouble: Das Unbehagen mit der Differenz 345 3.2.2 Transformation des Symbolischen 362 3.3 Politik 379 3.3.1 Frauen-Politik-Utopie 379 3.3.2 Politica o quasi 390 3.4 Erbe 405 3.4.1 Das Gespenst des Feminismus 405 3.4.2 Differente Bildung 415 Schnitt: Feministische Differenz an der Universität 427 Dank 437 Literatur 439 Personenregister 469
Autoren-Porträt von Catrin Dingler
Catrin Dingler ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Forschungsprojekt »Studium Generale in der BRD nach 1945« an der Bergischen Universität Wuppertal.
Bibliographische Angaben
- Autor: Catrin Dingler
- 2019, 476 Seiten, Maße: 14,2 x 21,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593510944
- ISBN-13: 9783593510941
- Erscheinungsdatum: 15.09.2019
Pressezitat
»Dingler [gelingt] eine detailreiche und genaue Rekonstruktion differenzfeministischen Denkens, die althergebrachte Gewissheiten und geläufige Kanonisierungen feministischer Theorie und Geschichte hinterfragt. Ihre geschichtliche Aufarbeitung des differenzfeministischen Denkens lässt sowohl die (etablierte) inhaltliche Einteilung in feministische Wellen als auch die pauschale Abwertung differenzfeministischer Positionen fraglich werden und gemahnt Vorsicht vor einer allzu schnellen Etikettierung oder Übernahme von bestehenden Einordnungen, gerade auch im akademischen Kontext. Nicht zuletzt macht Dinglers gründliche Auseinandersetzung mit den einzelnen differenzfeministischen Protagonistinnen Lust auf eine unvoreingenommene (Re-)Lektüre, zumal auch heute die Frage zu stellen ist, wo und wie der feministische 'Schnitt' zu vollziehen wäre.« Lena Böllinger/Julia Zarth, GENDER, 02/2021
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