Das Todeskreuz / Julia Durant Bd.10
Erstmals lässt Andreas Franz "seine" Ermittler Peter Brandt und Julia Durant zusammenarbeiten
Die Staatsanwältin Corinna Sittler wird grausam verstümmelt in ihrem Haus aufgefunden. In ihrem Mund entdeckt Julia Durant...
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Erstmals lässt Andreas Franz "seine" Ermittler Peter Brandt und Julia Durant zusammenarbeiten
Die Staatsanwältin Corinna Sittler wird grausam verstümmelt in ihrem Haus aufgefunden. In ihrem Mund entdeckt Julia Durant einen Zettel mit den Worten: "Confiteor - Mea Culpa". Ein Ritualmord? Oder war Rache das Motiv für die brutale Tat? Denn Corinna Sittler war nicht die untadelige Staatsanwältin, für die alle sie gehalten haben: Sie hat in mindestens drei Fällen das Recht gebeugt. Da geschieht in der Nähe von Offenbach ein Mord, der dieselbe Täterhandschrift aufweist, und diesmal ist ein Richter das Opfer. Peter Brandt, der zuständige Kommissar, setzt sich mit Julia Durant in Verbindung - und muss nun widerwillig mit der Frankfurterin zusammenarbeiten.
Die Staatsanwältin Corinna Sittler wird ermordet in ihrem Haus aufgefunden. In ihrem Mund entdeckt Julia Durant einen Zettel mit den Worten: »Confiteor - Mea Culpa«.
Ein Ritualmord? Doch Corinna Sittler war nicht die untadelige Staatsanwältin, für die alle sie gehalten haben. War also Rache das Motiv für die brutale Tat? Da geschieht in der Nähe von Offenbach ein Mord, der dieselbe Täterhandschrift aufweist, und diesmal ist ein
Richter das Opfer. Peter Brandt, der zuständige Kommissar, setzt sich mit Julia Durant in Verbindung - wenn auch äußerst widerwillig ...
Zum ersten Mal arbeiten Julia Durant und Peter Brandt, die Ermittler von Erfolgsautor Andreas Franz, zusammen!
Das Todeskreuz von Andreas Franz: Spannung pur!
Das Todeskreuz von Andreas Franz
LESEPROBE
Sonntag, 23. April 2006
Julia Duranthatte trotz Bereitschaftsdienst ein ruhiges, wenn auch nicht geruhsamesWochenende hinter sich. Sie hatte geputzt, nachdem am Dienstag ihre neuen Möbeleingetroffen waren, die sie nach dem Desaster mit dem »Mann ihrer Träume«, derihr die große Liebe vorgegaukelt, ihr aber nur die Welt in Form materiellerGüter zu Füßen gelegt hatte, ausgesucht und schließlich gekauft hatte. Siekonnte auf einmal das ganze Zeug nicht mehr sehen, die Couch, den Tisch, denTeppichboden, die Gardinen, selbst das Schlafzimmer und das Bad hatten ihrnicht mehr gefallen. Seit gut zwölf Jahren lebte sie in dieser herrlichgeschnittenen Altbauwohnung in Sachsenhausen, und genauso alt war derüberwiegende Teil der Einrichtung. Julia hatte sich im Laufe der Jahre einigeszusammengespart und am ersten Advent spontan beschlossen, einen Teil davon fürdie neue Einrichtung auszugeben, nicht ohne vorher die Wände und Decken neustreichen und den Fußboden mit Wildkirschlaminatauslegen zu lassen.
Das Einzige, was sie behielt, wardie Essgruppe, die sie vor vier Jahren bei einem Schreiner in Hattersheim-Okriftel in Auftrag gegeben hatte. Und obwohlsie nur sehr selten kochte, hatte sie auch eine neue Küchenzeile ausgesucht,die am vergangenen Freitag aufgebaut worden war. Fast zwanzigtausend Euro hattesie der ganze Spaß gekostet, einschließlich des LCD-Fernsehers, der wie einBild an der Wand hing, und der Hi-Fi-Anlage, die direkt darunter ihren Platzgefunden hatte.
Alles strahlte in neuem Glanz, hellePastellfarben dominierten, weil sie das Blau und Grau nicht mehr ertrug.Gestern und heute hatte sie die Fenster geputzt und den Boden gewischt undgewienert, die Schränke mit einer speziellen Politur behandelt und den Teppichzweimal gesaugt.
Nun, nachdem der größte Teilgeschafft war (nur eine Maschine Wäsche musste noch gewaschen werden), standsie mitten im Wohnzimmer und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, und einzufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen. Kein großes Doppelbett mehr imSchlafzimmer, nur noch ein Futonbett, in dem zwarnotfalls auch noch eine zweite Person Platz finden würde, aber sie hatte nichtvor, in der nächsten Zeit jemand andern, schon gar keinen Mann, in ihr Bett zulassen. Wenn sie einen brauchte, dann würde sie es machen wie etliche Malezuvor.
Sie würde sich etwas Schickesanziehen, zu ihrer Bar in der Innenstadt fahren und mit jemandem, der ihr gefiel,in einem Hotelzimmer verschwinden, ein paar Stunden mit ihm dort verbringen undso anonym, wie sie ihn kennengelernt hatte, auchwieder verlassen.
Keine Namen, keine Adressen. DasLetzte, was sie wollte, war, noch einmal eine Beziehung einzugehen und wiederenttäuscht zu werden. Sie war Single, und sie würde es bleiben, auch das warein Entschluss, den sie gefasst hatte. Für Kinder war es ohnehin zu spät, undsich für einen Mann zu verbiegen, dazu war sie nicht bereit. Konzessionenschon, aber auch dies genügte den Männern, mit denen sie es in derVergangenheit zu tun hatte, offenbar nicht. Sie hatte es oft genug versucht undwar jedes Mal kläglich gescheitert. Ab sofort würde sie ihr Leben nur nochgenießen, auch wenn es immer wieder diese Momente gab, in denen sie sichunendlich einsam fühlte, in denen sie glaubte etwas ganz Wesentliches verpasstzu haben und ihr die Decke auf den Kopf zu fallen schien. Dann machte sieentweder einen langen Spaziergang oder ging ins Fitness-Studio odertelefonierte mit ihrem Vater - oder stürzte sich wie wild in Arbeit.
Doch im Augenblick fühlte sie sichnur wohl, konnte sich kaum sattsehen an all demNeuen, und sie bereute nicht eine Sekunde, so viel Geld auf einmal ausgegebenzu haben. Als sie im Vorfeld mit ihrem Vater über ihren Entschluss derVeränderung gesprochen hatte, hatte er ihr nur zugeraten und gesagt, sie sollebloß kein schlechtes Gewissen haben. Und er hatte wie so oft recht, ihr Kontowar nicht überzogen, selbst auf ihrem Sparbuch waren noch immer überzwanzigtausend Euro, und außerdem hatte sie einen Beruf, in dem sie unkündbarwar, ein Privileg, das sie in der heutigen Zeit als einen Segen empfand.
Aber die Wohnung war nicht alles,was sie verändert hatte. Sie war am Freitag zum zweiten Mal in diesem Jahr beimFriseur gewesen, um sich helle Strähnchen in das dunkelbraune Haar ziehen zulassen, und hin und wieder erschien sie im Rock und einer Bluse oder einemweichen Pulli zum Dienst (wobei sie mit einem gewissen Vergnügen und Stolzregistrierte, wie viele Kollegen sich die Köpfe nach ihr verdrehten, obwohl siebereits zweiundvierzig war), auch wenn sie weiterhin die meiste Zeit Jeans undTennisschuhe oder Sneakers trug, weil diese Kleidungbei der Ermittlungsarbeit einfach bequemer war. Nur waren es nicht mehrausschließlich Bluejeans, sondern auch schwarze oder beigefarbene, sogar einedunkelgrüne war darunter, denn sie hatte auch ihren Kleiderschrank ausgemistetund sich in den vergangenen Monaten allmählich komplett neu eingekleidet;lediglich ein paar wenige Sachen hatte sie behalten, Dinge, von denen sie sichnicht trennen wollte oder konnte.
Sie gönnte sich zudem den Luxus,einmal im Monat eine Kosmetikerin aufzusuchen, und war sie in den letztenJahren faul gewesen, was ihre körperliche Fitness betraf, so hatte sie sich imJanuar in einem Fitness-Studio speziell für Frauen angemeldet und besuchte es,sooft es ihre Zeit erlaubte, und das war in der Regel dreimal in der Woche.
Es tat ihr einfach gut, sie hattedie Veränderung gewollt und durchgezogen. Nur die Haare hatte sie sich nichtabschneiden lassen wie so viele Frauen, nachdem sie Enttäuschungen mit ihrenPartnern erlebt hatten. Ihre Frisur war noch immer die gleiche, nur eben mitein paar Strähnchen versehen. Nach ihrem letzten Fall, der ihr - und nicht nurihr - enorm an die Nieren gegangen war, musste sie den Vorschriften gemäß ineinigen Sitzungen mit einer Polizeipsychologin über das Geschehene sprechen,wobei diese ihr immer wieder einzureden versuchte, dass sie bestimmt schwertraumatisiert sei. Doch Julia fühlte sich weder traumatisiert noch inirgendeiner anderen Weise schlecht, sie war nicht depressiv oder melancholischund hatte nach der fünften Sitzung genug von dem sinnlosen Gequatsche und brachdie sogenannte Therapie ab, nicht ohne vorher jedochdie Zustimmung von Berger eingeholt zu haben. Sie hatte überlegt, eine Kur zubeantragen, um einmal aus Frankfurt herauszukommen und sich verwöhnen zulassen, aber dieser Gedanke war zu flüchtig, als dass sie ihn zu Ende gedachthätte. Eine Kur, womöglich mit alten Leuten, die nichts anderes zu tun hatten,als über ihre Wehwehchen zu klagen, das war nichts für sie. Doch vielleichthatte sie auch nur das Klischee einer Kur vor Augen, denn sie hatte noch nieeine Kurklinik oder ein Kurhotel von innen gesehen. Trotzdem, sie würde esnicht machen, eventuell in zehn oder fünfzehn Jahren. Es war die Wohnung undvor allem ihr Leben, das eine Kur brauchte, und dafür musste sie sich nichtallen möglichen ärztlichen Behandlungen unterziehen und sich einem geregeltenTagesablauf unterwerfen.
Ihre Kollegen waren erstaunt überdie Verwandlung, aber keiner von ihnen hatte bisher eine abwertende oder garabfällige Bemerkung darüber gemacht. Im Gegenteil, alle schienen begeistert vonder neuen Julia Durant zu sein, obwohl dieseVerwandlung nur äußerlich war. Innerlich hatte sie sich kaum verändert.
Sie hatte über einiges nachgedacht,angefangen Tagebuch zu schreiben, und sie hatte sich gefragt, warum sie solchesPech mit Männern hatte. Antworten hatte sie jedoch keine gefunden.
Und sie hatte sich zu Silvestervorgenommen, ihren Zigarettenkonsum allmählich zu reduzieren, auch in Stresssituationennicht gleich zur Zigarette zu greifen, was ihr bislang erstaunlich gut gelungenwar. Die letzte Schachtel hatte sie sich vor vier Tagen gekauft, und noch immerbefanden sich drei Zigaretten darin.
Und sie war sicher, in den nächstenTagen oder Wochen ganz ohne Nikotin auszukommen. Sie war stolz, diesen Vorsatzso gut umgesetzt zu haben, und sie hatte nicht vor, noch einmal in das alteVerhaltensmuster zu verfallen. War das vergangene Jahr zum Ausklang ziemlichschlecht verlaufen, so hatte das neue mit dem genauen Gegenteil begonnen. Undsie hatte sich noch etwas vorgenommen.
Sie würde nie wieder den Fehlerbegehen und auf Gedeih und Verderb einen Mann suchen, sondern die Dinge nurnoch auf sich zukommen lassen. In einem langen Gespräch an Weihnachten mitihrem Vater in ihrem Heimatort bei München hatte sie zum ersten Mal begriffen,dass es ihr nichts brachte, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Sie warnicht der Typ dafür, denn auch bei ihren Ermittlungen ließ sie sich sehr oftvon ihrer Intuition leiten. Nur im Privatleben hatte sie diese Intuition meistunterdrückt, diese innere Stimme, die ihr gleich zu Beginn sagte, was gut undwas schlecht für sie war. Sollte sie eines Tages doch noch den Richtigenfinden, dann würde sie ihn auch erkennen.
Sie war fast fertig mit der Arbeitund beschloss, den Pflanzen auf dem Fensterbrett noch ein bisschen Wasser zugeben und sich danach ein Bad einlaufen zu lassen. Anschließend würde sie etwasLeckeres essen, ein oder zwei Bier trinken und die Nachrichten und den Tatortschauen. Sie nahm die Kanne in die Hand und war bereits am Wasserhahn, um siezu füllen, als das Telefon klingelte.
»Ja?«
»Fritsche, KDD. Sorryfür die Störung, aber wir haben eine Tote in Berkersheim.«
»Hm. Wie «
»Komm her und mach dir selbst einBild. Wir haben alles so gelassen, wie es vorgefunden wurde. Ist kein schönerAnblick, das kann ich dir gleich sagen.«
»Gib mir mal die Adresse, ich bin inspätestens einer halben Stunde da.« Sie schrieb mitund fragte dann: »Ist schon jemand anders benachrichtigt worden?Spurensicherung, Arzt und so weiter?«
»Nein, ich dachte, du würdest dirdas vielleicht erst mal anschauen und «
»Okay. Wer hat in der RechtsmedizinBereitschaft?«
»Dr. Sievers.«
»Verständige sie bitte. Und die Spusi soll sich auch schon mal bereithalten. Bis gleich.«
Sie legte den Hörer auf, stellte dieBlumenkanne wieder zurück und rief Hellmer an. Nadinewar am Apparat. Ihre Stimme klang nicht gut, wie so oft in den letzten Monaten.Traurig, resigniert, und Julia Durant kannte denGrund dafür, aber sie konnte ihr nicht helfen. Mit ihr reden schon, allerdingshatte es in der letzten Zeit kaum eine Gelegenheit gegeben, sich auszutauschen.
Nadine war zu oft mit Marie-Thereseunterwegs. Im Februar und März war sie ganze sieben Wochen in einerSpezialklinik in den USA gewesen und mit der Hoffnung zurückgekehrt, dass derKleinen doch geholfen werden könnte. Es würde mehrere hunderttausend Dollarkosten, vielleicht sogar mehr als eine Million, einiger Operationen und sehrvieler Therapien bedürfen, um dem blinden, tauben und stummen Mädchen mit Hilfemodernster Medizintechnologien wenigstens einen Teil ihres Augenlichts, ihresGehörs und damit auch ihrer Sprache zu geben. Das hatte Nadine ihr erzählt, undes war einer der wenigen Momente, in denen ihr Gesicht wieder jenenlebensbejahenden Ausdruck hatte, den Julia von ihr gewohnt war und um den siesie beneidete - strahlende Augen, ein Lächeln um ihren schönen Mund. Sie hattenzwei Stunden zusammengesessen, aber sich in dieserZeit fast ausschließlich über Marie-Therese unterhalten. Dabei hätte Juliagerne auch über Frank mit ihr gesprochen, doch sie hatte gespürt, dass Nadinedazu nicht bereit war. Noch nicht. Ihre ganze Konzentration galt Marie-Thereseund auch Stephanie, und je mehr ihr Mann sich von der Familie entfernte, destostärker opferte sich Nadine für die Kinder auf. Frank und Nadine lebten noch ineinem Haus, aber wenn es so weiterging, würde einer von beiden über kurz oderlang an der Situation zerbrechen. Und wie sie Frank und Nadine kannte, würde esFrank sein, der in absehbarer Zeit in einen tiefen Abgrund stürzen würde. Erwar ein eher labiler Mensch, einer, der seine Ordnung brauchte, dem das Chaos,in dem er sich befand, zunehmend über den Kopf wuchs, der es aber nicht fertigbrachte, seine alte Ordnung wiederherzustellen.
Manchmal wünschte sie sich, sie wäreirgendwo allein mit ihm und er hätte keine Chance, ihr zu entkommen, bis sieihm klargemacht und er begriffen hatte, wo sein Zuhause war. Aber natürlichwürde dieser Moment nie eintreten, weshalb sie diese Gedanken auch immerschnell wieder verwarf. Er war alt genug, um über sein Leben selbst zubestimmen.
Frank Hellmerwar nicht mit in die Staaten geflogen, obwohl Berger es ihm nicht nurangeboten, sondern geradezu ans Herz gelegt hatte, er könne Urlaub nehmen,bezahlten oder unbezahlten (was er sich leicht hätte leisten können), doch nurJulia Durant kannte den wahren Grund, warum er inFrankfurt geblieben war.
Sie verstand ihn nicht und würde esnie tun, war Nadine doch nicht nur eine äußerst attraktive und schöne Frau,sondern auch eine, die immer zu ihm gehalten hatte, die als junge, aberschwerreiche Witwe einen vergleichsweise armen Polizisten geheiratet hatte, derjeden Monat zwei Drittel seines Gehalts an seine Ex und die drei gemeinsamenKinder überweisen musste. Für Julia waren sie lange Zeit das Traumpaarschlechthin gewesen. Nadine liebte Frank aus tiefstem Herzen, und auch bei ihmhatte sie all die Jahre hinweg geglaubt, es wäre ebenso. Und dann kamMarie-Therese und mit ihr eine Veränderung, die das Leben der Hellmers aus den Fugen geraten ließ. Nadines ganzeAufmerksamkeit richtete sich nur noch auf die Kleine, und Frank fühlte sichseitdem offenbar aus Nadines Leben ausgeschlossen. Zumindest hatte er dies Julia gegenüber so angedeutet, doch für sie klang esnur wie eine laue Rechtfertigung für sein Verhalten. Viola Richter - zugegebeneine Frau, die die meisten Männerherzen nicht nur höherschlagenließ, die nicht nur vom Äußeren mehr hergab als die meisten Frauen, sondernauch intelligent war, und doch, so fand Julia Durant,einem Vergleich mit Nadine nicht standhielt. Viola Richter und Frank Hellmer passten einfach nicht zusammen, was er jedoch nichtzu merken schien oder es nicht wollte. Aber seit er die Affäre begonnen hatte,war er nicht mehr der Frank Hellmer, den sie kennengelernt und mit dem sie über so viele Jahre hinweggerne zusammengearbeitet hatte. Er war verschlossener geworden, oft ungerechtin seinen Beurteilungen und noch viel öfter mit seinen Gedanken nicht bei derArbeit. Ob und inwieweit Nadine von dieser Affäre wusste, entzog sich JuliasKenntnis, aber sie hoffte noch immer inständig, dass dieser Spuk bald ein Endehatte. Wenn nicht, würde sie in absehbarer Zeit ein sehr ernsthaftes Gespräch mitihm führen und ihm deutlich zu verstehen geben, dass sie unter diesen Umständennicht länger mit ihm zusammenarbeiten könne.
Außerdem hatte er, wie sie schonbefürchtete, wieder angefangen zu trinken, ein Zeichen für das schlechteGewissen, das ihn plagte.
Er war hin und her gerissen zwischendiesen zwei Frauen, zwischen zwei Welten, und er war überfordert, denn er warunfähig, eine klare Entscheidung zu treffen. Julia war der festen Überzeugung,dass Viola Richter nur mit ihm spielte, dass sie seine Schwachstelle erkannthatte und ihre eigene unbefriedigende Ehe mit dem überaus erfolgreichen undangesehenen Psychiater und Therapeuten Prof. Alfred Richter durch ihnkompensierte. Für Julia war es eine rein sexuelle Beziehung, nicht mehr undnicht weniger, denn wäre es anders, hätte Hellmernicht wieder zur Flasche gegriffen.
© Verlag DroemerKnaur
Interview mit Andreas Franz
Es hatlange gedauert, ehe ein Buch von Ihnen von einem Verlag angenommen wurde undSie zu einem erfolgreichen Krimiautor wurden. Schreiben Sie gerne, oder istSchreiben vor allem harte Arbeit für Sie? Wie empfinden Sie es, nun einBestsellerautor zu sein?
Ich schreibe sogar sehr gerne, aber es ist auch harteArbeit, verdammt harte Arbeit. Doch wie empfinde ich es, nun einBestsellerautor zu sein?! Bin ich überhaupt einer, nur weil ich ein paartausend Bücher mehr als ein paar andere verkaufe? Ich denke, das Problem ist,dass die meisten glauben, Bestsellerautormüsste gleichbedeutend sein mit Bestverdiener.Das ist jedoch ein Riesenirrtum. Es gibt überall, auch hierzulande,Bestsellerautoren, die Millionen verdienen, ich hingegen bin froh, dass ichmeine Familie einigermaßen über die Runden bringen kann. Ein weiteres Problemist, dass z.B. ein Grisham oder Crichton oder eine Walters oder Cornwell oder George und viele andere schon Monate vorErscheinen ihres neuen Werks - ganz gleich wie gut oder miserabel es auch ist -medienwirksam von den Verlagen promotet werden, dazuerhalten sie Vorschüsse, von denen ich und auch andere Autoren jahrelangsorglos leben könnten. Für die oben genannten wird automatisch ein Platz in derBestsellerliste reserviert, doch wenn ich mir zu vielen derer Bücher dieLeserrezensionen anschaue, dann weichen diese doch sehr häufig von der Meinungder Medienrezensenten ab. Seltsam, oder? Meine Leserschaft hat sich im Laufeder Jahre fast ausschließlich durch Mund-zu-MundPropaganda aufgebaut, und durch die Empfehlungen von Buchhändlern, denen ichsehr, sehr dankbar bin. Das heißt aber auch, dass ich noch lange Zeit hartweiterarbeiten muss, bevor ich mir mal einen Burnoutoder einen richtig langen Urlaub leisten kann, von einem schicken Haus ganz zuschweigen. Aber schau mer mal, was die Zukunftbringt. Ich lebe nach dem Motto - cogito ergo sum, ich denke, also bin ich. Und ich hoffe, noch langedenken und auch beobachten zu können. Und sollte irgend jemand nach demGelesenen meinen, ich wäre nur neidisch auf die Großverdiener - falsch, imGegenteil, ich schreibe wenigstens noch selbst und bin froh und dankbar, einenBeruf ausüben zu können, von dem ich immer geträumt habe.
1970 haben Siedas Gymnasium verlassen und eine Sprachschule besucht, um "etwas Ordentlichesaus meinem Leben zu machen." Ist Ihnen das gelungen?
Ich denke schon. Schreiben war ein lang gehegter Traum, derWirklichkeit wurde. Was kann es Schöneres und Erfüllteresgeben?!
Es gibt immerwieder Polizisten, die an dem, was sie über Jahre sehen, seelisch zerbrechen.Wie wird innerhalb der Polizei mit psychischen Problemen umgegangen? Welche Artvon Hilfe ist hier überhaupt möglich?
Es gibt Polizeipsychologen, die sich um z.B. traumatisierteBeamte kümmern, die mit schrecklichen Bildern konfrontiert wurden. Allerdingsreden viele Beamte nicht über ihre Probleme, sondern fangen etwa an zu trinken,häusliche Gewalt findet man in dieser Berufsgruppe auch nicht selten, dieScheidungsrate ist relativ hoch. Welche Hilfe überhaupt möglich ist ich weißes nicht.
In IhrenKrimis geht es häufig um verschiedene Formen des Missbrauchs. Was bedeutetIhnen dieses Thema?
Missbrauch jedweder Form ist für mich verabscheuungswürdig, weiler nicht nur häufig den Körper verletzt, sondern vor allem die Seele tötet.Und ich gebe zu, es macht mich unendlich wütend, wenn ich wieder einmal voneinem besonders gravierenden Fall höre. In meinen Büchern spielt Missbraucheine große Rolle, denn ich möchte meine Leser auch zum Nachdenken anregen.Kinder können sich nicht wehren, sie schreien ihren Schmerz nach innen undhaben nur sehr selten eine Chance, ihrem Peiniger zu entkommen. Und ich sprecheauch aus eigener Erfahrung, da ich in meiner Kindheit fast vierzehn Jahremiterleben musste, wie meine Mutter beinahe täglich misshandelt und missbrauchtwurde. Deshalb an alle Männer: Finger weg von Kindern und Frauen, es gibtandere Möglichkeiten, seine inneren und äußeren Konflikte zu lösen! Über dasVorwort meines ersten Romans "Jung, blond, tot" habe ich geschrieben: Wenn die Seele verbrennt, bleibt nichteinmal Asche. Missbrauch wird jedenfalls immer wieder mal in einem meinerBücher vorkommen, es wird allerdings kein Dauerthema sein.
Fast alle vonIhnen beschriebenen Fälle beruhen auf wahren Begebenheiten. Sie haben guteKontakte zur Frankfurter Polizei. Gleichzeitig sagen Sie - wie mit ähnlichenWorten übrigens auch Henning Mankell: "DieWirklichkeit sieht allemal düsterer aus, als meine Phantasie es zulässt." Wiepasst das zusammen? Welche Wirklichkeiten verschließen sich Ihnen beimSchreiben?
Es ist richtig, dass ich das gesagt habe. Jedes Mal, wennich mit Kripobeamten spreche, erfahre ich, wie skrupellos manche Menschenvorgehen, so skrupellos, dass meine Phantasie nicht ausreicht, um mir diesauszudenken. Allerdings erhalte ich so nach und nach Einblick in Abgründe, diedie wenigsten sehen oder sehen wollen. Dabei handelt es sich nicht nur um"einfache" Mörder oder Serientäter, sondern auch um die kriminellenMachenschaften in Politik und Wirtschaft. Es ist ein dichtes und immer dichterwerdendes Netz der organisierten Kriminalität, die mittlerweile alle Bereichedes politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens infiltriert oder sogarunter Kontrolle hat. Und das ist erschreckend, aber nicht mehr zu ändern.
Die Personenin Ihren Romanen sind psychologisch sehr einfühlsam gezeichnet. Dabei fälltauf, dass insbesondere das Verhalten der Täter erklärt, ja manchmal geradezu"entschuldigt" wird. Glauben Sie, dass sich jede kriminelle Tatpsychologisch erklären lässt?
Dass ich Täterverhalten entschuldige, ist schlichtwegfalsch. Ich versuche lediglich zu ergründen, was einen Menschen zum Beispiel zueinem Mörder hat werden lassen. Und da gibt es unzählige Gründe, doch einer derhäufigsten - gerade bei Serienkillern - ist persönlich erlebter Missbrauch. Wieich oben bereits erwähnte, verletzt Missbrauch nicht nur den Körper, sonderntötet die Seele, vor allem, wenn dieser Missbrauch über einen längeren Zeitraumhinweg geschieht. Da ich selbst im Alter von fünfzehn Jahren mit einemSerienkiller befreundet war und seine Kindheitsgeschichte fast zwanzig Jahrespäter erfuhr (darauf beruht übrigens "Jung, blond, tot"), begann ich michintensiver mit dem Phänomen Serienkiller zu beschäftigen. Ich entschuldigenicht einen einzigen Mord, ich entschuldige aber auch nicht das, was dieseMenschen letztlich dazu getrieben hat, diese schrecklichen Taten zu begehen.Nur in dem Buch "Das achte Opfer" versuche ich, Verständnis für das Verhaltendes Täters zu wecken, denn dieses Buch beruht ebenfalls auf einer wahrenGeschichte, die mir von einem höchst resignierten Hauptkommissar, der seitbeinahe fünfunddreißig Jahren bei der Kripo ist, erzählt wurde. In besagtemBuch lege ich den Finger in eine Wunde und prangere unser Justizsystem an, wasdazu führte, dass ich mehrere wütende Briefe und Mails von Staatsanwälten undRichtern erhalten habe, in denen ich bezichtigt wurde, Selbstjustizgutzuheißen. Diese werten Damen und Herren sollten das Buch einmal nicht ausder juristischen, sondern der menschlichen Warte lesen. Außerdem sehe ich michweniger als Roman-, denn als Berichtautor, da fast alle von mirniedergeschriebenen Fälle auf wahren Begebenheiten beruhen - und ich merke anden Reaktionen meiner LeserInnen, dass genau dies anmeinen Büchern geschätzt wird. Und nein, ich glaube nicht, dass sich jedekriminelle Tat psychologisch erklären lässt, da manche Taten im Affekt oder ineinem Zustand geistiger Verwirrung geschehen und somit nicht erklärbar sind,nicht einmal von den Tätern. Eigentlich lassen sich die wenigsten Taten, ganzgleich welcher Art, psychologisch erklären, auch wenn manche sogenannte Gutachter und Psychologen das zu können meinen.Der menschliche Geist, die Psyche und die Emotionen sind dazu noch viel zuwenig erforscht.
Die Fragenstellte Ulrike Künnecke, Literaturtest.
- Autor: Andreas Franz
- 2007, 528 Seiten, Maße: 11,5 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426634805
- ISBN-13: 9783426634806
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