Der siebte Tod
Joe hat sein Leben scheinbar fest im Griff - tagsüber jobbt er als Putzmann bei der Polizei, abends geht er anderen Tätigkeiten nach. Er denkt daran, seine Fische zweimal täglich zu füttern und seine Mutter mindestens einmal pro Woche zu besuchen, obwohl...
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Joe hat sein Leben scheinbar fest im Griff - tagsüber jobbt er als Putzmann bei der Polizei, abends geht er anderen Tätigkeiten nach. Er denkt daran, seine Fische zweimal täglich zu füttern und seine Mutter mindestens einmal pro Woche zu besuchen, obwohl er ihren Kaffee ab und zu mit Rattengift verfeinert. Er stört sich kaum an den Nachrichten über den Schlächter von Christchurch, der - so wird behauptet - sieben Frauen umgebracht hat. Joe weiß, dass der Schlächter nur sechs getötet hat. Er weiß es ganz einfach.
Und Joe wird diesen Nachahmer finden, er wird ihn für die eine Tat bestrafen und ihm die anderen sechs Morde anhängen. Ein perfekter Plan, denn er weiß bereits, dass er die Polizei überlisten kann. Das Einzige, was noch getan werden muss, ist, sich um all die Frauen zu kümmern, die nicht aufhören, ihm im Weg zu stehen.
Joe hat sein Leben scheinbar fest im Griff - tagsüber jobbt er als Putzmann bei der Polizei, abends geht er anderen Tätigkeiten nach. Er denkt daran, seine Fische zweimal täglich zu füttern und seine Mutter mindestens einmal pro Woche zu besuchen, obwohl er ihren Kaffee ab und zu mit Rattengift verfeinert. Er stört sich kaum an den Nachrichten über den Schlächter von Christchurch, der - so wird behauptet - sieben Frauen umgebracht hat. Joe weiß, dass der Schlächter nur sechs getötet hat. Er weiß es ganz einfach. Und Joe wird diesen Nachahmer finden; er wird ihn für die eine Tat bestrafen und ihm die anderen sechs Morde anhängen. Ein perfekter Plan, denn er weiß bereits, dass er die Polizei überlisten kann. Das Einzige, was noch getan werden muss, ist, sich um all die Frauen zu kümmern, die nicht aufhören, ihm im Weg zu stehen.
Dersiebte Tod von Paul Cleave
LESEPROBE
Kapitel1
Ich steuereden Wagen in die Auffahrt. Lehne mich zurück. Versuche mich zu entspannen.
Ich schwörebei Gott, heute hat es mindestens fünfunddreißig Grad. Christchurch-Hitze.Schizophrenes Wetter. Schweiß rinnt mir über den ganzen Körper. Meine Fingersind wie feuchter Gummi. Ich beuge mich vor, schalte den Motor aus, greife nachmeinem Aktenkoffer und steige aus dem Wagen. Hier in der Gegend funktionierenimmerhin die Klimaanlagen. Noch ein paar Schritte bis zur Eingangstür, dannfummle ich am Schloss herum. Und stoße einen Seufzer der Erleichterung aus, alsich eintrete. Ich schlendere durch die Küche. Wie ich höre, ist Angela oben unterder Dusche. Ich werde sie später stören. Jetzt brauch ich erst mal etwas zutrinken. Der Kühlschrank hat eine Edelstahltür, aus der mich mein Spiegelbildanstarrt wie ein Geist. Ich öffne die Tür, gehe in die Knie und bleibe fasteine Minute lang so hocken, während ich mich mit der kühlen Luft anfreunde. DerKühlschrank bietet mir Bier und Coke an. Ich gebe demBier den Vorzug, drehe den Verschluss auf und setze mich an den Tisch. Eigentlichtrinke ich nicht besonders viel, aber diese Flasche schütte ich innerhalb vonzwanzig Sekunden in mich hinein. Der Kühlschrank offeriert mir noch eineFlasche. Wer bin ich schon, dass ich dazu Nein sage? Ich lehne mich auf demStuhl zurück. Lege die Füße auf den Tisch. Denke darüber nach, die Schuhe auszuziehen.Kennen Sie das Gefühl? Sie arbeiten den ganzen Tag bei glühender Hitze. AchtStunden Stress. Dann hocken Sie sich mit einem kühlen Bier in der Hand hin,legen die Füße hoch und ziehen die Schuhe aus.
Einabsoluter Hochgenuss.
Während ichder Dusche oben lausche, nippe ich entspannt an meinem zweiten Bier in diesemJahr. Für das hier brauche ich ein paar Minuten, dann kriege ich Hunger. Zurückzum Kühlschrank und dem Stück kalter Pizza, das ich vorhin erspäht habe. Ichzucke mit den Schultern. Warum nicht? Ist ja nicht so, als ob ich auf meinGewicht achten müsste.
Ich setzemich wieder an den Tisch. Die Füße hoch. So schmeckt auch die Pizza, nur die Schuhe wäre ich gerne noch los. Bloß hab ich im Augenblicknicht die Zeit dazu. Ich schlinge die Pizza runter, nehme meinen Aktenkofferund gehe nach oben. Aus der Stereoanlage im Schlafzimmer dröhnt ein Lied, dasich kenne, dessen Titel mir aber nicht einfällt. Ebenso wenig wie der Name desSängers. Trotzdem ertappe ich mich beim Mitsummen, als ich den Aktenkoffer aufsBett lege; sicher wird mir die Melodie noch stundenlang im Kopf rumgehen. Ich nehme neben dem Aktenkoffer Platz. Öffne ihn.Hol die Zeitung raus. Auf der Titelseite prangen lauter reißerischeSchlagzeilen. Oft frage ich mich, ob die Medien nicht die Hälfte von diesemZeug erfinden, nur um die Auflage zu steigern. Offensichtlich gibt es einen echtenMarkt für solche Meldungen.
Ich höre,wie die Dusche abgedreht wird, ignoriere das aber und lese lieber weiter in derZeitung. Einen Artikel über einen Kerl, der die Stadt terrorisiert. Frauen umbringt. Folter. Vergewaltigung. Mord. Der Stoff, aus dem manFilme macht. Ein paar Minuten vergehen, und ich hocke noch immer da und lese,als Angela, umgeben von weißem Dampf und dem Duft ihrer Körperlotion, aus demBad kommt. Sie trocknet sich die Haare mit einem Handtuch.
Ich lassedie Zeitung sinken und lächle.
Sie siehtzu mir rüber.
»Scheiße, wersind Sie denn?«, fragt sie.
Kapitel2
Die Sonnesteht hoch am Himmel und blendet sie. Unter ihrem Kleid rinnen ihr Schweißperlen den Körper hinab und befeuchten den Stoff.Der polierte Grabstein aus Granit funkelt, und sie muss blinzeln, doch sieweigert sich, den Blick von den Buchstaben abzuwenden, die vor fünf Jahren dorteingraviert wurden. Das helle Licht treibt ihr das Wasser in die Augen - wasnicht weiter ungewöhnlich ist; ihre Augen sind immer feucht, wenn sie hierherkommt. Sie hätte eine Sonnenbrille aufsetzen, einleichteres Kleid anziehen sollen. Mehr tun sollen, um seinen Tod zu verhindern.
Sallygreift nach dem Kruzifix an ihrem Hals, und die vier Spitzen bohren sich inihre Hand. Sie kann sich nicht daran erinnern, wann sie es das letzte Malabgenommen hat, und fürchtet, wenn sie es täte, würde sie sich zu einer kleinenKugel zusammenrollen und bis in alle Ewigkeit nur noch weinen. Sie hatte es beisich, als die Ärzte in der Klinik ihrer Familie die Nachricht überbrachten. Siehielt es fest umklammert, als man sie bat, sich zu setzen und ihr mit düstererMiene mitteilte, was sich wohl schon zahllose andere Familien hatten anhörenmüssen, deren Angehörige im Sterben lagen und die dennoch die Hoffnung nichtaufgeben wollten. Es hing über ihrem Herzen, als sie ihre Eltern zumBeerdigungsinstitut fuhr, sich mit dessen Inhaber zusammensetzte und bei Kaffeeund Tee, den niemand anrührte, Sargbroschüren durchsah. Als sie die Seitenvoller Hochglanzbilder umblätterte und versuchte, etwas zu finden, in dem ihrBruder gut aussehen würde. Die gleiche Prozedur fand dann auch noch für denAnzug statt. Sogar der Tod war modebewusst. Auf den Fotos in den Katalogen hingendie Anzüge an Schaufensterpuppen; es wäre wohl zu geschmacklos gewesen, hätten unbeschwertlächelnde Menschen sie getragen und dabei versucht, sexy auszusehen.
Seitherhatte sie das Kruzifix keinen einzigen Tag mehr abgelegt. Es half ihr dabei, Orientierungund Hilfe zu finden; es erinnerte sie immer daran, dass sich Martin jetzt aneinem besseren Ort befand; dass das Leben nicht so schlecht war, wie es schien.Unfähig sich zu rühren, betrachtet sie nun schon seit vierzig Minuten das Grab.Die Schatten der nahen Eichen sind ein wenig länger geworden. Gelegentlichreißt der Nordwestwind eine der reifen Eicheln von den Zweigen und schleudertsie auf einen Grabstein, mit einem knackenden Geräusch, als bräche ein Finger. DerFriedhof besteht aus einer weitläufigen, üppige Rasenfläche, die von Wegweisernaus Zement unterteilt wird und im Augenblick größtenteils verlassen daliegt;vor den Grabsteinen stehen nur eine Handvoll Menschen, alle in ihre eigene, persönlicheTragödie vertieft. Sie fragt sich, ob im Laufe des Tages noch mehr Leute kommenwerden, ob es auch auf dem Friedhof eine Art Hauptverkehrszeit gibt. Sie hofftes. Ihr gefällt die Vorstellung nicht, dass Menschen sterben und einfachvergessen werden. In einiger Entfernung fährt ein Kerl auf einemAufsitz-Rasenmäher um und über die Gräber. Er steuert das Gerät wie einenRennwagen; wahrscheinlich will er so schnell wie möglich mit seiner Arbeitfertig werden und von hier verschwinden. Der Wind trägt den Lärm des Motors biszu ihr. Eines Tages wird dieser Kerl, der Hausmeister, auch hier begraben sein.Wer mäht dann den Rasen? Sie weiß nicht mal, warum sie solche Dinge denkt.Sterbende Hausmeister, Hauptverkehrszeiten, Menschen, die die Toten vergessen.Sie ist immer so, wenn sie hierherkommt. Morbid, völligdurcheinander, als hätte jemand ihre Gedanken in einen Cocktailshakergesteckt und sie wie verrückt durchgeschüttelt. Sie kommt gerne her, wenigstenseinmal im Monat - wenn »ger- ne« das richtige Wort ist. Immer, absolut immerschafft sie es, an Martins Todestag hierzusein, undder ist heute. Morgen hätte er Geburtstag. Oder hat er Geburtstag. Sie hatkeine Ahnung, ob es noch zählt, wenn man unter der Erde liegt. Aus irgendeinem Grund,den sie nicht erklären kann, besucht sie ihn nie an seinem Geburtstag. Dashätte genau die gleichen Folgen, wie wenn sie das Kruzifix abnehmen würde, daist sie sich sicher. Ihre Eltern waren bereits früher am Nachmittag hier; dassieht sie an den frischen Blumen, die neben ihren eigenen stehen. Sie ist niegemeinsam mit ihnen da. Das ist auch so was, das sienicht erklären kann, nicht einmal sich selbst.
Sieschließt kurz die Augen. Warum bringt dieser Ort sie nur immer dazu, überunlösbare Fragen nachzugrübeln? Sobald sie den Friedhof verlassen hat, wird esihr wieder besser gehen. Sie kniet sich hin, streicht zärtlich über die Blumen,die vor dem Grabstein stehen, und fährt dann mit den Fingern über dieInschrift. Ihr Bruder war fünfzehn, als er starb. Einen Tag vor seinem sechzehntenGeburtstag. Ein Tag Unterschied zwischen Geburts- und Todestag. Wahrscheinlichnicht einmal das. Eher ein halber Tag. Sechs oder sieben Stunden. Was für einenSinn hat es, dass er mit fünfzehn, fast sechzehn gestorben ist? Die Leute, die hierbegraben liegen, sind durchschnittlich zweiundsechzig Jahre alt. Das weiß sieso genau, weil sie es ausgerechnet hat. Sie ist von Grab zu Grab gegangen, hatdie Zahlen in einen Taschenrechner getippt und dann geteilt. Sie war neugierig.Wollte wissen, um wie viele Jahre Martin betrogen wurde. Seine knapp sechzehnJahre auf dieser Erde waren etwas Besonderes, und die Tatsache, dass er geistigbehindert war, in Wahrheit ein Segen. Er hatte ihr Leben reicher gemacht, undauch das ihrer Eltern. Er wusste, dass er anders war, dass viele Dinge eineHerausforderung für ihn waren, aber er empfand sein Anderssein nie als Problem.Für ihn ging es im Leben darum, Spaß zu haben. Was konnte daran schon falschsein?
Sie hattenie eine Antwort auf ihre Fragen gefunden, nicht hier, nicht beim Verlassen desFriedhofs. Und daran würde sich wohl auch nie was ändern.
Nach einerStunde wendet sie sich vom Grab ab. Sie möchte ihrem toten Bruder von dem Mannerzählen, mit dem sie zusammenarbeitet und der sie in mancherlei Hinsicht anMartin erinnert.
Er hat einreines Herz und eine kindliche Unschuld, die derjenigen Martins gleicht. Siemöchte ihrem Bruder davon erzählen, doch sie verlässt den Friedhof ohne einWort. Noch bevor sie ihren Wagen erreicht, hat das Kruzifix begonnen, ihrenSchmerz zu lindern.
© Heyne Verlag
Übersetzung:Martin Ruf
- Autor: Paul Cleave
- 2007, Deutsche Erstausgabe, 414 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Martin Ruf
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453432479
- ISBN-13: 9783453432475
- Erscheinungsdatum: 02.04.2007
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