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  • 5 Sterne

    8 von 14 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Kristall, 24.03.2021

    Als Buch bewertet

    !ein Lesehighlight 2021!

    Klappentext:
    „Eigentlich sollte der junge Franzisk Cello üben fürs Konservatorium, doch lieber genießt er das Leben in Minsk. Auf dem Weg zu einem Rockkonzert verunfallt er schwer und fällt ins Koma. Alle, seine Eltern, seine Freundin, die Ärzte, geben ihn auf. Nur seine Großmutter ist überzeugt, dass er eines Tages wieder die Augen öffnen wird. Und nach einem Jahrzehnt geschieht das auch. Aber Zisk erwacht in einem Land, das in der Zeit eingefroren scheint.“

    Autor Sasha Filipenko hat mich bereits mit „Rote Kreuze“ komplett verzaubert, aber dieser Roman hier übertrifft nochmal alles. Die Geschichte um seinen Protagonisten Franzsik, genannt Zisk, lässt einen völlig fallen und abtauchen, was aber eben nur durch den extrem ausdrucksstarken und wortgewaltigen Schreib- und Sprachstil Filipenkos geschuldet bzw. möglich ist. Zisk‘ Unfall war nicht nur tragisch, es war einfach heftig und sinnlos, wie das umknicken bei Laufen oder dem Regenschirm der bei Regen kaputt geht...und dann das Koma. Man leidet mit als Leser, aber eben nicht wie man es bei einem normalen Belletristik-Roman macht, sondern eben auf einem höheren Level. Allein die Melodie der Wörter die Filipenko verwendet, machen da so viel aus. Und dann endlich der Punkt des Aufwachens, des Lebens....und doch steht die Zeit still....Filipenko gibt hier so viele Assoziationen vor, die nach dem beenden des Buches ganz stark nachhallen. Die aktuelle politische Lage, die Lage der Menschen in Minsk...alles scheint ein politischer Spiegel zu sein, der aber eben beschlagen ist, droht blind zu werden, aber man erkennt noch genau was Filipenko uns sagen will und eines ist dabei ganz klar: er nimmt kein Blatt vor den Mund was seine politische Einstellung betrifft. Wollen wir hoffen, dass das Recht auf Meinungsfreiheit diesen wunderbaren Autor niemals Mundtot macht, denn der Literaturwelt würde etwas ganz großes dadurch fehlen!
    Dieses Buch ist, mal wieder, ein Meisterwerk aus Filipenkos Feder - 5 von 5 Sterne!

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Xirxe, 25.04.2021 bei bewertet

    Als Buch bewertet

    Im Belarus des Jahres 1999 gerät der 16jährige Franzisk in eine Massenpanik und fällt danach ins Koma. Zehn Jahre vergehen, in denen lediglich seine Großmutter fest daran glaubt, dass er wieder aufwachen wird und ihn gegen alle Widerstände am Leben hält. Und tatsächlich, kurz nach ihrem Tod erwacht Franzisk, nunmehr 26 Jahre alt, in einem Land, in dem Alles so ist wie zuvor, nur ein bisschen schlimmer.

    Obwohl der Klappentext suggeriert, dass sich der Großteil der Geschichte mit dem Wiederzurechtfinden des Protagonisten in seinem Land beschäftigt, handelt gerade einmal knapp die Hälfte davon. Das erste Fünftel der rund 300 Seiten beschreibt das Leben des 16jährigen, um den sich seine geliebte Großmutter kümmert, die ihm auch auf den folgenden 100 Seiten während seines Komas zur Seite steht.

    Während zu Beginn des Buches in Belarus noch ein wenig Aufbruchstimmung zu verspüren war, vermutlich durch die erst wenige Jahre zurückliegende Eigenständigkeit, wirkt das Land nach dem Aufwachen Franzisks wie gelähmt. Die ständig zunehmende Unterdrückung hat die Menschen zermürbt und resignieren lassen; Franzisk hingegen beginnt sein neues Leben mit dem jugendlichen Elan von damals und nimmt die gesellschaftlichen Verhältnisse fast wie ein Außenstehender war.

    Sasha Filipenko zeigt in dieser Geschichte auf spöttisch-ironische Weise, wie es sich in einem autoritären Staat lebt. Die Einen suchen Trost im Konsum, den sie sich mit allen erdenklichen Mitteln ohne Rücksicht auf Moral und Gesetz ermöglichen; die Anderen sind vom ständigen Widerstand und Kampf ermüdet und ausgezehrt und flüchten in die innere oder äußere Emigration oder schlimmstenfalls in den Tod. Gehorchen ohne eigenständiges Denken ist erste Pflicht und führt zu grotesken Situationen, in denen beispielsweise Fasttoten die Fingerabdrücke abgenommen werden um festzustellen, ob sie Terroristen sind.

    Es ist ein wichtiges Buch, das Manchen übertrieben scheinen mag, aber von der Realität mit Sicherheit nicht allzu weit entfernt, teilweise sogar eher untertrieben ist. Dass es sprachlich nicht ganz an das im Deutschen zuerst erschienene Buch des Autors „Rote Kreuze“ heranreicht, mag daran liegen, dass es sich um sein Debüt handelt. Dennoch: Es lohnt sich, es zu lesen.

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  • 4 Sterne

    5 von 5 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    claudi-1963, 28.04.2021

    Als Buch bewertet

    "Du weißt ja, in welchem Land du lebst. Hier sind schon die nichts wert, die gesund sind und am Leben sind, von Menschen im Koma ganz zu schweigen." (Buchauszug)
    Franzisk (Zisk) steht kurz vor dem Ende seines Studiums. Er liebt das Leben übt jedoch gerne auch Kritik an der Politik seiner Heimat. Doch eigentlich sollte er eher Cello üben, um nachher eine gute Anstellung zu bekommen. Eines Abends wartet er bei der U-Bahn auf Freundin Nastja mit der er zu einem Rockkonzert möchte. Doch an diesem Abend geschieht das Unglück, bei dem Zisk schwer verletzt und ins Koma fällt. Jedoch, selbst wenn ihn die Ärzte, Mutter, Freunde und Nastja aufgeben, seine Großmutter ist sich sicher, das Zisk wieder aufwachen wird. Allerdings werden zehn lange Jahre ins Land ziehen, ehe er wieder seine Augen öffnet. Bis zu dieser Zeit versucht seine Großmutter alles Menschenmögliche für ihn. Dass sich in der Zeit allerdings vieles in Minsk verändert hat, merkt er erst später. Zisk muss nun seinen Platz in der Gesellschaft neu wiederfinden.

    Meine Meinung:
    Sasha Filipenko zeigt in seinem zweiten Roman anhand des Schicksals von Franzisk das Leben und die politische Lage in Weißrussland (Belarus) auf. Viele Jahre lang wurde dieses Land von der Sowjetunion beherrscht, um danach erneut in einer Diktatur zu enden. Der Autor beschreibt es sogar so: "Sein Heimatland hat viele Jahre in einem lethargischen Schlaf gesteckt, ehe es 2020 endlich aufgewacht ist." Dabei hat ihnen nicht nur die diktatorische russische Politik im Laufe dieser Zeit geschadet, sondern ebenso die der nachfolgende Weißrusslands. Ihre Diktatur ändert sich nämlich 1991 nicht mit der Selbstständigkeit. Gerade diese Politik wird hier in dem Buch recht deutlich aufgezeigt und das allen Kritikern zum Trotz. Dass die alte Diktatur Lukaschenko mit der jetzigen Generation nicht mehr zurechtkommt, kann ich gut verstehen. Das jedoch viele Seiten seines Buchs, das er 2014 geschrieben hat, später Wirklichkeit werden, damit hatte selbst Filipenko nicht gerechnet. Der tragische Unfall bzw. die Massenpanik in der U-Bahnstation, bei der Franzisk im Koma landet, gab es wirklich. 1999 kam es nämlich nachdem Ende eines Rockkonzerts in Minsk wirklich zu einer Massenpanik. Insgesamt wurden dabei 54 Menschen getötet, darunter vor allem viele junge Frauen unter 17 Jahren. Filipenko nimmt selbst hier kein Blatt vor den Mund. Er schildert dieses Ereignis wirklich so dramatisch und realistisch, sodass ich dachte, ich bin mittendrin in dem Geschehen. Und er klagt sogar die Verantwortlichen an. Was die politische Lage Weißrusslands anbelangt, war ich teils etwas überfordert, da ich zu wenig über dieses Land wusste. Doch dank dieses Buchs verstehe ich nun deutlich mehr über die Zusammenhänge und die Diktatur Weißrusslands. Mir scheint, dass sich in diesem Land auch nach der Selbstständigkeit politisch nicht viel geändert hat. Zisk spürt wie die Frustration und Resignation in seinem Land zugenommen haben. 2020 kommt es dann jedoch zu Protesten und Streiks, bei denen es zu über 6700 Verhaftungen gab und die ebenfalls hier sehr detailliert beschrieben werden. Weißrussland gilt weiterhin nach Russland als das Land, in dem man die sowjetische Vergangenheit am deutlichsten spürt. Das Filipenko mit seinem Buch bei einigen aneckt, kann ich gut nachvollziehen. Nachdem ich es jetzt gelesen habe, begreife ich, warum er die Zustände Belarus sich hier von der Seele schreiben wollte. Sprachlich jedoch hat mich nicht alles überzeugt. Gar nicht zugesagt haben mir die harten, teils ordinären Aussprüche und die lieblose Mutter, die von ihrem Sohn gar nichts wissen wollte. Unrealistisch empfand ich, dass die Ärzte einen selbstständig atmenden Patienten am liebsten aufgegeben hätten. Wäre da nicht eine so tolle Großmutter gewesen, die täglich für ihren Enkel kämpft, hätte Zisk das nicht überlebt. Fragwürdig finde ich außerdem, das Zisk nach seinem Erwachen aus dem Koma innerhalb 6 Monaten alles wieder erlernt hat. Deshalb gebe ich diesem Buch 4 von 5 Sterne.

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  • 5 Sterne

    7 von 14 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    https://lieslos.blog/, 03.04.2021

    Als Buch bewertet

    Gleich vorneweg: „Der ehemalige Sohn“ ist ein Meisterwerk aus der Feder des 1984 in Minsk geborenen Autors Sasha Filipenko, dessen ausdrucksstarker und wortgewaltiger Schreib- und Sprachstil mich überzeugt hat.

    Wir schreiben das Jahr 1999, reisen nach Minsk und lernen den 16-jährigen Franzisk Lukitsch kennen, der überwiegend bei seiner Großmutter, Elvira Alexandrowna lebt.
    Als er sich auf dem Weg zu einem Rockkonzert befindet, passiert ein erschütterndes Unglück:
    Zisk wird von einer Menschenmasse niedergetrampelt, als er, wie unzählige Andere wegen eines Unwetters Schutz in einer U-Bahn-Station sucht.
    Sie ist dem Ansturm an Menschen nicht gewachsen, es wird viel zu eng, Panik bricht aus.
    Es gibt Tote und Verletzte.
    Zisk muss ins Krankenhaus.
    Zisk liegt im Koma.
    Jahrelang.

    Aber Babuschka, seine Großmutter, gibt ihn nicht auf. Sie hält hartnäckig und beharrlich daran fest, dass Zisk wieder ins Leben findet. Sie ist überzeugt: das Wunder wird geschehen!

    Sie besucht ihren Enkel täglich, erzählt ihm Anekdoten aus der eigenen oder gemeinsamen Vergangenheit, sie berichtet ihm von Ereignissen und von den Übeln im gegenwärtigen Belarus.
    Und nach 10 langen Jahren passiert das Unfassbare: Zisk erwacht aus dem Koma, obwohl niemand außer der Großmutter, weder Eltern, Freundin, Freunde noch Ärzte daran geglaubt oder damit gerechnet haben.
    Die Welt um ihn herum stellt sich dar, als wäre sie stehen geblieben und gleichzeitig ist es eine völlig veränderte Welt, in der Zisk sich erst einmal zurechtfinden muss.

    Sasha Filipenko verbindet das Kleine mit dem Großen, das Private mit dem Politischen.
    Er schreibt dermaßen feinfühlig, anschaulich und eindringlich, dass man meint, vor Ort zu sein.
    Man wird emotional mitgerissen, aber die Geschichte ist zu keinem Zeitpunkt kitschig oder schwülstig.

    Zisk zu begleiten und in seine Geschichte einzutauchen, war berührend und der politischen Hintergrundmusik, die von den Missständen in Belarus erzählt, zu lauschen, war interessant.
    Ich fand es extrem bereichernd, über die Geschichte von Zisk einen Einblick in ein mir bis dahin fremdes Land zu bekommen und etwas über die politischen und sozialen Verhältnisse in Belarus zu erfahren.

    Ich empfehle diesen gesellschaftskritischen, unterhaltsamen und interessanten Roman unbedingt. Ein Highlight!

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  • 5 Sterne

    Larischen, 13.05.2021

    Als Buch bewertet

    Belarus: Franzisk, der von Familie und Freunden Zisk genannt wird, ist Schüler am Konservatorium. Doch statt Cello zu üben, überlistet er lieber seine Oma und genießt sein Leben. Als er auf dem Weg zu einem Rockkonzert ist, passiert eine Tragödie und Zisk fällt ins Koma. Während seine Mutter und auch der Großteil seiner Freunde ihn aufgeben, ist seine Oma überzeugt, dass er wieder aufwachen wird. Sie tut alles dafür, dass er nicht aufgegeben wird und eine Art Förderung erhält. Und tatsächlich - nach zehn Jahren Koma wird Zisk wieder wach und muss sich wieder in einem Land zurecht finden, das wohl auch im (politischen) Koma lag.

    Sasha Filipenko erzählt in "Der ehemalige Sohn" vordergründig Zisks Geschichte, hintergründig geht es aber um eine Kritik am politischen System, die im Verlauf des Buches immer offensiver wird.

    Ich brauchte ein paar Seiten, um mich an Filipenkos Schreibstil zu gewöhnen. Ungewöhnlich fand ich auch, dass er im Prinzip in einem Rutsch durchgezählt und seinen Leserinnen und Lesern keine Atempause lässt. So etwas wie einzelne Kapitel gibt es bei ihm nicht. Das zieht einen fast wie in einen Sog. Nach der Gewöhnungsphase war ich dann aber sehr schnell voll in der Geschichte drin und konnte das Buch kaum aus der Hand legen.

    Meine absolute Lieblingsfigur war die resolute Oma, die sich mit allem was sie hat für ihren Enkel einsetzt. Sie erinnerte mich stark an Baba Dunja von Alina Bronsky.
    Insgesamt hat der Autor meiner Ansicht nach ein sehr gutes Händchen dafür, Charaktere zu zeichnen, denn auch wenn man von vielen nur sehr wenig erfährt, wirken sie sehr realistisch und man bekommt die Möglichkeit, sich trotzdem ein eigenes Bild zu den Figuren zu machen.

    Beeindruckt hat mich der unterschwellige Humor, der trotz all der Schwere immer wieder durchkommt und mich mehrfach an den Ausspruch "Humor ist, wenn man trotzdem lacht" hat denken lassen. Außerdem hat Filipenko es mit seinem Roman geschafft, mir die politische Situation in Belarus wieder ins Gedächtnis zu holen. Natürlich liest man regelmäßig in den Nachrichten davon, aber es kommt häufig nicht so nah an einen heran, weil die Nachrichten von ganz anderen Katastrophen dominiert sind. Mit seinem Roman schafft Filipenko es, die Situation im Land für seine Leserinnen und Leser erfahrbar zu machen.

    Zum Schluss möchte ich noch mal die Übersetzerin loben. Man hat den Eindruck, dass sie sehr behutsam und mit viel Sachverstand an den Text gegangen ist. Am Ende des Romans gibt es auch noch mal Anmerkungen der Übersetzerin, die eine Einordnung des Romans erleichtern. Ich fand es am Ende gut aufgehoben, aber hier kann man auch reinlesen, wenn man sich während des Lesens verloren fühlen sollte.


    "Der ehemalige Sohn" von Sasha Filipenko ist bisher eines meiner Jahreshighlights. In diesem kleinen Büchlein werden Freundschaft, Liebe, Familie, Gesellschaft und die politische Lage so gekonnt miteinander verbunden, sodass man bei jedem Hinsehen etwas neues entdecken kann. Ein Buch, das man definitiv mehrfach lesen kann und wohl immer wieder neues entdeckt.

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  • 5 Sterne

    gst, 24.03.2021

    Als Buch bewertet

    Abstecher nach Weißrussland

    Franzisk lebt bei seiner Großmutter Elvira, die nur das Beste für ihn will. Als ganz normaler Jugendlicher ist ihm das Fußballspiel mit Freunden wichtiger als das ständige Üben für die Schule. Eines Tages verabredet er sich für ein Konzert, bei dem ein Gewitterregen eine Massenpanik auslöst. 54 Tote sind zu beklagen, Franzisk hat Glück gehabt und ist „nur“ ins Koma gefallen.


    Sasha Filipenko, geboren 1984 in Minsk, ist ein weißrussischer Schriftsteller, der auf Russisch schreibt. Nach einer abgebrochenen klassischen Musikausbildung studierte er Literatur in St. Petersburg und arbeitete als Journalist, Drehbuchautor, Gag-Schreiber für eine Satire-Show und Fernsehmoderator. ›Der ehemalige Sohn‹ ist nach ›Rote Kreuze‹ sein zweiter Roman, der auf Deutsch erscheint. Sasha Filipenko ist leidenschaftlicher Fußballfan und lebt in St. Petersburg.


    Sein Roman beginnt ruhig und macht uns mit 16jährigen Jungs bekannt. Erst nach dem Unglück entwickelte der Roman für mich einen regelrechten Sog. Während die Ärzte am liebsten die lebenserhaltenden Maßnahmen abbrechen würden, kämpft die Großmutter, die sonst niemanden hat, um Zisks Weiterleben. Sie ist überzeugt, dass er wieder aufwachen wird. Unterstützt von seinem Freund Stassik erklärt sie dem Enkel jeden Tag die Welt, so dass auch wir Leser einen Überblick erhalten.

    Nach zehn Jahren erfüllt sich die Weissagung der Großmutter und Zisk wacht wieder auf. Dass er relativ schnell wieder wie ein Gesunder am Leben teilhat, ist vielleicht ein Kritikpunkt, aber nur so ist es möglich, die Spannung weiter aufrecht zu erhalten. Fast ausschließlich von Egoisten umgeben, ist es nicht so einfach für ihn, sich in der Realität wieder zurechtzufinden.

    Nun ändert sich die Erzählweise des Autors. Sind mir schon vorher Spitzen aufgefallen wie:

    „In der Stadt der mittelmäßigen Architekten regnete es. Die Dächer und Kirchturmspitzen wurden nass. Es änderten sich die politischen,ökologischen und futtertechnischen Bedingungen. Die Vögel flogen fort. Ohne Visum und Stempel im Pass. Alle aufs Mal, nach vorheriger Absprache“

    erfuhr ich nun, wie sich die Ärzte über die Zweisprachigkeit des Kranken lustig machten:

    Sie „waren sich beim Grasrauchen im Ärztezimmer einig, dass Franzisk im Gegensatz zum Präsidenten alle Chancen habe, eines Tages wieder grammatikalisch richtig zu sprechen.“


    Der Autor, der im weiteren Kontext das Koma als Allegorie auf das Land nimmt, hat seine Kritik an den Zuständen in Weißrussland in unterhaltsame Worte gepackt. Ich hatte das Glück, diesen Roman ohne viel Vorkenntnisse in die Hand zu bekommen und konnte mich so von den Wendungen überraschen lassen. Auf jeden Fall lohnt sich diese Lektüre, die uns die Nachrichten über Weißrussland so bildhaft näher bringt.

    Schon „Rote Kreuze“, der erste ins Deutsche übersetzte Roman des Autors, hat mich beeindruckt, doch dieser hat mich nach den einführenden Seiten nicht mehr losgelassen, was sicher auch ein Verdienst der Übersetzerin ist.

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  • 5 Sterne

    Sabine W., 02.05.2021

    Als Buch bewertet

    Wenn Fortschritt Stillstand bedeutet
    Franzisk besucht das Konservatorium in Minsk. Seine Großmutter, in deren Haushalt der Sechszehnjährige lebt, legt großen Wert auf seine schulischen Leistungen und das das tägliche Cello-Spielen. Als er auf dem Weg zu einem Rockkonzert in eine Massenpanik gerät, fällt er ins Koma. Nach einiger Zeit wird er von Ärzten, Freunden und der Familie aufgegeben, nur seine Großmutter steht zu ihm, und versucht alles, um ihn aus dem Koma zu holen. Und tatsächlich erwacht Zisk nach zehn Jahren daraus. Doch hat sich während dieses Jahrzehnts etwas verändert in Weißrussland?
    Das Cover verrät sofort den Diogenes Verlag. Das Portrait eines jungen Mannes ist ungewohnt farbenfroh gehalten, verweist aber in gewisser Weise schon auf die Vielschichtigkeit des Romans. Man kann ihn als Geschichte unerschütterlicher Liebe einer Großmutter zu ihrem Enkel lesen, auch als gesellschaftskritischen Roman, oder eben als Darstellung der politischen Realität eines Landes, bzw. einer Rück- und Vorausschau auf die Zustände eines Landes.
    Der belarussische Schriftsteller schreibt seine Bücher auf Russisch. In „Der ehemalige Sohn“ verknüpft er das Leben des Protagonisten mit realen Ereignissen. Der Schreibstil legt ein atemberaubendes Tempo vor, dem man sich als Leser kaum entziehen kann. Das Buch lebt vor allem von Dialogen, die in den Gesprächen zwischen den Schülern des Konservatoriums besonders lebhaft und lebensnah sind. Sobald Zisks Besucher ihm aus ihrem Leben berichten wechselt der Schreibstil zu teils langen Monologen – Franzisk liegt im Koma, und niemand weiß, ob und wie viel er vom Gesprochenen aufnimmt.
    Der Roman behandelt den Umgang der politischen Führung mit den Bewohnern seines Landes, um die Flucht vieler Familien aus einem jungen Staat auf dem Weg zur Demokratie. Franzisk tritt hier vor allem als Vertreter seiner Generation auf, mit all den Träumen, Zweifeln und persönlichen Situationen, die Jugendliche betreffen – er konnte zehn Jahre nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Die Sicht der Personen anderer Altersgruppen erfährt man durch deren Gespräche mit dem Protagonisten.
    Die Erläuterungen der Übersetzerin am Ende des Buches sind hilfreich und interessant. Überhaupt gebührt Ruth Altendorfer ein großes Lob für die gelungene Übersetzung des Werkes, das zu Recht mit einem russischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Ich gebe zu, ich habe einige Seiten gebraucht, aber schließlich hat mich die Geschichte in seinen Bann gezogen und mich vollends überzeugt. Ein Buch, das absolut lesens- und empfehlenswert ist.

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  • 5 Sterne

    Magnolia, 19.04.2021

    Als Buch bewertet

    Der bereits 2014 auf russisch erschiene Roman „Der ehemalige Sohn“ liegt nun in deutscher Übersetzung von Ruth Altenhofer vor. Es ist vordergründig die Geschichte des Franzik Lukitsch, genannt Zisk. Der lebt in Minsk, geht hier aufs musische Lyzeum, sein Instrument ist das Cello. Er gerät in eine Massenpanik, wird so schwer verletzt, dass er ins Koma fällt. Außer seiner Großmutter glaubt keiner, dass er je wieder aufwachen wird.

    Sasha Filipenko schreibt in seinem Vorwort nicht nur über einen renommierten russischen Literaturpreis, den er für diesen Roman erhielt, er hat auch Hoffnung, dass dieses Buch eines Tages nicht mehr aktuell sein wird. Denn in Belarus, dem ehemaligen Weißrussland, ist nichts so, wie es sein sollte. Auf die Proteste 2020, bezogen auf die Scheinwahl, die Wahlmanipulationen nach der Präsidentschaftswahl, erwachten die Belarussen aus ihrem Schlaf, aus ihrem Koma.

    So wie Zisk, der trotz den Aussagen der Ärzte, die schon über Organspende spekulierten (er ist sowieso tot), nach zehn Jahren aus dem Koma erwacht. Seine über alles geliebte Oma ist kurz zuvor gestorben, sie hatte während seines langen Schlafes an seinem Krankenbett gesessen, hat ihm viel erzählt in der Hoffnung, dass sein Unterbewusstsein so einiges speichert. Nach seinem Aufwachen nimmt sich sein Freund Stass seiner an, fungiert als Fremdenführer in ihrer Stadt, die, zehn Jahre später eher schlechter denn besser dasteht.

    Der Zustand des korrupten Landes, die Gewalt gegen die Opposition, jede Kundgebung wurde im Keim erstickt, jedes Aufbegehren mit den härtesten Maßnahmen bestraft. All die unmenschlichen, ungerechten Vorgehensweisen gegen Regimekritiker und –gegner finden als Monologe am Krankenbett statt. Hier wird die Wirklichkeit gut in den Roman eingebettet.

    Ein gelungenes Zeugnis eines Landes, dessen Präsident alle Andersdenkenden zu Feinden erklärt, keinen neben sich duldet, geschweige denn hochkommen lässt. Ein Stück Zeitgeschichte. Ein ernstes, leider immer noch sehr aktuelles Thema, welches hier mit Nonchalance in Buchform gebracht wurde. Beim Lesen dachte ich auch immer – neben der Handlung und den Romanfiguren – an den Status quo des Landes, an die gut recherchierten Berichte, die ich immer wieder höre, lese, sehe.

    Ein kurzer Abriss über den Zustand von Belarus ist am Ende des Buches zu finden. Über eine Land, das wohl noch lange nicht erwachen darf. Die Wirklichkeit verpackt in eine gut lesbare Geschichte, die ich jedem an diesem Thema interessierten nur empfehlen kann.

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  • 5 Sterne

    dj79, 18.04.2021

    Als Buch bewertet

    Ausgezeichnet überzeichnete Lebenswirklichkeit
    Im letzten Jahr hatte ich mit Begeisterung „Rote Kreuze“ von Sasha Filipenko gelesen und fieberte nun der deutschen Übersetzung seines eigentlichen Debüts entgegen. Die im Klappentext angekündigte kritische Auseinandersetzung mit dem autoritären Regime in Belarus ist dabei verwoben mit dem Schicksal eines Jungen, der nach zehn Jahren aus dem Koma erwacht.

    Franzisk Lukitsch besucht in Minsk ein Lyzeum mit musischer Ausrichtung, lernt dort Cello, ist allerdings ein eher fauler, pubertärer Schüler, der immer kurz vor dem Rauswurf steht. Seine Großmutter versucht stets ihn anzutreiben und zu motivieren mit mäßigem Erfolg. Ihre ständige Angst, Franzisk könnte sich die Hände verletzen, erscheint nach der Massenpanik in der Minsker U-Bahn, in deren Folge Zisk ins Koma fällt, geradezu lächerlich. Doch ebendiese Großmutter, Elvira Alexandrowna, ist letztlich die einzige gute Seele, die sich auch im Koma weiterhin um ihn kümmert.

    Mit Hilfe von Franzisks Besucher adressiert Sasha Filipenko seine Kritik am Staat. Teilweise kommt diese in den Handlungsweisen der Figuren zum Ausdruck, teilweise lässt er die Protagonisten direkt von den Missständen berichten. So entsteht nach der Einführung in das Geschehen eine unglaublich dichte Story, die für ein Menschenleben überladen erscheint. Mich stört das hier wenig, weil das Überladene zu meinem Gesamteindruck des Romans passt. Die lakonische, sarkastisch angehauchte Sprache überzeichnet viele Situationen. Dadurch wird das Hoffnungslose und die Machtlosigkeit gegenüber dem Regime noch deutlicher.

    Man merkt aber auch, dass der vorliegende Roman das Erstlingswerk ist. Den ein oder anderen Übergang hätte ich mir etwas geschmeidiger oder besser erklärt gewünscht. Das war bei „Rote Kreuze“ aus meiner Sicht besser gelungen. Was mir hier ebenso gut gefällt, sind die passend eingestreuten Auszüge aus Gedichten. Dadurch wird eine schöne literarische Wirkung erzielt.

    Trotz leichter Abstriche im direkten Vergleich zu „Rote Kreuze“ vergebe ich Bestnoten, da auch dieser Roman für mich ein uneingeschränktes Lesevergnügen war. Mit Witz und Charme wurde ein ernstes, eigentlich unerträgliches Thema behandelt, so dass ich nun auf noch ganz viele Leser*innen dieses Romans hoffe.

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  • 5 Sterne

    Gelöschter Benutzer, 28.04.2021

    Als Buch bewertet

    Titel: Was zählt wirklich im Leben?

    Nachdem mir der Roman "Rote Kreuze" des Autors so gut gefiel, wollte ich unbedingt wissen wie sein Erstling sich liest und ob es da Unterschiede gibt. Ich kann nur sagen, dass meine Begeisterung nicht verschwunden ist.

    In der Geschichte geht es um Zisk, der unbedingt besser Cello spielen muss, damit er nicht durchfällt und von der Schule fliegt. Als dann bei einer Großveranstaltung eine Panik ausbricht, verletzt er sich so schwer, dass er ins Koma fällt. Wer hält noch zu ihm? Gibt man ihn auf? Lohnt es sich zu kämpfen?

    Mir war vor der Lektüre nicht bewusst, dass mir auch politisch angehauchte Geschichten zusagen könnten.

    Besonders gefallen hat mir, dass Filipenko sich Zeit nimmt für seine Figuren, denn sie sind nicht einfach nur Protagonisten, sondern stehen für eine bestimmte Gruppe in Belarus, seinem Heimatland. Da gibt es Regimegegner, Mit-dem-Strom-Schwimmer, aber auch herzliche Menschen, die zusammen ein eindrückliches Bild der dortigen Gesellschaft abliefern. Auch wenn man als Leser nicht tief in die Figuren eindringen kann, weil der Fokus mehr auf ihrer Rolle liegt als auf ihrer Persönlichkeit, so konnte ich mich doch mit dem ein oder anderen identifizieren und Verständnis aufbringen.

    Über Belarus wusste ich bisher recht wenig, konnte mir durch den Roman aber ein klareres Bild verschaffen.

    Sehr eindrücklich fand ich auch die Zeit im Krankenhaus als kaum jemand richtig Hoffnung auf Besserung hat und die Aufgabe die einzige Lösung zu sein scheint.

    Sprachlich ist dieses Buch eine Wucht, denn der Autor schafft unglaublich tolle Metaphern, die die Fantasie Blüten treiben lässt.

    Hilfreich für das Verständnis waren im Übrigen die Anmerkungen der Übersetzerin zum Schluss. Da kann man auch während des Lesens schon mal rein schauen.

    Fazit: Eine berührende Geschichte mit viel Tiefgang, die nicht nur unterhält, sondern auch bildet. Ich habe sie sehr gern gelesen und spreche daher eine Empfehlung aus. Klasse!

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  • 4 Sterne

    Miss.mesmerized, 24.03.2021

    Als Buch bewertet

    Eines dieser Unglücke, von denen sich jeder später fragt, wie sie geschehen konnte. Wegen eines Unwetters strömen Menschenmassen in die U-Bahn, die dem Ansturm nicht gewachsen ist, Panik und Enge führen zu unzähligen Opfern. Unter ihnen auch der Schüler des Konservatoriums Franzisk, der zwar überlebt, aber in ein Koma fällt. Nach Wochen des Bangens verlieren nach und nach alle die Hoffnung, außer seiner Babuschka, die weiterhin täglich an seinem Bett sitzt und ihm davon erzählt, was sich außerhalb der Krankenhausmauern zuträgt. Das Wunder, an das keiner mehr glauben mag, ereignet sich nach zehn langen Jahren doch noch: Franzisk erwacht und sieht eine Welt, die einerseits genauso ist wie ein Jahrzehnt zuvor und doch ganz anders.

    Sasha Filipenko ist eine der jungen Stimmen aus Belarus, die über die Landesgrenzen hinaus gehört werden und einen Blick hinter die Fassade des Regimes erlauben. „Der ehemalige Sohn“ ist sein erster Roman, der in seiner Heimat auch mit renommierten Preisen ausgezeichnet wurde, auf Deutsch ist im vergangenen Jahr bereits „Rote Kreuze“ erschienen. Als Journalist macht er Missstände öffentlich und engagiert sich für die Protestbewegung, dieses politische Engagement spielt auch in seinem Debütroman eine entscheidende Rolle.

    Der erste Teil des Romans lässt den Leser in die gesellschaftlichen Strukturen des recht abgeschotteten Landes am östlichen Rand Europas blicken. Auf den Staat hofft niemand, die Familie und Beziehungen sind es, die darüber bestimmen, welche Chancen und Möglichkeiten man hat. Die öffentliche Hand ist von Korruption unterwandert und ein falsches Wort kann zu drakonischen Strafen führen, was im kollektiven Rückzug ins Private resultiert. Während Franzisk im Koma liegt, sorgt dich die Großmutter aufopfernd um ihn und lässt nichts unversucht, während seine Mutter mit dem Arzt anbändelt, um sich selbst ein besseres Leben zu ermöglichen.

    „Ich will einfach sehen, dass außer mir auch andere Leute hinausgehen, die genauso nicht an diese Farce glauben, und spüren, dass ich nicht die einzige Geisel in diesem Narrenhaus bin.“

    Franzisks Welt ist eingefroren im Jahr 1999, dies erlaubt ihm den Blick eines Fremden, als er seine Heimat 2009 neu kennenlernt. Trotz formeller Unabhängigkeit hängt das Land noch immer am Tropf des großen Bruders, der über ausreichend Druckmittel verfügt, Belarus gefügig zu machen. Der vorgeblich demokratisch gewählte Präsident ist ein Autokrat wie er im Buche steht und der keine Scheu zeigt, gegen sein Volk alle verfügbare Gewalt anzuwenden, um dieses in Schach zu halten. Die staatliche Propaganda glaubt schon lange niemand mehr und wer kann, der flieht ins Ausland. Der Protagonist muss sich schon fragen, weshalb er in dieses Leben zurückgekehrt ist.

    Auch in diesem Roman gelingt Filipenko das Private mit dem Politischen zu verbinden und über die Erzählung hinaus nachzuwirken. Die Musik spielt ebenfalls wieder eine wichtige Rolle und dient letztlich als Flucht vor einer kaum ertragbaren Realität. Nicht ganz so ausdrucksstark wie sein späterer Roman „Rote Kreuze“ lässt aber auch dieser schon erkennen, dass man es mit einem beachtenswerten Autor zu tun hat, der unbedingt gehört werden sollte, da er Literatur nicht nur als Unterhaltungsmedium, sondern auch als Sprachrohr nutzt und damit auch an seine Leser eine Aufforderung über den Genuss der Geschichte hinaus sendet.

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  • 4 Sterne

    Peggy S., 04.05.2021

    Als Buch bewertet

    Der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund
    Zisk ein Jugendlicher, der bei seiner Großmutter lebt und an einer renommierten Kunstschule Musik studiert, wird bei einer Massenpanik so schwer verletzt, dass er 10 Jahre im Koma liegt. In dieser Zeit sind einzig seine Baba und sein Freund Stass an seiner Seite. Seine Mutter hat sich fast komplett von ihm entfremdet, nicht zu letzt wegen eines Arztes, der nicht daran glaubt das Zisk je wieder aufwacht. Zu allem Übel heiratet sie eben jenem Arzt, der die Baba dazu zwingt in eine Miniwohnung zu ziehen und sie aufs übelste beleidigt. Erst nach dem Tod seiner Baba wacht Zisk auf und sieht sich einem totalitären Regime ausgesetzt, in dem Menschen verschwinden, ermordet und weggesperrt werden. Nachdem er die Willkür bei einer Massendemo hautnah sieht, fasst er einen Entschluss.

    Der Autor findet sehr klare Worte und prangert in seinem Roman das rigorose Vorgehen der Politik und die massive Einschränkung der Meinungsfreiheit und Bürgerrechte. Bereits nach den ersten Seiten wird dem Leser klar warum das Buch in Belarus nur unter dem Ladentisch zu haben ist.

    Der Autor schafft es mit der Handlung, den Leser die gesellschaftlichen Umstände in Belarus anhand der Geschichte über Zisk und seiner Familie näher zu bringen. Vor allem wie sehr sich die Baba um Zisk bemüht und kümmert und für ihn die Mutterrolle übernimmt, die seine leibliche Mutter nie übernehmen wollte. Besonders dramatisch wird während des Komas, wo die Ärzte ihm am liebsten „einschläfern“ wollten und die Bab wirklich alle ihre Kräfte aufbietet und das die ganzen 10 Jahre, um ihren Enkelsohn zu beschützen. Wirklich schlimm ist dann ein Arzt, der dann auch noch ihr Schwiegersohn wird und sie wirklich aufs übelste beschimpft und moppt. Er quartiert sie in eine Miniwohnung ein. Doch all das erträgt sie für Zisk. Besonders die Szene der Massenpanik, durch die Zisk ja erst ins Koma gefallen ist, schildert der Autor so plastisch, das es einen eiskalt den Rücken runter läuft. Aber das richtig harte Leben beginnt für Zisk erst nach dem Koma, in der Zeit wo er ganz allein zurecht kommen muss, auch wenn seine Baba ihn vorsorglich eine ziemlich gute Brücke gebaut hat. Insgesamt kam mir beim Leser dieses Romans unwillkürlich, die Geschichte über das Leben in der ehemaligen DDR in den Sinn und auch der Gedanke, dass sich staatliche Willkür und Diktatur noch immer auf dieser Erde halten.

    Baba, die eine wirklich starke Frau ist und für ihren Enkelsohn Zisk kämpft, wie eine Löwin habe ich wirklich ins Herz geschlossen. Vor allem ihre Weitsicht war beeindruckend. Und Zisk wie er sich ins Leben zurückgekämpft hat und dann aufgewacht ist und das ganze Unrecht nicht mehr ertragen konnte. Und Himmel dieser arrogante egoistische Arzt, der so unsympathisch ist eine Figur, die ich regelrecht gehasst habe. Es war wirklich beeindruckend zu sehen, wie schnell Zisk gezwungen wurde erwachsen zu werden und wie sehr er auf sich alleingestellt war ohne jegliche familiäre Schutzzone.

    Fazit: Ein wirklich fesselnder und interessanter Roman, der sehr direkt Probleme anspricht und diese aufzeigt. Einige Figuren wachsen einen unglaublich ans Herz andere könnte man am liebsten aus dem Roman rausschmeißen. Besonders die Anmerkungen der Übersetzerin sind sehr hilfreich. Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung.

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  • 4 Sterne

    Dajobama, 24.03.2021

    Als Buch bewertet

    Der ehemalige Sohn – Sasha Filipenko
    Franzisk verunglückt beim Besuch eines Rockkonzerts in Minsk schwer und fällt ins Koma. Die Aussichten, wieder aufzuwachen sind schlecht, beinahe alle in seinem Umfeld haben ihn längst aufgegeben. Doch schließlich geschieht das Wunder – Franzisk erwacht 2009, nach zehn Jahren im Koma. Er erholt sich schnell und vollständig, ein weiteres Wunder. Dennoch ist er fassungslos. Dieses Minsk, in dem er sich nun zurechtfinden soll, hat sich zur letzten Diktatur Europas entwickelt. Machthaber Lukaschenko regiert mit eiserner Hand, das Land liegt am Boden.
    Sasha Filipenko wurde in Minsk geboren, lebt heute allerdings in St. Petersburg. Er prangert ganz offen die Missstände in Weißrussland an. Auch wenn er Lukaschenko nie beim Namen nennt, ist sofort klar, wen er meint. Etliche historische Begebenheiten hat er in diesem Roman verarbeitet. Damit hat er es geschafft, mich zur weiteren Recherche anzuregen. Es war mir nicht bewusst, wie lange Lukaschenko tatsächlich sein Volk bereits systematisch unterdrückt, wie aussichtslos sämtliche Versuche der Opposition ihn abzulösen, sind. Auch die Tatsache, dass es bereits 2010 Proteste und Demonstrationen gab, die brutal niedergeschlagen wurden, war mir nicht bekannt.
    Franzisk wird schwer verletzt in ein weißrussisches Klinikum eingeliefert. Erst ist unklar, ob er überleben wird, schließlich liegt er im Koma. Sämtliche Ärzte geben ihm keinerlei Chance wieder aufzuwachen. Dass er dies nach langen zehn Jahren tut und dann noch ohne bleibende Schäden ist eigentlich unmöglich. Tatsächlich war das ein Punkt, den ich kritisch sehe und der dem Roman unter anderem einen Stern meiner Bewertung gekostet hat. Aber gut. Im Prinzip ist in all der langen Zeit nur eine Person ständig an Franzisks Seite. Und zwar seine Großmutter. Diese zieht ganz und gar zu ihm ins Krankenzimmer, kümmert sich um alles, ist die gute Seele. Eine sehr resolute Frau, die all die negativen Prognosen einfach nicht akzeptieren kann und will.
    Sobald Franzisk ins Leben zurückgekehrt ist, erhält der Autor die einmalige Chance, die Missstände eines Regimes von Grund auf zu erklären. Franzisk ist schließlich weitgehend ahnungslos und muss sich in der neuen Wirklichkeit erst zurechtfinden. Er fühlt sich wie „eine Geisel in diesem Irrenhaus.“
    Grundsätzlich mochte ich Filipenkos Schreibstil sehr gerne und ich bewundere seinen Mut, über all diese Dinge zu schreiben. Er hat eine sehr direkte, unverblümte Erzählstimme, die gut zum jugendlichen Protagonisten passt. Es gab viele Stellen, die mich sehr berühren konnten. Ab und an fand ich allerdings die Entwicklungen etwas unglaubwürdig. Das Problem hatte ich ganz ähnlich übrigens bereits bei „Rote Kreuze“. Hier kam ich etwas besser damit zurecht, ich fand hier auch die Handlung nicht ganz so hoffnungslos.
    Auf jeden Fall ein sehr beeindruckendes Buch, das mich stellenweise sehr berührt hat und mich zur Recherche über die Geschichte Weißrusslands angeregt hat. Gerade dieser starke Bezug zu realen Ereignissen und die Tatsache, dass ebendieser autoritäre Machthaber nach wie vor Angst und Schrecken verbreitet, haben mich sehr erschreckt und fasziniert. Von daher, ein Roman, der dem Leser ein Stück Zeitgeschichte näherbringt.
    4 Sterne

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  • 5 Sterne

    brauneye29, 24.03.2021

    Als eBook bewertet

    Zum Inhalt:

    Statt fleißig Cello zu üben, genießt Franzisk lieber das Leben. Auf dem Weg zu einem Konzert wird er bei einem Unfall schwer verletzt und fällt ins Koma. Keiner glaubt daran, dass er je wieder gesund werden wird. Weder Eltern, Freundin oder Ärzte, nur seine Oma ist sicher, dass er wieder aufwacht. Nach 10 Jahren und nur einen Tag nach dem Tod der Großmutter passiert es wirklich. Doch die Welt ist eine andere, wie wird er damit klar kommen?

    Meine Meinung:

    Was für ein unglaubliches Buch. Dieser Autor schafft es wieder einmal ein sehr besonderes Buch zu schreiben. Mir hat die Geschichte richtig gut gefallen. Die Großmutter, die hartnäckig daran fest hält, dass der Enkel wieder aufwacht. Der Enkel, der aufwacht und eine völlig veränderte Welt vorfindet und erst mal klar kommen muss. Fast nebenher legt der Autor den Finger in die ein oder andere Wunde und auch ohne konkrete Nennung, ahnt man worauf er abzielt. Der Schreibstil ist sehr gut. Ganz klare Leseempfehlung. Fazit:

    Einfach toll

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  • 5 Sterne

    begine, 24.03.2021 bei bewertet

    Als Buch bewertet

    10 Jahre im Koma

    Der belarussische Schriftsteller Sasha Filipenko konnte mich schon mit dem Roman Rote Kreuze begeistern.
    Der neue Roman „Der ehemalige Sohn“ ist auch ein gelungenes Werk.

    Der Autor zeigt uns in der Geschichte viel von der politischen Lage seiner Heimat und wie wenig sich verändert.

    Franzisk lebt in Minsk und fällt 1999 ins Koma. Seine Großmutter kämt um sein Leben, damit die Ärzte ihn nicht sterben lassen. Sie ist überzeugt, das er wieder aufwacht. Nach über 10 Jahren geschieht das Wunder. Nach seiner Genesung wühlt ihn die Lage auf.

    Es ist erstaunlich wie wenig sich in den Jahren verändert hat. Und dann denkt man an die heutige Zeit, da hat sich immer noch nichts geändert. Das Land lieft auch im Koma.

    Der Roman konnte mich fesseln. Er ist es wert, von vielen gelesen zu werden.

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  • 4 Sterne

    Johann B., 07.04.2021

    Als eBook bewertet

    Franzisk lebt mit seiner Großmutter in Minsk. Die ist streng und möchte, dass ihr Enkel täglich sein Cello zur Hand nimmt und übt. Dem gefällt das nicht. Er ist lieber mit seinen Freunden zusammen. Bis er eines Tages zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Er gerät in eine Massenpanik und wird so schwer verletzt, dass er ins Koma fällt. Sämtliche Ärzte sehen ihn tot und auch die Mutter gibt ihm keine Chance mehr. Nur die Großmutter glaubt an ein Wunder und tut alles, um ihren Enkel ins Leben zurückzuholen. Und das über 10 Jahre lang. Dank ihrer Geduld wacht Franzisk auf und staunt nicht schlecht….

    „Der ehemalige Sohn“ ist kein Buch, dass ich „mal eben so“ lesen konnte. Es wühlt auf und zeigt, wie arrogant doch Ärzte sein können. Und das keineswegs nur im Roman. Den Spruch : „Was redest du denn mit ihr/ihm? Die merken doch eh nichts“, hörte ich selbst sehr oft. Dass es doch immer mal wieder diese Wunder gibt, ist Fakt und der Mensch kommt an die Grenze des Verstehens. Wie gut, dass es immer wieder Menschen wie hier die Großmutter gibt, deren Geduld keine Grenzen kennt.

    Die Situation in Belarus spielt in dem Roman ebenfalls eine Rolle. Die Furcht der Menschen und das harte Durchgreifen der Handlanger des Staatsoberhauptes zeugen davon. Es ist nur logisch, dass dieses Buch in Belarus viele begeisterte Leser fand. Die Übersetzerin Ruth Altenhofer klärt im Anhang darüber auf, welche tatsächlichen Ereignisse im Buch vorkommen. Sie erläutert auch, wie die Flaggen des Landes anzusehen sind welche Sprachen hier eine wichtige Rolle spielen. Auch gibt es einen Nachweis über die hier geschriebenen Zitate. Sie zu erwähnen ist mir ein Bedürfnis, da sie sehr gute Arbeit leistete und sich mit dem Übersetzen mehr Mühe gab als einige ihrer Kollegen.

    Das tolle Cover ist ein Gemälde von Anne-Sophie Tschiegg und passt nicht nur perfekt zum Buch. Es ist ein typisches Zeichen für Bücher aus dem Hause Diogenes. Nämlich einzigartig und ausdrucksstark. Wer also ein wenig mehr Alltägliches über das Leben in Minsk und Umgebung lesen möchte, dem lege ich dieses Werk ans Herz.

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  • 4 Sterne

    Kaffeeelse, 17.05.2021

    Als Buch bewertet

    Auch von diesem Buch war ich etwas enttäuscht. Sasha Filipenko konnte mich mit "Rote Kreuze" doch richtig anzünden und irgendwie erwartete ich hier ähnliches. Doch "Der ehemalige Sohn" ist völlig anders geschrieben als "Rote Kreuze". Der Autor kritisiert hier völlig treffend, aber auch provokant und überaus satirisch die Lebensverhältnisse in Belorussland. Ein Buch, welches den Machthabern in diesem Land sicher nicht gefallen wird. Und den Autor damit auch zur Zielscheibe macht. Dieses Geschehen zu brandmarken und ebenso auch sichtbar zu machen ist wichtig und richtig und absolut mutig. Dafür andere Arten des Schreibens zu wählen ist auch vollkommen nachvollziehbar. Gefällt mir halt nur nicht. Denn dieses Überzogene und Satirische erzeugt bei mir zwar eine gewisse Betroffenheit, erreicht mich aber nicht vollkommen und das erhoffe ich mir von der Lektüre eines Buches einfach. Ich möchte berührt werden! Und das schafft Sasha Filipenko hier nicht. Was sicher auch gewollt war in der Gestaltung des Buches. Denn der Autor rechnet hier ab. Völlig nachvollziehbar für einen Belorussen und/oder einen belorussischen Autor.

    Zum Inhalt: der junge Franzisk fällt in ein Koma, ein Jahrzehnt lang. Dann erwacht er und findet eine vollkommen veränderte Heimat vor. Eine in eine Diktatur verwandelte Heimat. Ja, in zehn Jahren kann viel passieren!?!? Aber auch so steckt in dem Text viel Kritik. Viel Kritik an den Lebensverhältnissen in Belorussland und ebenso eine Gesellschaftskritik, die nicht immer mit den Veränderungen zu tun hat, die eine Diktatur so mit sich bringt, sondern auch die Menschen in ihrer Natur betrifft. Auch mit so etwas kann man sich Feinde machen, viele Feinde. Und auch hier kann man nur den imaginären Hut vor Sasha Filipenko ziehen und einen tosenden Applaus spenden.

    Nur eben richtig berührt bin ich leider nicht. Und genau dies wünsche ich mir von meinem Lieblingsmedium literarisches Buch! Schade!!! Ein richtig gutes Buch! Aber durch die Satire leider auch etwas hölzern geraten!

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  • 2 Sterne

    Annett W., 13.05.2021

    Als Buch bewertet

    Alles in allem hat mich dieser Roman nicht überzeugt. Die Sprache ist sehr anstrengend, eine Handlung nicht erkennbar und die Darstellung der gesellschaftlichen und politischen Lage in Belarus finde ich zu einseitig. Der ganze Roman (wobei Roman für mich hier unpassend ist) gestaltet sich lediglich in Gut und Böse. Eine einzige Schwarz-Weiß-Malerei.
    Auch die Charaktere erweisen sich als sehr einseitig geprägt. Der Stiefvater soll dem Leser alles andere als sympathisch sein, ein absolut selbstsüchtiger Typ, der wohl einen Teil der Gesellschaft darstellen soll. So zumindest meine Vermutung, dass die einzelnen Charaktere einen Einblick in die Gesellschaftsstruktur geben sollen, der stille Rebell Stass, der gierige Arzt, die etwas naive nach Führung suchende Mutter, der resignierende Zisk und die weitsichtige immer mehr sich anpassende kompromissbereite Großmutter. Jedoch auch hier wird keiner der Charaktere tiefgründig beleuchtet, es findet lediglich eine Typisierung statt. Es fehlt an Farbe und Vielfalt!
    Meine Erwartungen an das Buch wurden bei Weitem nicht erfüllt. Deutlich wird die Kritik des Autors, er nennt das Kind beim Namen und schildert politische Geschehnisse, die nur in einer Diktatur so passieren können. Menschen verschwinden einfach so, Kritik ist unerwünscht, bzw. wird verleugnet, die Opposition wird mit staatlichen Mitteln einfach ausgeschaltet. In den Medien finden sich keine kritischen Stimmen. Die Stimmung ist düster und hoffnungslos. In nur wenigen Szenen spürt man die Lebendigkeit der Protagonisten, den Wunsch nach Freiheit und Veränderung. Am Palast der Republik kommt dies stellvertretend in Zisk zum Ausdruck. Euphorisch spürt er die Macht der Masse, Hoffnungen keimen in ihm auf, Glücksgefühle entstehen. Ebenso brutal werden all die positiven Wahrnehmungen niedergeschlagen und erlöschen wieder. Er fühlt sich machtlos und sieht schlussendlich seine einzige Option in der Auswanderung nach Deutschland, um dem vorherrschenden System zu entkommen. Einzige Optionen, die uns der Autor vermittelt sind Suizid oder Ausreise und genau das wird den Menschen absolut nicht gerecht.
    Es fehlt dem Geschriebenen an Vielseitigkeit und Differenziertheit.

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