Die vorlaute Fischhändlerin
Cesenatico, Romagna, 1920er Jahre. Der größte Fischhändler des Ortes, gebürtig aus Chioggia, der Perle der Adria, ist tot. Andreana, seine Angetraute, sitzt auf einem Berg Schulden. Sie will zur Trauer Rot tragen. Tochter Anita, nach Garibaldis Genossin...
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Klappentext zu „Die vorlaute Fischhändlerin “
Cesenatico, Romagna, 1920er Jahre. Der größte Fischhändler des Ortes, gebürtig aus Chioggia, der Perle der Adria, ist tot. Andreana, seine Angetraute, sitzt auf einem Berg Schulden. Sie will zur Trauer Rot tragen. Tochter Anita, nach Garibaldis Genossin benannt, züchtig in Schwarz gekleidet, ist eine »Studierte«, doch ohne Ambitionen, als Volksschullehrerinzu arbeiten. Fortunato, der angebetete Sohn, macht sich rasch aus dem Staub. »Mondo«, der jetzt amtierende größte Fischhändler wittert sein Glück, ehelicht die Witwe, gerät aber bald in die Fänge von Mascha, einer rachsüchtigen Tänzerin, die ihre Herkunft aus den stinkenden Fischergassen vergessen will. Mit viel List jubelt sie dem erstrangigen Fischhändlerdie Idee mit der Fischsuppen-Konservenfabrik unter. Das bringt die Fischereizunft in Rage und jenem Großprotz den Untergang. Das Unglück schlägt hohe Wellen über Andreana; die Sprösslinge haben sich vollends von ihr abgewandt. Soziale Kälte in Reinform. Mit viel Verstand und weiblicher Urgewalt nimmt Andreana, schwanger mit Mitte vierzig,ihr Schicksal in die eigene Hand. Sie bietet der gnadenlosen und ewig zerstrittenen Gesellschaft die Stirn und behauptet sich alla grande in der absoluten Männerdomäne der Fischhändler. Ist die zum Schimpfwort mutierte pescivendola / das Fischweib gar ein nachhaltiger Racheakt der entmachteten Männer?Ein opulentes, an Fellini-Filme erinnerndes Panorama der Region Romagna, jenseits aller Klischees. Ein sprachliches Feuerwerk - die Übertragungen des romagnolischen und venetischen Soziolekts - einfach köstlich!Melancholischer Humor voll Tragisch-Komischem durchzieht die Geschichte, funkelnde Ironie bildet das perfekte Gegenstück zu jedem Pathos. Mit teils zynischem Naturalismus schildert Moretti die einzigartigeWelt der Fischerei, in der Fischer und Fischhändler sich wie feindliche Lager gegenüberstehen, dennoch alle an einem Strang ziehen. Die Welt der Arbeit ist ihr einziges Identitätsgerüst, was das »Mehr Scheinen als Sein«
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miteinschließt. Arbeitals die wahre menschliche Substanz. Bis die Industriemoderne alles ins Wanken bringt. Hier kann nur die Frau helfen, diestärker ist als jeder Mann. Zu lesen auch als Blaupause für die heutige Gesellschaft, in der die soziale Schere weit geöffnet und der Identitätsfaktor Arbeit und Handwerk ausgehöhlt wird. Wo die vielen Egos sich in immer krasseren Abgrenzungs- und Identitätskämpfen verstricken. Und rein menschliche Gemeinschaften keinen Zulauf mehr haben.
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Klappenbroschur. Mit Lesebändchen
Autoren-Porträt von Marino Moretti
Marino Moretti wurde 1885 in Cesenatico geboren, wo er 1979 auch verstarb; seinHaus ist heute ein Museum, wo Menschen und Bücher zusammentreffen sollen.Seine Schildkröte Cunigonda aus Neapel segnete 2003 das Zeitliche. Moretti wurdezunächst als Dichter im Kreis des crepularismo bekannt, der sich radikal vomSchwulst des Fin de siècles abkehrte. »Bleistiftgedichte« (was an Robert Walser erinnert) und seine Selbstauskunft »Ich habe nichts zu sagen« sind eine herrliche,programmatische Überspitzung. Ab 1913 schreibt er mit beachtlichem Publikumserfolginsgesamt 20 Romane, zahlreiche Erzählungen, Reiseberichte. Infolge derVeröffentlichung seines Erstlings Il sole del sabato (Die Samstagssonne), ab 1913als Fortsetzung in einer Tageszeitung, entstand eine enge Freundschaft mit der seinerzeit bekanntesten weiblichen Figur der italienischen Literaturlandschaft: GraziaDeledda, aus Núoro, zukünftige Nobelpreisträgerin, mit Sommerhaus in Cervia:»Ich denke, mit Ihnen ist tatsächlich die Sonne über unseren literarischen Landenaufgegangen«1, verkündet Deledda im ersten Brief. Da hatte sie bereits ihre bekanntesten Romane Efeu und Schilf im Wind veröffentlicht. Ihr Interesse galt nichtnur dem feschen Moretti, wohl auch seinen außerordentlich lebendigen, sozialpsychologisch prägnanten Frauenfiguren, Erzählnukleus aller seiner Romane; Deleddafieberte mit deren Romanschicksalen mit. Auf den Punkt gebracht von CristianoCavina: »Bei Moretti haben die weiblichen Figuren, auch die bösen, tausendmalmehr Charakter als die Männer. Sie halten den Laden am Laufen.«»Ach, hört doch auf!«, sagte Mascha fuchsig. »Wo wären denn die großenMänner, die Businessmen, wenn sie sich so aufgeführt hätten, wenn siegesagt hätten: Ich hatte mal einen Traum, den Traum vom Brodetto in derDose, aber lassen wir's gut sein?«»In Comacchio haben sie mich betrogen«, ächzte Mondo mit leerem Blick.»Das Holz ... die Bottiche taugen nichts ...« »Und das ist alles? Meint Ihrnicht, dass Ihr jetzt etwas Neues erfinden
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solltet, eine Dose, genial undpraktisch, ganz anders als die Konserven sonst? Aus Blech, zum Beispiel ...«Im Gegensatz zur Deledda war Marino Moretti unter den Unterzeichnern des »Manifestsder antifaschistischen Intellektuellen«, verfasst von Benedetto Croce, abge-druckt am 1. Mai 1925 in den Tageszeitungen Il Mondo und Il Popolo als Replik aufdas Manifest der faschistischen Intellektuellen, federführend Giovanni Gentile, aktiverUnterstützer Mussolinis. Neben Moretti und vielen anderen: Luigi Einaudi, EugenioMontale, Matilde Serao und Giuseppe Levi, Vater von Natalia Ginzburg. Judith Krieg bastelte schon als Kind gern kleine Text-Anthologien für ihre Freunde, als Jugendliche wanderte sie mit ihrer Familie nach Mailand aus. Beides, die Bücher und Italien, zogen sich weiter als roter Faden durch ihr Leben. Nach ihrem Studium der Germanistik, Romanistik und Publizistik (unter anderem in Bologna) arbeitete sie fast 10 Jahre bei Reclam und Cornelsen, bis sie den Sprung in die Selbstständigkeit als Literaturübersetzerin, Lektorin und Herausgeberin unternahm und schließlich bei der Edition Converso andockte, wo sie seit Anfang 2020 unter anderem für die Pressearbeit, Social Media und Veranstaltungsorganisation zuständig ist und der Verlegerin zur Seite steht. Judith Krieg übersetzte Autorinnen und Autoren wie Maria Attanasio, Simona Baldanzi, Antonella Lattanzi, Alessandro Leogrande, Edoardo Nesi, Mario Soldati, und arbeitete für die Berliner Buchhandlung Dante Connection. Für Reclam betreute sie zahlreiche Titel der Roten Reihe, u. a. eine Anthologie mit italienischen Erzählungen des 20. Jahrhunderts oder Bände zu Natalia Ginzburg und Michela Murgia; bei Wieser erschienen in der Reihe "Europa erlesen", in Zusammenarbeit mit Mario Desiati, Bände zu Apulien und zur Toskana, weitere sind in Planung. Im Büchermeer taucht sie beständig nach Perlen und versucht mit Leidenschaft, Leser*innen für lesenswerte Texte zu finden.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Marino Moretti
- 2024, Neuausgabe, 320 Seiten, Maße: 12,2 x 21 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzer: Judith Krieg
- Verlag: Edition CONVERSO
- ISBN-10: 3949558330
- ISBN-13: 9783949558337
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