Ermitteln verboten!
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Ermitteln verboten vonJürgen Roth
LESEPROBE
Paten, Politiker und seltsame Freundschaftsdienste
»DieGeschichte lehrt, dass gerade die Forderung nach tugendhaftem Verhalten in einerbarmungslos überzogenes, selbstgerechtes und sogar heuchlerisches Moralisierenumschlagen kann.«
Exbundesverfassungsrichter ErnstSimon
Die schwüle Romantik des politischen Faktors Rotlicht
Unzählige Berichte sind in denMedien über den internationalen Frauenhandel, über sexuelle Ausbeutung oderKinderprostitution erschienen; und mal wurde mehr, mal weniger seriösberichtet. Merkwürdig aber war fast immer, dass über die Hintermänner, die inaller Regel männlichen Profiteure, und über ihre Verbindungen ins herrschende politischeMilieu hinein beharrlich geschwiegen wurde. Denn diesbezügliche Erkenntnissewürden die Erpressbarkeit von Politikern und Wirtschaftsführern durch kleinewie große Gangster offenbaren. Ob Kommunalbedienstete, Landes- oder Bundespolitiker,hochrangige Richter und Staatsanwälte, sie alle scheinen nicht nur dasschummrige Ambiente von Edelpuffs samt Luxusnutten zu genießen. Wenn es dabeinur um ihr Privatleben ginge, wäre es keine Zeile wert. Doch fatal wird es ausanderen Gründen.
ZumBeispiel lassen sich manche aus dieser Szene hemmungslos mit Kindern undJugendlichen beliefern, mit jungen Frauen, die von Zuhälterbanden zu ihrem»Job« gezwungen werden und sich in sklavischer Abhängigkeit befinden. Auf deranderen Seite gelingt es selbst der Polizei und Staatsanwaltschaft nur selten,dieses Milieu aufzuhellen und die entsprechenden Verflechtungen mit teilweisehochrangigen Würdenträgern aufzuzeigen. Nicht zuletzt deshalb, weil Ermittlungen nichterwünscht sind. Die korrupten, ja geradezu mafiosen Strukturen sollen imDunkeln bleiben.
Das Rotlichtmilieu ist bis heute Synonym für gefährlicheBanden und internationale Kriminalität, wobei das Spektrum vom »Fünfmarksluden«bis zur internationalen Menschenhändlerbande reicht. Um die Großen im Rotlichtmilieuschart sich ein weit gefächertes kriminelles Netzwerk. Konkurrenten werdenbedroht und erpresst, Lokale zertrümmert oder angesteckt, Zeugen werdeneingeschüchtert, mit Repressalien bedroht oder brutal malträtiert. Das allesist schmückendes Beiwerk der Szene. Denn es geht vor allem auch um viel Geldund um den Versuch, Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse zu nehmen.Es geht um Finanztransaktionen von illegalen Geldern überVerwaltungsgesellschaften mit ihren zahlreichen Restaurants, Gaststätten,Bars, Bistros, Spielkasinos, Saunaklubs, Immobilienfirmen und die wiederumdamit in Zusammenhang stehenden Verbindungen zu Politikern, Amts- undMandatsträgern sowie zu Wirtschaftsgrößen.
Und diese Verbindungen haben fast immer Folgen. Dennermittelnde Polizeibeamte oder Staatsanwälte, die zu nahe an die Verbindungenzwischen Rotlicht und politischen Mandatsträgern kommen, werden eingeschüchtert.Staatsanwälte wiederum weigern sich, Verfahren zu eröffnen. Richter duckensich, Ermittlungen werden gezielt sabotiert, Zeugen nicht nur mundtot gemacht.
Im katholischen Trier zum Beispiel tauchten bereits Mitteder Neunzigerjahre, im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu in der Domstadt, hochrangigePersönlichkeiten in Ermittlungsakten auf, Akten, die daraufhin erst mal in denSchubladen der Staatsanwaltschaft verschwanden. Dann wurde jedoch ermittelt.Und was seit geraumer Zeit vermutet wurde, stellte sich zumindest in Teilen alsdurchaus wahr heraus: Richter, die bislang bei ihren Entscheidungen alsjuristisch unabhängig betrachtet werden, sind eben auch nur Menschen mitbesonderen Vorlieben.
Was sich in Trierherauskristallisierte, war, dass es ein Netzwerk von Zuhältern gab, die inihren Räumlichkeiten Pornos mit minderjährigen Mädchen und Jungen drehten unddabei anscheinend auch Gäste auf Video aufgenommen hatten. Vernehmungen vonProstituierten und von Mädchen aus einem Jugendheim durch Beamte desLandeskriminalamtes RheinlandPfalz zeigten, dass auch Trierer Richter in dieseSzene verstrickt waren. (...)
© Eichborn AG, Frankfurt am Main,September 2004
Interview mit Jürgen Roth
JürgenRoth ist einer der bekanntesten deutschen investigativen Journalisten. Er ist1945 geboren und lebt in Frankfurt am Main. Seit 1971 veröffentlicht erbrisante TV-Dokumentationen und erfolgreiche Bücher. Jetzt ist sein neuesBuch „Ermitteln verboten“ erschienen.
Wiekamen Sie zu Ihrem Beruf?
Bereits in jungen Jahrenwar es meine Leidenschaft zu schreiben und ich musste mich 1969 entscheidenzwischen einer Karriere im Büro – ich bin ausgebildeterSpeditionskaufmann – oder dem Schreiben entscheiden. Dann lebte ich, umdas zu überprüfen, ein Jahr in einem kleinen Dorf in der Türkei.Meine Frau und ich waren die einzigen Ausländer. Und da klappte es mit demSchreiben und seitdem arbeite ich als Journalist und schreibe Bücher. Meinerstes Buch war übrigens „Armut in Deutschland" und das war imJahr 1971.
Waswar Ihr „erster Fall“?
Im Zusammenhang mitpolitischer Kriminalität war das eine Untersuchung über dieHintergründe des Attentates auf den Papst im Jahr 1981. Damals bin icherstmals auf die Verbindungen zwischen Mafia, Politikern und Geheimdienstengestoßen, die alle ein gemeinsames Interesse hatten - dieHintergründe über das Attentat sollten verschleiert werden. Ich habeversucht dieses Milieu ein wenig aufzuhellen. Mein nächster„Fall“ war, dass ich einen Putschversuch in Zentralafrika vonAnfang an begleitete und bevor er stattfand, bin ich damit an dieÖffentlichkeit gegangen.
Wiegehen Sie bei Ihren Ermittlungen vor?
Icharbeite sehr langfristig. Wenn ich jemand „im Visier“ habe kann eszwei, drei Jahre dauern, bis genügend Material vorliegt. Erst dann kannich es wagen, ihn an die Öffentlichkeit zu zerren um zu zeigen: Schaut,der ehrenwerte Herr ist gar nicht so ehrenwert - im Gegenteil. Natürlicharbeite ich in der Regel eng mit bestimmten Polizeibehörden zusammen, habeaber auch gute Kontakte zu hochkarätigen Mafioso. Einige vertrauen mir -aus welchen Gründen auch immer.
Wieund warum wird die Bekämpfung der Kriminalität behindert? Werprofitiert davon?
Stellenkürzungenbei der Polizei, keine oder wenig Aufstiegschancen, Überstundenverbot,immer neue Reformen die nur einen Zweck haben - Mittel einzusparen:Polizeibeamten sind plötzlich Produktmanager, weil der Kriminelle einProdukt geworden ist. Und hier zählt nicht die Qualität, sondern dieQuantität. Organisierte Kriminalität oderWirtschaftskriminalität sind jedoch Bereiche, in denen hoch qualifizierteExperten für Mord, Geldwäsche oder Erpressung tätig sind.Dagegen können frustrierte und demotivierte Beamte nichts mehrunternehmen. Und häufig sind unsere Politiker – ich beschreibe es jaausführlich in meinem Buch – selbst mehr oder weniger eng mitkriminellen Strukturen verbunden, von ihnen abhängig, erpressbar geworden.Das hat es in der Vergangenheit so nicht gegeben. Ist es nicht seltsam dashochrangige deutsche Politiker mit bekannten italienischen Mafioso oderrussischen Gangstern der Spitzenklasse flirten? Insofern haben diese Politiker,ob Kommunal-Landes- oder Bundespolitiker kein Interesse daran, dass die Polizeihinter die dreckigen Kulissen schaut. Mir sagte ein Polizeipräsident ausdem Ruhrgebiet: "Die herrschenden politischen Köpfe wollen nicht,dass etwas herauskommt. Sie wollen nichts über die Hintergründewissen und lieber alles unter den Teppich kehren."
Undwer davon profitiert? Drogenbosse, Waffen -und Menschenhändler,Finanzhaie, Anwälte und die Vorstandsvorsitzenden großer kriminellerKonzerne. Die brauchen leider nichts zu befürchten.
Istder Rechtsstaat und damit auch unsere Demokratie am Ende? Was kann man dagegentun?
DieDemokratie und der Rechtsstaat sind sicher nicht am Ende. Aber je mehr dasSelbstverständnis einer Gesellschaft sich in der Gewinnmaximierungerschöpft, Gewinn und Beute nicht mehr zu unterscheiden sind, um soweniger wird es Unterschiede zwischen legalen und kriminellen Strukturen inPolitik und Wirtschaft geben. Moralische Werte werden heute bereits in geradezufahrlässiger Weise gering geschätzt. Das fördert kriminelleStrukturen und zerstört langsam aber sicher die Demokratie.
Gefragt sind daher heuteWerte und moralische Maßstäbe, gemeinnütziges Denken und sozialverantwortliches Handeln. Die katholische Soziallehre wäre eigentlich einguter Kompass. Der Bürger muss sich sicher fühlen, das gilt fürseine soziale Sicherheit wie für die Sicherheit vor Gangstern, ob inTrainingsanzug oder im Frack. Wie groß der Einfluss dieser Gangsterbereits ist – weiß der Bürger ja leider überhaupt nicht.Deshalb versuche ich mit meinem Buch darüber aufzuklären. Mehr kannich nicht tun. Die Bürger müssen ihre Politiker alarmieren und Druckausüben - dann ändert sich vielleicht etwas.
Die Fragen stellte Avan Sidiq / lorenzspringermedien
- Autor: Jürgen Roth
- 2006, Nachdr., 264 Seiten, Maße: 15,7 x 22,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Eichborn
- ISBN-10: 3821855886
- ISBN-13: 9783821855882
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