Henkerstochter Band 3: Die Henkerstochter und der König der Bettler
Historischer Roman. Originalausgabe
Der Schongauer Henker Jakob Kuisl ist in eine Falle getappt und gilt nun als Mörder seines Schwagers. Nun droht ihm selbst die Hinrichtung. Seine Tochter Magdalena und der Medicus Simon Fronwieser versuchen ihn zu retten.
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Produktinformationen zu „Henkerstochter Band 3: Die Henkerstochter und der König der Bettler “
Der Schongauer Henker Jakob Kuisl ist in eine Falle getappt und gilt nun als Mörder seines Schwagers. Nun droht ihm selbst die Hinrichtung. Seine Tochter Magdalena und der Medicus Simon Fronwieser versuchen ihn zu retten.
Klappentext zu „Henkerstochter Band 3: Die Henkerstochter und der König der Bettler “
Der Schongauer Henker Jakob Kuisl ist in eine Falle getappt: Bei einem Besuch in Regensburg findet er seine Schwester und den Schwager tot in der Badestube. Die Stadtwache verhaftet ihn als Verdächtigen und wirft ihn in den Kerker. Nun drohen ihm, dem Henker, selbst Folter und Hinrichtung. Fieberhaft suchen seine Tochter Magdalena und der Medicus Simon Fronwieser nach dem wahren Täter und stoßen dabei auf ein Komplott, bei dem die Zukunft des Kaiserreichs auf dem Spiel steht.
Lese-Probe zu „Henkerstochter Band 3: Die Henkerstochter und der König der Bettler “
Die Henkerstochter und der König der Bettler von Oliver Pötzsch1
Im Donaudurchbruch hinter Weltenburg, den 13. August anno domini 1662, 25 Jahre später ...
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Die Woge erwischte Jakob Kuisl von vorne und spülte ihn wie ein Stück Treibholz von der Bank.
Der Henker schlitterte über die rutschigen Balken, griff wild um sich auf der Suche nach irgendeinem Halt, bis er plötzlich spürte, wie seine Füße in die gurgelnden Strudel des Flusses tauchten. Langsam, aber unerbittlich zog ihn sein eigenes Gewicht von fast zwei Zentnern ins kalte Wasser. Seine Fingernägel schabten über die Planken, ganz aus der Nähe konnte er wie durch eine Wand hindurch aufgeregte Schreie vernehmen. Endlich bekam er mit der rechten Hand einen ins Holz geschlagenen Zimmermannsnagel zu fassen. Kuisl hievte sich daran hoch, als ein weiterer Körper an ihm vorbei auf den Fluss zu-rutschte. Mit seiner freien Hand griff er danach und erwischte einen etwa zehnjährigen Jungen am Kragen, der wild zappelte und nach Luft japste. Der Henker schob ihn zurück in die Mitte des Floßes, wo ein erleichterter Vater den Knaben in die Arme schloss.
Keuchend kroch Jakob Kuisl hinterher und nahm wieder auf der Bank vorne am Bug Platz. Sein Leinenhemd und der Lederkoller klebten ihm am Oberkörper, Wasser rann über Gesicht, Bart und Augenbrauen. Als er den Blick nach vorne richtete, erkannte er, dass ihnen das Schlimmste noch bevorstand. Zu ihrer Linken ragte eine gewaltige, bestimmt vierzig Schritt hohe Wand auf, der die Reisenden nun hilflos entgegentrudelten. Hier, in der Weltenburger Enge, war die Donau so schmal wie fast nirgendwo sonst. Ein vor allem bei Hochwasser brodelnder Hexenkessel, der schon so manchen Flößer das Leben gekostet hatte.
»Bei Gott, festhalten! Haltet's euch fest, um Himmels willen!«
Der vordere Steuermann stemmte sich gegen das Ruder, als das Floß in einen weiteren Strudel tauchte. Muskelstränge traten an seinen Armen hervor wie knorrige Wurzeln, doch die lange Stange in seinen Händen bewegte sich keinen Zentimeter. Die schweren Gewitterregen der letzten Tage hatten den Fluss stark anschwellen lassen, so dass die sonst so lauschigen Kiesbänke am Ufer vollkommen verschwunden waren. Äste und entwurzelte Bäume trieben in der weißen Gischt vorüber. Schneller, immer schneller schoss das breite Floß auf die Felswand zu. Jakob Kuisl hörte neben sich ein hässliches Geräusch, als die Fichtenstämme am Kalkstein entlangschrammten. Die Wand war nun direkt über ihnen, ein steinerner Gigant, der seinen Schatten auf die kleine Gruppe Menschen warf. Scharfe Kanten gruben sich in die linke Floßseite und schnitten den äußersten Fichtenstamm der Länge nach auf wie einen Laib Brot.
»Heiliger Nepomuk, steh uns bei! Gütige Jungfrau Maria, hilf uns in unserer Not! Seliger Nikolaus, verschone uns ...«
Kuisl blickte mürrisch zur Seite, wo eine Klosterschwester sich an einen elfenbeinernen Rosenkranz klammerte und unablässig ihre Gebete in den wolkenlosen Himmel greinte. Auch die anderen Reisenden auf den Holzbänken murmelten mit kreidebleichen Gesichtern Fürbitten und bekreuzigten sich. Ein fetter Großbauer wartete mit geschlossenen Augen und Schweißperlen auf der Stirn auf sein sicheres Ende, ein Franziskanermönch rief mit sich überschlagender Fistelstimme die vierzehn Notheiligen an. Der kleine Junge, den Jakob Kuisl soeben vor dem Ertrinken bewahrt hatte, klammerte sich an seinen Vater und weinte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Fels die zusammengeschnürten Stämme zermalmt haben würde. Die wenigsten der Menschen auf dem Floß konnten schwimmen, aber es war ohnehin fraglich, ob ihnen das in den reißenden Strudeln geholfen hätte.
»Dreckswasser, vermaledeites!«
Kuisl spuckte aus und warf sich nach vorne, wo der Steuermann noch immer versuchte, das mit Tauen am Bug befestigte Ruder herumzureißen. Der Schongauer Henker stellte sich breitbeinig neben den Flößer und drückte mit seinem stämmigen Oberkörper gegen die Stange. Es fühlte sich an, als hätte sich das Steuerruder in irgendetwas tief unten im eiskalten Flusswasser verfangen. Kuisl gingen die Schauergeschichten der Flößer durch den Kopf, die von schleimigen, bösartigen Ungeheuern am Grunde des Flusses zu berichten wussten. Erst gestern hatten ihm Fischer von einem fünf Schritt langen Waller erzählt, der im Donaudurchbruch in einer Höhle hausen sollte. Was in Dreiteufelsnamen drückte dort unten gegen die Stange?
Mit einem Mal spürte er, wie das Ruder sich ein winziges Stück bewegen ließ. Ächzend stemmte er weiter, er hatte das Gefühl, dass seine Knochen jeden Moment brechen müssten. Ein letztes Knirschen, und plötzlich gab das Ruder nach, das Floß drehte sich gegen den Strudel und wurde mit einer letzten schaukelnden Bewegung von der Felswand förmlich wegkatapultiert.
Nur Augenblicke später trieben sie pfeilschnell auf drei kleine felsige Inseln auf der rechten Uferseite zu, wieder schrien einige der Reisenden auf, doch der Flößer hatte mittlerweile wieder die Kontrolle über sein Gefährt. Das Floß rauschte an den von Gischt umspülten Felskuppen vorbei, noch einmal tauchte es mit dem Bug tief in das Wasser ein; dann hatten sie die gefährliche Flussenge passiert.
»Einen schönen Dank auch!« Der Steuermann wischte sich Schweiß und Wasser aus den Augen und reichte Kuisl seine schwielige Hand. »Um ein Haar hätt sich die Lange Wand uns alle zur Vesper schmecken lassen. Magst ned auch Flößer werden?« Er griente Kuisl an, während er gleichzeitig dessen Bizeps abtastete. »Kraft hast wie zwei Ochsen und fluchen kannst auch schon wie unsereins. Also, wie wär's?«
Jakob Kuisl schüttelte den Kopf. »Vergelt's Gott. Aber ihr hättet keine Freud mit mir. Noch so ein Strudel, und ich speib euch ins Wasser. Ich brauch die Erde unter den Füßen.«
Der Flößer lachte, und Kuisl schüttelte die nassen zottigen Haare, so dass die Tropfen in alle Richtungen spritzten.
»Wie lang wird's noch bis Regensburg sein?«, fragte er den Steuermann. »Dieser Fluss macht mich noch ganz damisch. War bestimmt das zehnte Mal, dass ich gedacht hab, um uns ist's geschehen.«
Jakob Kuisl blickte zurück, wo noch immer die Felswände links und rechts des Flusses emporragten. Manche von ihnen erinnerten ihn an versteinerte Untiere oder an Köpfe von Riesen, die auf das Gewusel der winzigen Sterblichen tief unter ihnen hinabstarrten. Kurz davor hatten sie das Weltenburger Kloster passiert, eine von Krieg und Hochwasser zerfressene Ruine. Trotz ihres traurigen Zustands suchte sie noch so mancher Donaureisende für ein stilles Gebet auf. Die darauffolgende Fluss enge galt gerade nach starken Regenfällen als echte Herausforderung für jeden Flößer - ein paar Vaterunser vorher konnten da sicher nicht schaden.
»Die Lange Wand ist bei Gott die schlimmste Stelle«, sagte der Steuermann und schlug ein Kreuz. »Besonders bei Hochwasser. Aber jetzt geht's friedlich dahin, mein Wort. In ein paar Stunden sollten wir ankommen.«
»Ich hoff, du hast recht«, knurrte der Henker. »Sonst zieh ich dir dein gottverdammtes Ruder über den Rücken.«
Jakob Kuisl wandte sich ab und tapste mit vorsichtigen Schritten den schmalen, glitschigen Gang zwischen den Bankreihen entlang nach hinten, wo die Ladung in Fässern und Kisten verstaut war. Das Reisen auf dem Floß war ihm zuwider, auch wenn es sicherlich die schnellste und immer noch sicherste Art war, in eine andere Stadt zu kommen. Der Henker liebte es, festen Waldboden unter seinen Füßen zu spüren. Aus Holzstämmen baute man Häuser, Tische und meinetwegen Galgen, aber man stolperte nicht über sie, während sie durch reißendes Wasser schaukelten. Kuisl war froh, wenn das Geschaukel bald ein Ende hatte.
Dankbar musterten ihn die Reisenden, die mittlerweile wieder etwas Farbe im Gesicht hatten und vor Erleichterung beteten oder laut lachten. Der Vater des geretteten Jungen wollte Kuisl an die Brust drücken, doch der Henker wischte den Mann beiseite und verschwand brummend zwischen den verzurrten Kisten.
Hier, auf der Donau, vier Tagesreisen von seiner Heimat entfernt, wussten weder Passagiere noch Mann schaft, dass Jakob Kuisl der Schongauer Scharfrichter war. Für den vorderen Steuermann war dies ein Glücksfall. Hätte sich herumgesprochen, dass ein Henker dem Flößer beim Rudern geholfen hatte, der Mann wäre vermutlich aus seiner Zunft verstoßen worden. Kuisl hatte davon gehört, dass in manchen Gegenden die Berührung, ja allein schon der Blick eines Scharfrichters ehrlos machen konnte.
Jakob Kuisl kletterte auf ein Fass gepökelter Heringe im hinteren Teil der Ladung und steckte sich seine Pfeife an. Jetzt, hinter der berüchtigten Weltenburger Enge, wurde die Donau wieder breiter. Das Städtchen Kelheim tauchte linker Hand auf, schwer bepackte Kähne glitten so nah am Floß vorbei, dass Kuisl ihre Ladung fast berühren konnte. Von einem weiter entfernten Schiff war das Lied einer Fiedel zu hören, begleitet vom Klirren eines Schellenkranzes. Gleich dahinter pflügte sich ein Floß, breit wie ein Haus, gemächlich durch die Strömung. Es war beladen mit Kalk, Eibenholz und Ziegeln und hing so tief im Wasser, dass immer wieder kleine Wellen über die Stämme spülten. Der Floßmeister, der vor seiner notdürftig gezimmerten Hütte in der Mitte des behäbigen Gefährts stand, schlug eine Glocke, als ihm einige kleinere Fischerboote gefährlich nahe kamen.
Der Henker ließ ein paar Tabakswolken in den blauen, fast wolkenlosen Sommerhimmel steigen und versuchte für einige Minuten, den traurigen Grund seiner Reise zu vergessen. Sechs Tage war es nun her, dass ihn in seinem Haus in Schongau ein Brief aus dem fernen Regensburg erreicht hatte. Der Inhalt des Schreibens hatte ihn mehr getroffen, als Kuisl seiner Familie gegenüber hatte zeigen wollen. Seine jüngere Schwester Lisbeth, die seit Jahren als Ehefrau eines Baders in der fernen Reichsstadt lebte, war schwer krank. Von einer Geschwulst im Bauch war die Rede, von schrecklichen Schmerzen und schwarzem Ausfluss. In dem mit krakeligen Zeilen beschriebenen Pergament bat ihn sein Schwager, so bald wie möglich nach Regensburg zu kommen, da nicht sicher sei, wie lange Lisbeth noch lebte. Also hatte der Schongauer Henker den Arzneischrank in seiner Stube ausgeräumt, Schlafmohn, Arnika und Johanniskraut in seinen Leinensack gepackt und war auf das nächste Floß Richtung Donau gestiegen. Als Scharfrichter war es ihm eigentlich nicht gestattet, ohne Genehmigung des Rates die Stadt zu verlassen, aber Kuisl hatte sich über das Verbot einfach hinweggesetzt. Sollte ihn der Gerichtsschreiber Johann Lechner nach seiner Rückkehr doch vierteilen lassen! Das Schicksal seiner Schwester war ihm wichtiger. Kuisl traute den studierten Quacksalbern nicht, die Lisbeth vermutlich nur Blut abzapften, bis sie weiß war wie eine Wasserleiche. Wenn jemand seiner Schwester helfen konnte, dann nur er selbst und kein anderer.
Der Schongauer Scharfrichter tötete und heilte. In beidem war er ein Meister.
»He, Großer! Trinkst auch einen Schluck mit?«
Jäh aus seinen Gedanken gerissen sah Jakob Kuisl nach vorne, wo einer der Flößer ihm mit einem Glas zuprostete. Der Henker schüttelte den Kopf und schob seinen schwarzen Schlapphut in die Stirn, um sich vor der blendenden Sonne zu schützen. Seine große Hakennase ragte unter der Krempe hervor, darunter steckte die dampfende Stielpfeife. Verdeckt vom Hut musterte er Reisende und Flößer, die nun in der Mitte zwischen den Kisten standen und mit einem Schluck Branntwein auf den überstandenen Schrecken anstießen. Kuisl plagte ein Gedanke, der kam und ging wie eine lästige Schnake und der nur kurzzeitig durch die Strudel an der Langen Wand verdrängt worden war.
Seit seiner Abreise hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden.
Es war keine Gewissheit, nur ein Zusammenspiel aus Instinkt und jahrelanger Erfahrung, die er sich in seiner Zeit als Söldner im Großen Krieg erworben hatte. Ein leichtes Jucken zwischen den Schulterblättern. Er wusste nicht, wer ihn beobachtete und warum, aber das Jucken blieb.
Kuisl sah sich um. Unter den Passagieren befanden sich zwei Franziskanermönche und eine Nonne, ansonsten gab es fahrende Handwerker, Wandergesellen und einige einfache Kaufleute. Gemeinsam mit dem Henker waren sie eine Gruppe von etwa zwei Dutzend, die sich dem Konvoi der fünf Flöße angeschlossen hatten. Hier auf der Donau war es möglich, in nur einer Woche bis nach Wien, in drei Wochen sogar bis zum Schwarzen Meer zu reisen. Abends, wenn die Flöße gemeinsam am Ufer anlegten, traf man sich am Feuer, wechselte das eine oder andere Wort miteinander und erzählte von früheren Reisen und Gefahren. Nur Kuisl kannte niemanden und saß deshalb meist allein, was ihm nur recht war, hielt er doch die meis ten Menschen ohnehin für tratschsüchtige Einfaltspinsel. Von seinem Platz am Rand aus beobachtete der Henker jeden Abend die Männer und Frauen, wie sie um das Feuer saßen, lachten, billigen Wein tranken und an ihren Hammelkeulen nagten. Und immer wieder glaubte er einen Blick zu spüren, der unentwegt auf ihn gerichtet war. Auch jetzt zur Mittagszeit juckte es ihn wie von einem kleinen Käfer zwischen den Schulterblättern.
Jakob Kuisl ließ die Beine vom Holzfass baumeln und tat gelangweilt. Er stopfte seine Pfeife neu und blickte hin zum fernen Ufer, als würde er dort die Horde von Kindern mustern, die ihm von der Böschung aus zuwinkten.
Ganz plötzlich jedoch wendete er seinen Kopf Richtung Heck.
Für den Bruchteil einer Sekunde bemerkte er, wie eine Gestalt zu ihm herüberstarrte. Es war der zweite Steuermann, der das Ruder am hinteren Teil des Floßes führte. Soweit sich Kuisl erinnern konnte, war er in Schongau zugestiegen. Der Mann war beleibt und fast so groß wie der Henker, an der Seite seines blauen Jankers baumelte ein unterarmlanger Hirschfänger. Seine Schultern waren breit, ein mächtiger Bauch wölbte sich über den kupfernen Gürtel und die Kniehose, die in groben, hohen Lederstiefeln steckte. Auf dem Kopf trug er den bei Flößern üblichen Stopselhut. Am auffälligsten aber war das Gesicht des Mannes. Die gesamte rechte Hälfte war ein zerfurchter Acker von kleinen Kratern und Narben, die vermutlich von starken Verbrennungen herrührten. Über einer Augenhöhle hatte der Mann eine schwarze Klappe; hinzu kam ein rötlich schimmernder Narbenwulst, der von der Stirn bis zum Kinn reichte und wie ein fetter Wurm hin und her zu zucken schien.
Kurz hatte Jakob Kuisl das Gefühl, kein Gesicht, sondern eine Fratze vor sich zu sehen.
Eine Fratze des Hasses.
Der Augenblick verging, und der Steuermann beugte sich wieder über sein Ruder. Er hatte sich vom Henker abgewandt, als hätte ihr kurzer Blickkontakt nie existiert.
Ein Bild aus der Vergangenheit huschte durch Kuisls Kopf, doch er konnte es nicht fassen. Träge floss die Donau an ihm vorüber und nahm die Erinnerung mit. Was blieb, war eine vage Ahnung.
Wo um alles in der Welt ...?
Jakob Kuisl kannte diesen Mann. Er wusste nicht woher, aber sein Instinkt warnte ihn. Der Schongauer Scharfrichter hatte als Söldner im Großen Krieg die verschiedensten Menschen kennengelernt, Feige und Tapfere, Aufrechte und Verschlagene, Opfer und Mörder, darunter viele, die der Krieg wahnsinnig gemacht hatte. Eins konnte Kuisl mit Sicherheit sagen: Der Mann, der nur wenige Schritte von ihm entfernt gemächlich die Ruderstange durch das Wasser zog, war gefährlich. Gerissen und gefährlich.
Behäbig rückte der Henker den Knüppel aus Lärchenholz an seinem Gürtel zurecht. Alles in allem kein Grund zur Sorge. Es gab genügend Menschen, die das Gleiche von ihm behaupteten.
Die Woge erwischte Jakob Kuisl von vorne und spülte ihn wie ein Stück Treibholz von der Bank.
Der Henker schlitterte über die rutschigen Balken, griff wild um sich auf der Suche nach irgendeinem Halt, bis er plötzlich spürte, wie seine Füße in die gurgelnden Strudel des Flusses tauchten. Langsam, aber unerbittlich zog ihn sein eigenes Gewicht von fast zwei Zentnern ins kalte Wasser. Seine Fingernägel schabten über die Planken, ganz aus der Nähe konnte er wie durch eine Wand hindurch aufgeregte Schreie vernehmen. Endlich bekam er mit der rechten Hand einen ins Holz geschlagenen Zimmermannsnagel zu fassen. Kuisl hievte sich daran hoch, als ein weiterer Körper an ihm vorbei auf den Fluss zu-rutschte. Mit seiner freien Hand griff er danach und erwischte einen etwa zehnjährigen Jungen am Kragen, der wild zappelte und nach Luft japste. Der Henker schob ihn zurück in die Mitte des Floßes, wo ein erleichterter Vater den Knaben in die Arme schloss.
Keuchend kroch Jakob Kuisl hinterher und nahm wieder auf der Bank vorne am Bug Platz. Sein Leinenhemd und der Lederkoller klebten ihm am Oberkörper, Wasser rann über Gesicht, Bart und Augenbrauen. Als er den Blick nach vorne richtete, erkannte er, dass ihnen das Schlimmste noch bevorstand. Zu ihrer Linken ragte eine gewaltige, bestimmt vierzig Schritt hohe Wand auf, der die Reisenden nun hilflos entgegentrudelten. Hier, in der Weltenburger Enge, war die Donau so schmal wie fast nirgendwo sonst. Ein vor allem bei Hochwasser brodelnder Hexenkessel, der schon so manchen Flößer das Leben gekostet hatte.
»Bei Gott, festhalten! Haltet's euch fest, um Himmels willen!«
Der vordere Steuermann stemmte sich gegen das Ruder, als das Floß in einen weiteren Strudel tauchte. Muskelstränge traten an seinen Armen hervor wie knorrige Wurzeln, doch die lange Stange in seinen Händen bewegte sich keinen Zentimeter. Die schweren Gewitterregen der letzten Tage hatten den Fluss stark anschwellen lassen, so dass die sonst so lauschigen Kiesbänke am Ufer vollkommen verschwunden waren. Äste und entwurzelte Bäume trieben in der weißen Gischt vorüber. Schneller, immer schneller schoss das breite Floß auf die Felswand zu. Jakob Kuisl hörte neben sich ein hässliches Geräusch, als die Fichtenstämme am Kalkstein entlangschrammten. Die Wand war nun direkt über ihnen, ein steinerner Gigant, der seinen Schatten auf die kleine Gruppe Menschen warf. Scharfe Kanten gruben sich in die linke Floßseite und schnitten den äußersten Fichtenstamm der Länge nach auf wie einen Laib Brot.
»Heiliger Nepomuk, steh uns bei! Gütige Jungfrau Maria, hilf uns in unserer Not! Seliger Nikolaus, verschone uns ...«
Kuisl blickte mürrisch zur Seite, wo eine Klosterschwester sich an einen elfenbeinernen Rosenkranz klammerte und unablässig ihre Gebete in den wolkenlosen Himmel greinte. Auch die anderen Reisenden auf den Holzbänken murmelten mit kreidebleichen Gesichtern Fürbitten und bekreuzigten sich. Ein fetter Großbauer wartete mit geschlossenen Augen und Schweißperlen auf der Stirn auf sein sicheres Ende, ein Franziskanermönch rief mit sich überschlagender Fistelstimme die vierzehn Notheiligen an. Der kleine Junge, den Jakob Kuisl soeben vor dem Ertrinken bewahrt hatte, klammerte sich an seinen Vater und weinte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Fels die zusammengeschnürten Stämme zermalmt haben würde. Die wenigsten der Menschen auf dem Floß konnten schwimmen, aber es war ohnehin fraglich, ob ihnen das in den reißenden Strudeln geholfen hätte.
»Dreckswasser, vermaledeites!«
Kuisl spuckte aus und warf sich nach vorne, wo der Steuermann noch immer versuchte, das mit Tauen am Bug befestigte Ruder herumzureißen. Der Schongauer Henker stellte sich breitbeinig neben den Flößer und drückte mit seinem stämmigen Oberkörper gegen die Stange. Es fühlte sich an, als hätte sich das Steuerruder in irgendetwas tief unten im eiskalten Flusswasser verfangen. Kuisl gingen die Schauergeschichten der Flößer durch den Kopf, die von schleimigen, bösartigen Ungeheuern am Grunde des Flusses zu berichten wussten. Erst gestern hatten ihm Fischer von einem fünf Schritt langen Waller erzählt, der im Donaudurchbruch in einer Höhle hausen sollte. Was in Dreiteufelsnamen drückte dort unten gegen die Stange?
Mit einem Mal spürte er, wie das Ruder sich ein winziges Stück bewegen ließ. Ächzend stemmte er weiter, er hatte das Gefühl, dass seine Knochen jeden Moment brechen müssten. Ein letztes Knirschen, und plötzlich gab das Ruder nach, das Floß drehte sich gegen den Strudel und wurde mit einer letzten schaukelnden Bewegung von der Felswand förmlich wegkatapultiert.
Nur Augenblicke später trieben sie pfeilschnell auf drei kleine felsige Inseln auf der rechten Uferseite zu, wieder schrien einige der Reisenden auf, doch der Flößer hatte mittlerweile wieder die Kontrolle über sein Gefährt. Das Floß rauschte an den von Gischt umspülten Felskuppen vorbei, noch einmal tauchte es mit dem Bug tief in das Wasser ein; dann hatten sie die gefährliche Flussenge passiert.
»Einen schönen Dank auch!« Der Steuermann wischte sich Schweiß und Wasser aus den Augen und reichte Kuisl seine schwielige Hand. »Um ein Haar hätt sich die Lange Wand uns alle zur Vesper schmecken lassen. Magst ned auch Flößer werden?« Er griente Kuisl an, während er gleichzeitig dessen Bizeps abtastete. »Kraft hast wie zwei Ochsen und fluchen kannst auch schon wie unsereins. Also, wie wär's?«
Jakob Kuisl schüttelte den Kopf. »Vergelt's Gott. Aber ihr hättet keine Freud mit mir. Noch so ein Strudel, und ich speib euch ins Wasser. Ich brauch die Erde unter den Füßen.«
Der Flößer lachte, und Kuisl schüttelte die nassen zottigen Haare, so dass die Tropfen in alle Richtungen spritzten.
»Wie lang wird's noch bis Regensburg sein?«, fragte er den Steuermann. »Dieser Fluss macht mich noch ganz damisch. War bestimmt das zehnte Mal, dass ich gedacht hab, um uns ist's geschehen.«
Jakob Kuisl blickte zurück, wo noch immer die Felswände links und rechts des Flusses emporragten. Manche von ihnen erinnerten ihn an versteinerte Untiere oder an Köpfe von Riesen, die auf das Gewusel der winzigen Sterblichen tief unter ihnen hinabstarrten. Kurz davor hatten sie das Weltenburger Kloster passiert, eine von Krieg und Hochwasser zerfressene Ruine. Trotz ihres traurigen Zustands suchte sie noch so mancher Donaureisende für ein stilles Gebet auf. Die darauffolgende Fluss enge galt gerade nach starken Regenfällen als echte Herausforderung für jeden Flößer - ein paar Vaterunser vorher konnten da sicher nicht schaden.
»Die Lange Wand ist bei Gott die schlimmste Stelle«, sagte der Steuermann und schlug ein Kreuz. »Besonders bei Hochwasser. Aber jetzt geht's friedlich dahin, mein Wort. In ein paar Stunden sollten wir ankommen.«
»Ich hoff, du hast recht«, knurrte der Henker. »Sonst zieh ich dir dein gottverdammtes Ruder über den Rücken.«
Jakob Kuisl wandte sich ab und tapste mit vorsichtigen Schritten den schmalen, glitschigen Gang zwischen den Bankreihen entlang nach hinten, wo die Ladung in Fässern und Kisten verstaut war. Das Reisen auf dem Floß war ihm zuwider, auch wenn es sicherlich die schnellste und immer noch sicherste Art war, in eine andere Stadt zu kommen. Der Henker liebte es, festen Waldboden unter seinen Füßen zu spüren. Aus Holzstämmen baute man Häuser, Tische und meinetwegen Galgen, aber man stolperte nicht über sie, während sie durch reißendes Wasser schaukelten. Kuisl war froh, wenn das Geschaukel bald ein Ende hatte.
Dankbar musterten ihn die Reisenden, die mittlerweile wieder etwas Farbe im Gesicht hatten und vor Erleichterung beteten oder laut lachten. Der Vater des geretteten Jungen wollte Kuisl an die Brust drücken, doch der Henker wischte den Mann beiseite und verschwand brummend zwischen den verzurrten Kisten.
Hier, auf der Donau, vier Tagesreisen von seiner Heimat entfernt, wussten weder Passagiere noch Mann schaft, dass Jakob Kuisl der Schongauer Scharfrichter war. Für den vorderen Steuermann war dies ein Glücksfall. Hätte sich herumgesprochen, dass ein Henker dem Flößer beim Rudern geholfen hatte, der Mann wäre vermutlich aus seiner Zunft verstoßen worden. Kuisl hatte davon gehört, dass in manchen Gegenden die Berührung, ja allein schon der Blick eines Scharfrichters ehrlos machen konnte.
Jakob Kuisl kletterte auf ein Fass gepökelter Heringe im hinteren Teil der Ladung und steckte sich seine Pfeife an. Jetzt, hinter der berüchtigten Weltenburger Enge, wurde die Donau wieder breiter. Das Städtchen Kelheim tauchte linker Hand auf, schwer bepackte Kähne glitten so nah am Floß vorbei, dass Kuisl ihre Ladung fast berühren konnte. Von einem weiter entfernten Schiff war das Lied einer Fiedel zu hören, begleitet vom Klirren eines Schellenkranzes. Gleich dahinter pflügte sich ein Floß, breit wie ein Haus, gemächlich durch die Strömung. Es war beladen mit Kalk, Eibenholz und Ziegeln und hing so tief im Wasser, dass immer wieder kleine Wellen über die Stämme spülten. Der Floßmeister, der vor seiner notdürftig gezimmerten Hütte in der Mitte des behäbigen Gefährts stand, schlug eine Glocke, als ihm einige kleinere Fischerboote gefährlich nahe kamen.
Der Henker ließ ein paar Tabakswolken in den blauen, fast wolkenlosen Sommerhimmel steigen und versuchte für einige Minuten, den traurigen Grund seiner Reise zu vergessen. Sechs Tage war es nun her, dass ihn in seinem Haus in Schongau ein Brief aus dem fernen Regensburg erreicht hatte. Der Inhalt des Schreibens hatte ihn mehr getroffen, als Kuisl seiner Familie gegenüber hatte zeigen wollen. Seine jüngere Schwester Lisbeth, die seit Jahren als Ehefrau eines Baders in der fernen Reichsstadt lebte, war schwer krank. Von einer Geschwulst im Bauch war die Rede, von schrecklichen Schmerzen und schwarzem Ausfluss. In dem mit krakeligen Zeilen beschriebenen Pergament bat ihn sein Schwager, so bald wie möglich nach Regensburg zu kommen, da nicht sicher sei, wie lange Lisbeth noch lebte. Also hatte der Schongauer Henker den Arzneischrank in seiner Stube ausgeräumt, Schlafmohn, Arnika und Johanniskraut in seinen Leinensack gepackt und war auf das nächste Floß Richtung Donau gestiegen. Als Scharfrichter war es ihm eigentlich nicht gestattet, ohne Genehmigung des Rates die Stadt zu verlassen, aber Kuisl hatte sich über das Verbot einfach hinweggesetzt. Sollte ihn der Gerichtsschreiber Johann Lechner nach seiner Rückkehr doch vierteilen lassen! Das Schicksal seiner Schwester war ihm wichtiger. Kuisl traute den studierten Quacksalbern nicht, die Lisbeth vermutlich nur Blut abzapften, bis sie weiß war wie eine Wasserleiche. Wenn jemand seiner Schwester helfen konnte, dann nur er selbst und kein anderer.
Der Schongauer Scharfrichter tötete und heilte. In beidem war er ein Meister.
»He, Großer! Trinkst auch einen Schluck mit?«
Jäh aus seinen Gedanken gerissen sah Jakob Kuisl nach vorne, wo einer der Flößer ihm mit einem Glas zuprostete. Der Henker schüttelte den Kopf und schob seinen schwarzen Schlapphut in die Stirn, um sich vor der blendenden Sonne zu schützen. Seine große Hakennase ragte unter der Krempe hervor, darunter steckte die dampfende Stielpfeife. Verdeckt vom Hut musterte er Reisende und Flößer, die nun in der Mitte zwischen den Kisten standen und mit einem Schluck Branntwein auf den überstandenen Schrecken anstießen. Kuisl plagte ein Gedanke, der kam und ging wie eine lästige Schnake und der nur kurzzeitig durch die Strudel an der Langen Wand verdrängt worden war.
Seit seiner Abreise hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden.
Es war keine Gewissheit, nur ein Zusammenspiel aus Instinkt und jahrelanger Erfahrung, die er sich in seiner Zeit als Söldner im Großen Krieg erworben hatte. Ein leichtes Jucken zwischen den Schulterblättern. Er wusste nicht, wer ihn beobachtete und warum, aber das Jucken blieb.
Kuisl sah sich um. Unter den Passagieren befanden sich zwei Franziskanermönche und eine Nonne, ansonsten gab es fahrende Handwerker, Wandergesellen und einige einfache Kaufleute. Gemeinsam mit dem Henker waren sie eine Gruppe von etwa zwei Dutzend, die sich dem Konvoi der fünf Flöße angeschlossen hatten. Hier auf der Donau war es möglich, in nur einer Woche bis nach Wien, in drei Wochen sogar bis zum Schwarzen Meer zu reisen. Abends, wenn die Flöße gemeinsam am Ufer anlegten, traf man sich am Feuer, wechselte das eine oder andere Wort miteinander und erzählte von früheren Reisen und Gefahren. Nur Kuisl kannte niemanden und saß deshalb meist allein, was ihm nur recht war, hielt er doch die meis ten Menschen ohnehin für tratschsüchtige Einfaltspinsel. Von seinem Platz am Rand aus beobachtete der Henker jeden Abend die Männer und Frauen, wie sie um das Feuer saßen, lachten, billigen Wein tranken und an ihren Hammelkeulen nagten. Und immer wieder glaubte er einen Blick zu spüren, der unentwegt auf ihn gerichtet war. Auch jetzt zur Mittagszeit juckte es ihn wie von einem kleinen Käfer zwischen den Schulterblättern.
Jakob Kuisl ließ die Beine vom Holzfass baumeln und tat gelangweilt. Er stopfte seine Pfeife neu und blickte hin zum fernen Ufer, als würde er dort die Horde von Kindern mustern, die ihm von der Böschung aus zuwinkten.
Ganz plötzlich jedoch wendete er seinen Kopf Richtung Heck.
Für den Bruchteil einer Sekunde bemerkte er, wie eine Gestalt zu ihm herüberstarrte. Es war der zweite Steuermann, der das Ruder am hinteren Teil des Floßes führte. Soweit sich Kuisl erinnern konnte, war er in Schongau zugestiegen. Der Mann war beleibt und fast so groß wie der Henker, an der Seite seines blauen Jankers baumelte ein unterarmlanger Hirschfänger. Seine Schultern waren breit, ein mächtiger Bauch wölbte sich über den kupfernen Gürtel und die Kniehose, die in groben, hohen Lederstiefeln steckte. Auf dem Kopf trug er den bei Flößern üblichen Stopselhut. Am auffälligsten aber war das Gesicht des Mannes. Die gesamte rechte Hälfte war ein zerfurchter Acker von kleinen Kratern und Narben, die vermutlich von starken Verbrennungen herrührten. Über einer Augenhöhle hatte der Mann eine schwarze Klappe; hinzu kam ein rötlich schimmernder Narbenwulst, der von der Stirn bis zum Kinn reichte und wie ein fetter Wurm hin und her zu zucken schien.
Kurz hatte Jakob Kuisl das Gefühl, kein Gesicht, sondern eine Fratze vor sich zu sehen.
Eine Fratze des Hasses.
Der Augenblick verging, und der Steuermann beugte sich wieder über sein Ruder. Er hatte sich vom Henker abgewandt, als hätte ihr kurzer Blickkontakt nie existiert.
Ein Bild aus der Vergangenheit huschte durch Kuisls Kopf, doch er konnte es nicht fassen. Träge floss die Donau an ihm vorüber und nahm die Erinnerung mit. Was blieb, war eine vage Ahnung.
Wo um alles in der Welt ...?
Jakob Kuisl kannte diesen Mann. Er wusste nicht woher, aber sein Instinkt warnte ihn. Der Schongauer Scharfrichter hatte als Söldner im Großen Krieg die verschiedensten Menschen kennengelernt, Feige und Tapfere, Aufrechte und Verschlagene, Opfer und Mörder, darunter viele, die der Krieg wahnsinnig gemacht hatte. Eins konnte Kuisl mit Sicherheit sagen: Der Mann, der nur wenige Schritte von ihm entfernt gemächlich die Ruderstange durch das Wasser zog, war gefährlich. Gerissen und gefährlich.
Behäbig rückte der Henker den Knüppel aus Lärchenholz an seinem Gürtel zurecht. Alles in allem kein Grund zur Sorge. Es gab genügend Menschen, die das Gleiche von ihm behaupteten.
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Autoren-Porträt von Oliver Pötzsch
Seine blutige Familiengeschichte beschäftigt Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, bereits seit der Kindheit. Bei seinen Recherchen stieß er auf die Folterwerkzeuge seiner Ahnen und einen Meisterbrief, der sei-nem Vorfahren eine 'besondere Kunstfertigkeit beim Köpfen' bescheinigt. Er fand außerdem heraus, dass das Richtschwert der Familie in den 70ern des letzten Jahrhunderts aus einem Heimatmuseum ge-stohlen wurde und seitdem verschollen ist. Sein 2008 erschienener Roman „Die Henkerstochter" wur-de für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Der Autor arbeitet für den Bayrischen Rundfunk und lebt in München.Autoren-Interview mit Oliver Pötzsch
Herr Pötzsch, Sie selbst sind ein Nachfahre der Kuisls, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert eine der bekanntesten Henker-Dynastien Bayerns waren. Gruselig, oder? Wie fühlen Sie sich als Teil dieser Familie?Oliver Pötzsch: Gott sei Dank glaube ich nicht an Erbschuld, sonst müsste ich mir bei 14 Scharfrichtern in der Familie schon Sorgen machen. Für mich sind die Geschichten rund um unsere Ahnen eher ein spannender Anekdotenschatz. Mittlerweile geht es mir aber auch ein bisschen darum, die Ehre meiner Vorfahren zu retten. Für die meisten ist der Henker ja nach wie vor nur der Fiesling mit der Kapuze. Welcher Mensch hinter dieser Kapuze steckte, diese Mischung aus Außenseiter und begehrtem Heilkundigen, das ist ja weitgehend unbekannt.
Inwiefern hat Ihre Familiengeschichte Einfluss auf Ihr heutiges Leben?
Oliver Pötzsch: Im Archiv eines Verwandten bin ich bei der Recherche auf unseren Stammbaum gestoßen, der fast 500 Jahre zurückgeht. Das sind vergilbte Dokumente, auf denen ganz unten mein eigener Name und der meiner Kinder auftaucht. Da läuft einem schon ein leichter Schauer über den Rücken. Ich war schon immer ein Familienmensch. Aber seit ich mich näher mit meinen Ahnen befasse, spüre ich doch, wie wichtig der familiäre Verband ist. Dieses Gefühl, einer größeren Gemeinschaft anzugehören. Ich glaube, das Bedürfnis danach nimmt gerade in der heutigen Zeit wieder stark zu.
Ist Ihre Idee zum Buch durch Ihre Recherchen entstanden? Oder recherchierten Sie aufgrund Ihrer Buchidee?
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Oliver Pötzsch: Ich habe vor einigen Jahren für den Bayerischen Rundfunk eine längere Sendung zum Thema „Henker in Bayern" verfasst. Während der Recherche merkte ich sehr schnell, dass dieses Thema sich ideal für ein Buch eignet. Ein von der Gesellschaft Ausgestoßener, der berühmt ist für sein Wissen sowohl in der Medizin als auch in der Magie. Ein Mensch, der laut Gesetz töten muss. Mich wundert es eigentlich, dass nicht schon mehr Autoren den Henker als Romanfigur entdeckt haben.
Wie und wo haben Sie recherchiert? Wie müssen wir uns das vorstellen?
Oliver Pötzsch: Der mittlerweile verstorbene Cousin meiner Großmutter hat sich fast sein ganzes Leben mit dem Themen Ahnenforschung und Scharfrichterei beschäftigt. Darauf greife ich immer wieder zurück. Ansonsten habe ich im Schongauer Stadtmuseum und in den dortigen Archiven gestöbert. Besonders Spaß haben mir die Rätsel im zweiten Buch gemacht. Ich bin mit dem Rad quer durch den Pfaffenwinkel gefahren und habe in den Klöstern nach interessanten Details Ausschau gehalten. Jedes meiner Rätsel hat deshalb einen wahren historischen Kern.
Haben Sie einen Lieblingscharakter? Mit welcher der Figuren identifizieren Sie sich am stärksten?
Oliver Pötzsch: Ganz eindeutig mit dem Schongauer Medicus Simon Fronwieser, vielleicht weil ich ja aus einer Arztfamilie stamme. Aber auch, weil ich seine Leidenschaft für Bücher und Kaffee teile und eher ein Angsthase bin. Das misanthropische Gemüt des Henkers liegt mir allerdings auch. Ich kann schon ein grimmiger einsilbiger Brocken sein, fragen Sie mal meine Frau. Dieses Kuisl-Temperament wird offenbar in unserer Familie weiter vererbt.
Oliver Pötzsch: Ich habe vor einigen Jahren für den Bayerischen Rundfunk eine längere Sendung zum Thema „Henker in Bayern" verfasst. Während der Recherche merkte ich sehr schnell, dass dieses Thema sich ideal für ein Buch eignet. Ein von der Gesellschaft Ausgestoßener, der berühmt ist für sein Wissen sowohl in der Medizin als auch in der Magie. Ein Mensch, der laut Gesetz töten muss. Mich wundert es eigentlich, dass nicht schon mehr Autoren den Henker als Romanfigur entdeckt haben.
Wie und wo haben Sie recherchiert? Wie müssen wir uns das vorstellen?
Oliver Pötzsch: Der mittlerweile verstorbene Cousin meiner Großmutter hat sich fast sein ganzes Leben mit dem Themen Ahnenforschung und Scharfrichterei beschäftigt. Darauf greife ich immer wieder zurück. Ansonsten habe ich im Schongauer Stadtmuseum und in den dortigen Archiven gestöbert. Besonders Spaß haben mir die Rätsel im zweiten Buch gemacht. Ich bin mit dem Rad quer durch den Pfaffenwinkel gefahren und habe in den Klöstern nach interessanten Details Ausschau gehalten. Jedes meiner Rätsel hat deshalb einen wahren historischen Kern.
Haben Sie einen Lieblingscharakter? Mit welcher der Figuren identifizieren Sie sich am stärksten?
Oliver Pötzsch: Ganz eindeutig mit dem Schongauer Medicus Simon Fronwieser, vielleicht weil ich ja aus einer Arztfamilie stamme. Aber auch, weil ich seine Leidenschaft für Bücher und Kaffee teile und eher ein Angsthase bin. Das misanthropische Gemüt des Henkers liegt mir allerdings auch. Ich kann schon ein grimmiger einsilbiger Brocken sein, fragen Sie mal meine Frau. Dieses Kuisl-Temperament wird offenbar in unserer Familie weiter vererbt.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Oliver Pötzsch
- 2010, 11. Aufl., 592 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548281141
- ISBN-13: 9783548281148
- Erscheinungsdatum: 12.08.2010
Rezension zu „Henkerstochter Band 3: Die Henkerstochter und der König der Bettler “
»Die historisch authentischen Details bilden die Würze in seiner phantasiereichen, stringent konstruierten Kriminalgeschichte.« Süddeutsche Zeitung
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