Hitlers Freunde in England
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Ian Kershaws neues Buch ist eine exzellente Darstellung Englands ambivalenter Beziehungen zu Deutschland in den Dreißigern und der fatalen Versuche einiger seiner hochrangigsten Vertreter, Freundschaft mit Hitler und seinem Regime schließen zu wollen. In Lord Londonderry, Cousin Churchills und zeitweise Mitglied des englischen Kabinetts, finden sich wie in einem Brennglas Motive und Hintergründe für die britische Appeasementpolitik versammelt. Ein differenziertes und gleichzeitig beklemmendes Porträt von Hitlers Freunden in England und ihrem Verkennen der nahenden Katastrophe.
»Sie und Deutschland erinnern mich an die Schöpfungsgeschichte in der Bibel. Nichts sonst beschreibt den Eindruck richtig«, schreibt Lady Londonderry an Adolf Hitler. Wie war es möglich, dass Angehörige der Spitzen der englischen Gesellschaft so für Hitler schwärmten? Und woraus speiste sich die krasse Fehleinschätzung der wahren Ziele Hitlers?
Ian Kershaws neues Buch ist eine exzellente Darstellung Englands ambivalenter Beziehungen zu Deutschland in den Dreißigern und der fatalen Versuche einiger seiner hochrangigsten Vertreter, Freundschaft mit Hitler und seinem Regime schließen zu wollen. In Lord Londonderry, Cousin Churchills und zeitweise Mitglied des englischen Kabinetts, finden sich wie in einem Brennglas Motive und Hintergründe für die britische Appeasementpolitik versammelt. Ein differenziertes und gleichzeitig beklemmendes Porträt von Hitlers Freunden in England und ihrem Verkennen der nahenden Katastrophe.
1 Illusionen und Irrtümer über Hitler
»Haben wir esnoch mit dem Hitler von MeinKampf zutun, der seine Gegner mit guten Worten einlullte, um Zeit für die Bewaffnungseiner Leute zu gewinnen?
Oder ist esein neuer Hitler, der die Last eines verantwortungsvollen Amts entdeckt hat?Das ist das Rätsel, das gelöst werden muss.«
Sir Maurice Hankey, Kabinettssekretär, Oktober 1933
Hitler war ein Mysterium. So viel kann man aus denFehlurteilen so vieler Beobachter seines meteorgleichen Aufstiegs und der raschenFestigung seiner Machtposition schließen. Sogar innerhalb Deutschlands sahensich die meisten derjenigen, die glaubten, Hitler verstanden zu haben,getäuscht. Hitler falsch zu beurteilen und zu unterschätzen, seine Ziele zumissdeuten, »ihn zu verkennen« war eine weit verbreitete Erscheinung. Auf derLinken hielt man ihn für einen Schwindler und Scharlatan, eine Marionette desGroßkapitals und grausame Waffe des in seiner Endkrise befindlichenKapitalismus. Seine Herrschaft, glaubte man, würde von kurzer Dauer sein undbald wie der Kapitalismus selbst zusammenbrechen. Für gläubige Christen undihre Repräsentanten war Hitler entweder die Inkarnation des Bösen, derAntichrist und Vertreter einer Variante des »gottlosen Bolschewismus « oderaber ein gottesfürchtiger Staatsmann (im Gegensatz zu den radikalen Gegnern desChristentums in der NS-Bewegung) und Vorkämpfer der nationalen Aussöhnung undmoralischen Erneuerung Deutschlands. Die konservative Rechte schließlich fand,dass er bei der Entfachung nationalistischer Gefühle nützlich war, und sah inihm lediglich ein Sprachrohr der unzufriedenen Massen, den demagogischenAnführer einer Protestpartei ohne klares politisches Programm, der, wenn er nurentsprechend »eingerahmt« wurde, im Zaum gehalten und gelenkt werden konnte,bis die »traditionellen Kräfte« ihre Machtstellung wieder gefestigt hatten.(1) Nach 1933sollten viele nur zu bald erkennen, welch katastrophalem Irrtum sie erlegenwaren.
Wenn die Beurteilung Hitlers kurz vor und nach seinemMachtantritt schon innerhalb Deutschlands so unterschiedlichausfallen und so grundfalsch sein konnte, nimmt es nicht wunder, dass esAußenstehenden
noch schwerer fiel, seine Absichten zu durchschauen unddas ganze Ausmaß der Gefahr zu erkennen, die für den Frieden in Europa von ihmausging. In Großbritannien spiegelte sich in der Presse, die eine solchentscheidende Rolle bei der Formung der öffentlichen Meinung spielte,weitgehend (wenn nicht vollständig) die jeweilige parteipolitische Orientierungwider, und sie bot den Lesern ein entsprechend breites Spektrum von Ansichtenüber Hitler, die nicht selten eine tiefgehende Ignoranz oder ein völligesMissverständnis dessen, wofür er und seine Partei standen, offenbarten. Es istdaher nicht überraschend, dass die Meinungen über den Nationalsozialismus inGroßbritannien in der Anfangsphase von Hitlers Herrschaft erheblich voneinander abwichen. Die Extremposition aufder Linken vertraten jene, die den deutschen Diktator für einen Lakaien desKapitalismus hielten und vor allem von der Brutalität des neuen Regimes undseinem terroristischen Angriff auf die Menschenrechte abgestoßen wurden,während rechts außen die Faschisten standen, die Hitler rückhaltlos bewundertenund die »dekadente« Demokratie in England am liebsten durch ein ähnlichesRegierungssystem ersetzt hätten. Zwischen diesen Polen waren sich viele der anDeutschland Interessierten - die in den ersten Jahren von Hitlers Diktatur einerelativ kleine Minderheit bildeten - nicht sicher, was sie von der dortigenEntwicklung halten sollten, und schwankten häufig zwischen gegensätzlichenMeinungen. Einige Aspekte, wie die Wiederherstellung der Ordnung, die raschewirtschaftliche Erholung, die Neubelebung des nationalen Lebens und dieZerschlagung des Kommunismus, fanden durchaus ihre Zustimmung, während sieandere verurteilten, insbesondere die extreme Gewalttätigkeit der Nazihordengegenüber Juden und politischen Gegnern. Mit einer solch zwiespältigenEinstellung ging häufig die Sorge darüber einher, wie sich ein wieder erstarktesDeutschland international aufführen würde. Dabei fand man angesichts der alsungerecht angesehenen Regelungen, die Deutschland 1919 durch den VersaillerVertrag aufgezwungen worden waren, einen gewissen Aplomb auf deminternationalen Parkett sowohl unvermeidlich als auch nicht ganz unberechtigt.Auf jeden Fall war man weithin der Ansicht, dass Großbritannien trotz allerunangenehmen Seiten des Hitlerregimes irgendwie mit ihm zusammenarbeiten sollteund dass sich ein starkes Deutschland als nützlich erweisen könnte als Bollwerkgegen das noch abstoßendere, brutalere und fremdartigere Glaubensbekenntnis desBolschewismus, ein Schreckgespenst, das als künftige Bedrohung für diewestliche Zivilisation betrachtet wurde.(2)
Diejenigen, die solche Ansichten vertraten, waren zumeistweder Narren noch Schurken. Im Rückblick sieht man leicht, wie irrig diese Ansichtenteilweise waren. Zum Zeitpunkt des Geschehens war es hingegen
weit schwieriger, die Ungeheuerlichkeit von HitlersAbsichten wahrzunehmen und eine klare, unzweideutige Politik für den Umgang mitihm festzulegen. Das traf nicht zuletzt und fatalerweise auch für die Regierungin Whitehall zu, insbesondere für das Außenministerium, wo man hinsichtlich des Problems, vor dasHitler und der Nationalsozialismus die britische Politik stellten, ebenfallsunentschlossen, unsicher und oftmals unterschiedlicher Meinung war. Und dastrotz der scharfsinnigen Berichte der britischen Botschaft in Berlin, dieeinige der klarsten Hinweise auf den Charakter der NSDAP und ihresrätselhaften »Führers« enthielten.(3)Entgegen den nachhaltigen negativenAnsichten der Nachwelt über das Scheitern der Beschwichtigungspolitik waren diean der Gestaltung der Politik im Außenministerium Beteiligten hochintelligenteund kompetente Leute, und die Mitglieder der Regierung MacDonald, die in derPeriode der Konsolidierung von Hitlers Macht im Amt war, handelten in gutemGlauben und in mancher Hinsicht sogar idealistisch. Dennoch ließen sich fastalle mehr oder weniger von Hitler in die Irre führen, und die spätere Schwächeder britischen Regierung, die durch das demütigende Scheitern des Versuchs, ihnzu »beschwichtigen«, vollends bloßgelegt wurde, war in der Fehleinschätzungseiner Absichten und der Unsicherheit über die ihm gegenüber einzunehmendeHaltung in den ersten Jahren seiner Herrschaft, als er noch schwach war,vorgezeichnet. Dies waren die Jahre, in denen Hitler seine von internationalerAngreifbarkeit und Isolation charakterisierte Anfangslage in eine Position vonFurcht erregender Stärke verwandelte. In diesen Jahren bekam der Schlagetot denKnüppel in die Hand, den er nur zu gern benutzte - während die deutscheAußenpolitik nach und nach außer Kontrolle geriet, bis Europa schließlich inden Krieg stürzte.
© Deutsche Verlags-Anstalt
Übersetzung: Klaus-Dieter Schmidt
- Autor: Ian Kershaw
- 2005, 2. Aufl., 527 Seiten, 17 Schwarz-Weiß-Abbildungen, 33 Abbildungen, Maße: 15,6 x 22,6 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Klaus-Dieter Schmidt
- Verlag: DVA
- ISBN-10: 3421058059
- ISBN-13: 9783421058058
- Erscheinungsdatum: 11.08.2005
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