Lillemors Rätsel
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»Lillemors Rätsel« ist ein spannendes Märchen unserer Zeit über die Last verdrängter Erinnerungen und alter Schuldgefühle, in dem die Jagd nach dem Mörder nur einer von vielen dramatischen Höhepunkten ist.
LillemorsRätsel von MarianneFredriksson
LESEPROBE
Niklas Lundgren hatte die Fähigkeit entwickelt, große Gefühleso zu zerlegen, dass er leichter damit fertig wurde.
Natürlich erschrak er, als die Polizei bei ihm anrief, aberals er für die Kinder alles in die Wege leitete, sagte er sich, das Geschehenesei zwar unangenehm, aber mehr auch nicht. Es wurden nun mal Leute umgebracht.Es kam nicht oft vor, aber immerhin, es kam vor. Jemand fand eine Leiche ineiner Wohnung oder unter einer Fichte im Wald. Der Rest war Sache der Polizei.
Klar war es für Lillemor kein angenehmes Erlebnis. Sie tatihm auch Leid, weil er wusste, wie wichtig ihr die Waldspaziergänge in derUmgebung des kleinen Sommersitzes waren. Immer wieder hörte er sie sagen, dassder Wald sie heilte. Aber das war nur so ein typischer Lillemor-Satz, einedramatische Formulierung, um der Formulierung willen. Seine Frau lebte vonWorten. Das war eine der Seiten, die ihn an ihr störten.
Sie war nicht innerlich zerrissen, ganz im Gegenteil.Gewiss, es gab einige Risse in ihrem Selbstvertrauen. Aber Lillemor hatte großesGeschick darin entwickelt, diese zu übertünchen. Sie würde über die ganze Sachehinwegkommen. Wenn die Schockwirkung erst nachließ, würde sie wie er sehen,dass das, was passiert war, sie nichts anging.
Er musste zwar zugeben, dass es nicht angenehm war, wenn inden Wäldern dort unten ein Mörder frei herumlief, und dass die Polizei glaubte,Lillemor beschützen zu müssen. Er las keine Kriminalromane, schaute sich imFernsehen aber doch ab und zu einen Krimi an und wusste, dass dem, der zu vielgesehen hatte, Gefahr drohte.
Konnte der Kommissar vielleicht gemeint haben, dass sieetwas gesehen hatte, das bedrohlich für sie war? Aber die Polizei versteht ihreArbeit, die erwischen den Täter.
Den Kindern erzählte er nur die halbe Wahrheit, dass sichnämlich in den Wäldern beim Sommerhaus ein Mörder herumtrieb. »Und drum dürftihr jetzt nicht mitkommen.«
»Und Mama?«, sagte Karin, und ihre Augen weiteten sich vor Angstund Entzücken.
»Mama ist bei der Polizei. Die verhören alle, die in derGegend wohnen.«
»Und dann?«
»Sie übernachtet im Stadthotel in Mjölby und wartet dort aufmich.«
Die Kinder erwiesen sich als sehr kooperativ. Diedreizehnjährige Ingrid rief bei der Oma an und bat sie herzukommen. Er selbst stopftedas Notwendigste in eine Tasche und dachte, ich muss, verdammt nochmal, meineGedanken zusammenhalten. Da klingelte das Telefon schon wieder. Das Gesprächkam von einem Automaten, er konnte das Klicken von Münzen hören.
»Ich bin aus dem Hotel abgehauen. Ich glaube, die überwachenmeinen Telefonanschluss.«
»Wer?«
»Die Polizei.«
»Wo bist du denn?«
»Im Zeitungskiosk gegenüber, am Bahnhof.«
Er nickte beruhigt, einen Augenblick lang konnte er sie inder Telefonzelle neben dem Kiosk direkt vor sich sehen. Am Bahnhof waren immereine Menge Leute unterwegs.
»Aber warum sollte die Polizei ...?«
»Die verdächtigen mich.«
»Lillemor«, sagte er und hörte selbst, dass seine Stimme wieimmer, wenn sie ihn mit ihren Übertreibungen erschreckte, verärgert klang.
»Niklas, hör zu. Es ist merkwürdig, aber die Tote gleichtmir wie eine Tochter oder eine jüngere Schwester. Sie sieht aus wie eine Kopievon mir, als ich jung war. Begreifst du?«
»Nööö.«
»Aber es ist so, und das ist unheimlich. Niklas, ichverstehe, dass sie misstrauisch sind. Ich gehe jetzt ins Hotel zurück undversuche eine Kleinigkeit zu essen. Dann nehme ich ein paar Schlaftabletten. Ichwollte nur, dass du es weißt. Falls sie hier sind und dich verhören, währendich schlafe. Verstehst du?«
»Nein, ich verstehe gar nichts.«
»Niklas, sei vorsichtig mit allem, was du sagst«, rief sie,und dann gingen ihr die Münzen aus, und er stand da und starrte den Telefonhöreran.
Sie muss hysterisch geworden sein, dachte er, als er in derNorra Stationsgatan im Stau steckte. Es war Freitagabend.
Aber Lillemor wurde nie hysterisch; wenn er schon längst dieFassung verlor, war sie noch die Ruhe selbst. Im seinem Kopf wiederholte sichdas Ferngespräch wie auf einem Tonband ... Sei vorsichtig mit allem, was dusagst ... Aber was zum Kuckuck sollte er zu sagen haben? ... Die verdächtigenmich ... Weswegen, Lillemor, weswegen? ... Sie gleicht mir wie eine Kopie, nurjünger ...
Das ist unsinnig, dachte er, und das Gefühl einer drohenden Gefahrverstärkte sich. An der Königskurve löste sich der Stau auf, und er konnte Gasgeben. Die Anspannung ließ nach, und wenig später dachte er, der Schock hat sieziemlich durcheinander gebracht. Das war zwar unangenehm, aber für so etwasgab es Ärzte. Ein Psychiater, ein paar Medikamente, und alles wäre wieder gut.
Es wurde allmählich dunkel. Auf der Höhe von Nyköping war finstereNacht, und der Gedanke, dass Lillemor durchgedreht hatte, aber bald wiedergesund sein würde, brachte keinen Trost. Denn jetzt war die Erinnerung an das,was passiert war, nicht mehr zu verdrängen.
In Amerika hatte sie die Nachricht vom Tod ihrer Schwestererreicht.
Lillemors Schwester.
Ich darf mich nicht aufregen.
Aber es war zu spät, du lieber Himmel, welche Angst hatte erdamals ausgestanden. Damals hatte er zum ersten Mal erkennen müssen, wieabhängig er von der Kraft seiner Frau war.
Wie immer versuchte er sich damit zu trösten, dass sie vonihm abhängig war, wenn es um Äußerlichkeiten und Praktisches ging. Aber wieschon öfter in letzter Zeit hegte er seine Zweifel und dachte, dass sie nichtnur mit sich selbst, sondern auch mit den Kindern zurechtkommen würde, wenn erplötzlich von der Bildfläche verschwände. Sie hätte es sogar besser. Ruhiger.
Dann verwünschte er sich und seine dauernden Vergleiche. Immerwenn sie sich darüber ärgerte, sagte sie, das Leben sei schließlich keineRechenaufgabe.
Aber mit solchen Auseinandersetzungen hatten sie schon langeaufgehört. Er legte den dritten Gang ein und überholte einen Sattelschlepper,der Motor heulte auf, und Niklas dachte, dass es typisch für ihn sei, immermehr Kraft als notwendig einzusetzen.
»Du hasst mich, das kann ich verstehen. Schließlich muss mandenjenigen ja hassen, von dem man sich dermaßen abhängig macht.«
Da hatte er geschwiegen, es hatte ihn wie eine Wahrheitgetroffen. Aber dann hatte er gedacht, sie übertreibt wie immer, und sie musstemit seinen Zornausbrüchen eben fertig werden. Nie sollte sie erfahren, was fürihn das Schlimmste an seinen Wutanfällen war, dass sie bei ihm nämlich Schuldgefühlehervorriefen.
Lillemors großer Fehler war, dass man sie so leicht traurigmachen konnte.
Amerika: Sie waren jung verheiratet gewesen und sehrverliebt. Irgendwie war das neue Land mit all seinen Verrücktheiten genau dasRichtige gewesen. Berkeley hatte sich von den Ausschreitungen erholt, und siehatten das Wunder miterlebt, wie aus Revolutionären Blumenkinder gewordenwaren.
Man ging ins eigene Innere auf Entdeckungsreise. (...)
© Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2003
Übersetzung: Senta Kapoun
Autoren-Porträt vonMarianneFredriksson
Marianne Fredriksson wurde am 28.3.1927 in Göteborg geboren undlebt jetzt in der Nähe von Stockholm. Als Journalistin arbeitete sie lange fürbekannte schwedische Zeitungen und Zeitschriften. 1980 veröffentlichte sie ihrerstes Buch, seitdem hat sie 11 weitere erfolgreiche Romane geschrieben.
- Autor: Marianne Fredriksson
- 2003, 3. Aufl., 224 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Senta Kapoun
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596140447
- ISBN-13: 9783596140442
- Erscheinungsdatum: 01.10.2003
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