Wie man die Liebe erklärt
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Wie mandie Liebe erklärt von Carole Cadwalladr
LESEPROBE
Schicksal,das; -s, -e:
1. höhereMacht, die Ereignisse
unveränderlichvorherbestimmt;
2. etwasVorherbestimmtes; 3.Verhängnis.
DerWohnwagen trat wie das Schicksal in unser Leben. Auch
wenn ervon außen wie ein Winnebago aussah.
EinesMorgens stand er plötzlich in der Einfahrt, wie
einRaumschiff von einem fremden Planeten, der aufregender
war alsunser eigener. Er hatte einen Miniaturherd mit
einemGrill in Augenhöhe und einen Kühlschrank, der so
tat, alswäre er nichts weiter als ein Küchenschrank. Tiffany
und ich,zwei erfahrene Schnüfflerinnen von Nagellackentferner,
standenauf der Schwelle und sogen den leicht giftigen
Duft neuerPolster und großer Erwartungen ein. Ich war
acht Jahrealt und empfänglich für den Gedanken, dass
Technikdas Leben verändern kann. Hieß es nicht immer so
in derFernsehwerbung?
Ich habeein Foto von diesem Tag. Wir stehen in der Einfahrt,
lächelnd,zuversichtlich, Schulter an Schulter. Es erinnert
mich anein sowjetisches Plakat aus den Dreißigerjahren:
dieFamilie Monroe, tapfere Pioniere einer neuen Art
vonUrlaub, voller Stolz der Zukunft zugewandt. Zwar blinzle
ich in dieSonne, und meine Mutter muss wohl kurz gezwinkert
haben,weil man ihre Augen nicht sieht, aber alles in
allemsehen wir glücklich aus.
DerWohnwagen selbst ist verwackelt, eine verschwommene,
beigefarbeneSilhouette, passend zu seinem quasimystischen
Erscheinenin unserer Mitte. Als Familie hatte es
uns in derFreizeit eigentlich nie besonders ins Freie gezogen;
imAllgemeinen amüsierten wir uns lieber drinnen, indem
wir zumBeispiel Karten spielten oder uns zankten.
Aber dieschöne neue Welt, die der Wohnwagen verhieß, zog
jeden vonuns in ihren Bann. Außerdem hatten wir alle die
Begleitbroschüregelesen und wussten, dass wir mit unserem
neuenWinnebago auf den »Flügeln des Fortschritts« die
»Freiheitder Landstraße« würden genießen können. Wozu
esallerdings nie kam. Wir fuhren dahin, wohin meine Mutter
wollte,und das war Norfolk.
Da ist sieschon. Sie tritt aus dem Foto heraus und geht
zurück zumHaus. Ein Schweinebraten will gewendet, ein
Dielenteppichgesaugt, ein Gefrierfach abgetaut werden. Sie
trippeltdie Einfahrt entlang, dass ihre mit Haarspray gefestigten
Locken aufund ab hüpfen, und um ihre Mundwinkel
spielt einleises, zufriedenes Lächeln. Ich war nie sehr
gut darin,ihr an den wie mit Spitzengardinen verhangenen
Augenabzulesen, was dahinter vor sich ging, aber ich würde
vermuten,dass sie an die neue Einbauküche denkt, die sie
einesTages ihr Eigen nennen wird. Knapp außerhalb meines
Wahrnehmungsfeldeserahne ich beigefarbene Resopalschränke
und einenEinbauherd.
Übertreibeich die Bedeutung, die der Wohnwagen in unserer
Familiengeschichtehatte? Oder verkläre ich sie? Ich
bin mirnicht sicher. Alistair ist derjenige, der an das Schicksal
glaubt,auch wenn er es »genetische Prädisposition«
nennt.Aber er hat seine Gründe dafür. Ich bin skeptischer,
das gebeich zu. Wofür ich, wie Sie noch sehen werden, ebenfalls
meineGründe habe.
Alistairist mein Mann. Vielleicht haben Sie schon von
ihmgehört? Alistair Betterton? Autor von Destiny s Child:
Natureversus Nurture - Das Erbe-Umwelt-Problem im Genomzeitalter?
Wenn Siein der Erstausgabe die Seite sieben
aufschlagen,können Sie mich finden. »Für meine
geliebteFrau«, steht da. Bis in die zweite Auflage habe
ich esnicht mehr geschafft, angeblich reichte der Platz
nicht.
Wenn ichnicht mit Alistair verheiratet wäre, würde ich
dieseGeschichte vermutlich anders erzählen. Aber ich weiß,
was ichweiß. Er hat mir einmal eine genetische Landkarte
gezeigt.Sie sah aus wie eine Temperaturtabelle oder eine
Niederschlagskartevon Europa, mit farbigen Konturen. Sie
zeigte,wie sich die Populationen vereinigt und vermischt
haben.Anhand der DNS, die sich in den Zellen der Nachkommen
findet,kann man darauf die Völkerwanderung verfolgen.
Das sindwir, sagte Alistair, du und ich. Wir sind ein
Produktder Vergangenheit. Meinst du nicht eher, wir sind
einProdukt unserer Vergangenheit?, fragte ich. Nein, sagte
er, wirsind das Produkt der Vergangenheit anderer. Wir setzen
uns ausden Genen anderer zusammen. Wir sind der
kleineRest, der von ihnen bleibt.
Und es istwahr. Ich habe den Teint meiner Großmutter
(blass)und das Haar meiner Mutter (mausbraun). Trotzdem
kann ichsie für das, was geschehen ist, nicht verantwortlich
machen.Und auch niemanden sonst. Höchstens
michselbst. Ich, Rebecca Monroe, übernehme für das
meiste,was geschehen ist, die volle Verantwortung. Und den
Rest?Schiebe ich auf den Zufall. Schlechtes Timing. Pech.
Okay,diese Theorie ist nicht gerade der letzte Schrei, aber
da es hierschließlich um die Siebzigerjahre geht, ist es wahrscheinlich
sowiesobesser, die Mode aus dem Spiel zu lassen. (...)
©Blanvalet Verlag
Übersetzung:Regina Rawlinson
- Autor: Carole Cadwalladr
- 2005, 1, 507 Seiten, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Rawlinson, Regina
- Verlag: MANHATTAN
- ISBN-10: 3442546141
- ISBN-13: 9783442546145
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