Kafka am Strand
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"Kafka am Strand" ist der ungewöhnlichste Entwicklungs- und Liebesroman, den wir bisher von Japans Kultautor gelesen haben: zeitlos und ortlos, voller Märchen und Mythen, zwischen Traum und Wirklichkeit - und dabei voller Weisheit. "Kafka am Strand" ist in Japan seit seinem Erscheinen ein Bestseller. In Deutschland wird die erste Übersetzung erscheinen."Als mein fünfzehnter Geburtstag gekommen war, ging ich von zu Hause fort, um in einer fernen, fremden Stadt in einem Winkel einer kleinen Bibliothek zu leben. Wenn ich alles der Reihe nach erzähle, brauche ich dafür wahrscheinlich eine Woche. Wenn ich stattdessen zunächst nur die wichtigen Punkte aufführe, dauert es ungefähr genauso lange. Das klingt vielleicht wie der Beginn eines Märchens. Aber es ist kein Märchen. In keinem Sinne." Der Erzähler dieser Zeilen heißt Kafka Tamura und seine Reise führt in Wirklichkeit aus der realen Welt hinaus in sein eigenes Inneres, entlang an den Ufern des Bewusstseins. Eine schicksalhafte Prophezeiung, der Geschichte von Ödipus gleich, lenkt Kafkas labyrinthischen Weg. "Kafka am Strand" heißt das Bild an der Wand von Saeki, der rätselhaften Leiterin jener kleinen Bibliothek. Und "Kafka am Strand" heißt auch der Song aus der Zeit, als Saeki noch Pianistin war und einen jungen Mann leidenschaftlich liebte, sie waren ein Paar wie Romeo und Julia. Die Wege des Erzählers Kafka kreuzen sich auf geheimnisvolle Weise mit den ihren und denen eines alten Mannes, der die Sprache der Katzen versteht und Spuren folgt, die in eine andere Welt weisen.
"Ein außergewöhnliches Leseerlebnis, voll Abenteuer, Magie und Sehnsucht." Freundin
"Ein furioses, modernes Märchen, in dem auch schon mal Sardinen und Blutegel vom Himmel regnen." Der Spiegel
"Eine grandios-versponnene Geschichte." Focus
Kafka am Strand von Haruki Murakami
LESEPROBE
Als ich fortgehe, nehme ich nicht nur ohne zu fragen Geldaus dem Arbeitszimmer meines Vaters, sondern auch ein kleines goldenes Feuerzeug(dessen Design und Gewicht mir gefallen) und ein Klappmesser mit einerscharfen Schneide. Es dient zum Häuten von Wild und liegt gut und schwer in derHand. Die Klinge ist zwölf Zentimeter lang. Vielleicht ein Souvenir von einerAuslandsreise. Außerdem nehme ich noch eine starke Taschenlampe aus derSchreibtischschublade. Und seine Sonnenbrille brauche ich, um mein Alter zukaschieren. Eine dunkelblaue Rebo-Sonnenbrille.
Ich überlege, ob ich auch die geliebte Sea-Oyster-Rolexmeines Vaters mitnehmen soll, entscheide mich aber am Ende dagegen. Die Schönheitder Uhr als Maschine verlockt mich, aber ein so kostspieliges Ding kannunnötige Aufmerksamkeit erregen. Vom praktischen Standpunkt genügt diePlastik-Casio mit Stoppuhr und Wecker, die ich ständig am Arm trage. Sie istauch leichter zu bedienen. Ich lege die Rolex wieder in die Schublade zurück.
Außerdem nehme ich ein Kinderfoto von mir und meiner älterenSchwester mit, das sich ebenfalls in der Schreibtischschublade befindet. Wirbeide stehen an einem Strand und lachen vergnügt. Meine Schwester schaut zurSeite, und die eine Hälfte ihres Gesichts liegt im Schatten. Deshalb erscheintes wie in der Mitte geteilt. Wie eine griechische Theatermaske, von der ichein Bild in einem Schulbuch gesehen habe, trägt ihr Gesicht zwei Bedeutungen.Licht und Schatten. Hoffnung und Verzweiflung. Lachen und Trauer. Vertrauen undEinsamkeit. Ich hingegen blicke unbefangen direkt in die Kamera. Außer unsbeiden ist an dem Strand niemand zu sehen. Wir haben Schwimmkleidung an, meineSchwester einen rot geblümten Badeanzug und ich eine schäbige, blaue,ausgeleierte Badehose. Ich halte etwas in der Hand, das aussieht wie einPlastikstock. Der weiße Schaum der Wellen umspült unsere Füße.
Wer wohl dieses Foto wo und wann aufgenommen hat? Warum macheich ein so vergnügtes Gesicht? Warum hat mein Vater gerade dieses Fotoaufbewahrt? Rätsel über Rätsel. Ich bin wahrscheinlich drei und meine Schwesterungefähr neun. Offensichtlich haben wir uns sehr gut verstanden. Ich habe nichtdie geringste Erinnerung an einen Familienausflug ans Meer. Überhaupterinnere ich mich nicht daran, jemals irgendwohin gefahren zu sein. Keinesfallswill ich meinem Vater die alte Fotografie lassen, also stecke ich sie in meineBrieftasche. Von meiner Mutter gibt es keine Aufnahmen. Wahrscheinlich hat meinVater sie alle weggeworfen.
Nach kurzem Zögern beschließe ich, auch das Mobiltelefon mitzunehmen.Wahrscheinlich wird mein Vater, wenn er sein Fehlen bemerkt, den Vertrag mitder Telefongesellschaft sowieso gleich kündigen. Es wäre dann zu nichts mehrnütze. Dennoch packe ich es in meinen Rucksack. Das Ladegerät nehme ich auchmit. Immerhin ist das Zeug leicht. Wenn ich merke, dass das Handy tot ist, kannich es immer noch fortwerfen.
Ich will nur das Allernotwendigste mitnehmen. Amschwierigsten ist die Kleiderfrage. Wie viel Unterwäsche werde ich brauchen?Wie viele Pullover? Hemden, Hosen, Handschuhe, Schal, Shorts, einen Mantel?Nachdem ich einmal angefangen habe, darüber nachzudenken, wird die Liste immerlänger. Eins ist jedoch klar: Schleppe ich zu viel mit mir herum, wird man mirden Ausreißer gleich ansehen. So kann ich nicht in einer fremden Gegendherumlaufen, ohne sofort Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Dann werde ich vonder Polizei aufgegriffen und postwendend nach Hause zurückgeschickt. Oder ich falleirgendwelchen Finsterlingen in die Hände.
Lieber nicht in eine kalte Gegend fahren, ist meine nächste Schlussfolgerung.Ganz einfach. Also begebe ich mich eben in wärmere Gefilde.
Dann brauche ich auch keinen Mantel. Handschuhe auch nicht.Wenn ich mich nicht vor Kälte schützen muss, reduziert sich die Menge der notwendigenKleidungsstücke um die Hälfte. Ich wähle möglichst leichte, dünne Sachen, diesich problemlos waschen lassen und schnell trocknen, und stopfe sie kleingefaltet in den Rucksack. Außer den Sachen zum Anziehen nehme ich meinenDrei-Jahreszeiten-Schlafsack mit, den ich so fest zusammenrolle, dass keineLuft mehr darin ist, einen einfachen Waschbeutel, ein Regencape, Heft undKugelschreiber, einen Mini-Discman von Sony, mit dem man aufnehmen kann, zehn CDs(Musik brauche ich unbedingt) und einen Extrasatz aufladbare Batterien. Aufeinen Campingkocher verzichte ich. Zu schwer und zu sperrig. Lebensmittel kannich im Supermarkt kaufen. Es dauert eine Weile, bis die Liste der Dinge, dieich mitnehmen werde, auf eine annehmbare Länge geschrumpft ist. Ein ums andereMal schreibe ich Dinge dazu, bloß um sie wieder zu streichen.
Mein fünfzehnter Geburtstag erscheint mir als ein passenderZeitpunkt für meine Flucht. Davor ist es zu früh, danach vielleicht zu spät.
In den zwei Jahren, die ich bis jetzt auf der Mittelschulebin, habe ich intensiv für diesen Tag trainiert. Seit der Grundschule bin ichin einem Judo-Verein, den ich auch als Mittelschüler weiter besuche. An densportlichen Aktivitäten in meiner Schule nehme ich allerdings nicht teil. Wennich Zeit habe, drehe ich einsame Runden auf dem Sportplatz, schwimme odertreibe Kraftsport an den Geräten im kommunalen Turnverein. Die jungen Trainerdort zeigen mir, wie man richtig dehnt und an den Geräten arbeitet. Wie kannich die Leistung aller meiner Muskeln gleichmäßig steigern? Welche Muskelnbenutze ich im täglichen Leben und welche kann ich nur durch Kraftsport aufbauen?Was ist die korrekte Haltung auf den Bänken? Glücklicherweise bin ich von Naturaus groß, und dank meines täglichen Trainings habe ich breite Schultern undeinen muskulösen Brustkorb entwickelt.
Fremde würden mich mittlerweile wahrscheinlich aufmindestens siebzehn schätzen. Mit der äußeren Erscheinung einesFünfzehnjährigen bekäme ich garantiert überall Probleme.
Außer mit den Trainern im Sportverein und der Haushaltshilfe,die jeden zweiten Tag zu uns kommt und ein paar beiläufige Worte mit mirwechselt, sowie bei ein paar unvermeidlichen Gesprächen in der Schule rede ichmit fast niemandem. Meinen Vater bekomme ich seit eh und je nur selten zuGesicht. Obwohl wir in einem Haus leben, haben wir einen sehrunterschiedlichen Lebensrhythmus. Mein Vater ist fast den ganzen Tag in seinemAtelier. Unnötig zu erwähnen, dass ich stets darauf bedacht bin, ihm so wenigwie möglich zu begegnen.
Die Schule, auf die ich gehe, ist eine Privatschule, die zumGroßteil von Kindern aus besseren oder zumindest wohlhabenden Familien besuchtwird. Solange man keinen allzu großen Unsinn fabriziert, kann man sie bis zumAbitur besuchen. Alle dort haben gerade Zähne, sind adrett gekleidet und redenlangweiliges Zeug. Natürlich bin ich in meiner Klasse bei keinem beliebt. Ummich herum habe ich eine hohe Mauer gezogen, hinter der ich mich verschanze.Anderen verweigere ich jeden Zutritt. So einen mag natürlich niemand. MeineMitschüler meiden mich und betrachten mich mit Argwohn. Oder sie finden mich unangenehmoder fürchten sich vielleicht sogar ab und zu vor mir. Aber eigentlich bin ichfast dankbar, wenn niemand mich beachtet. Denn das, was ich allein tun muss,türmt sich vor mir auf wie ein Berg. Meine Freizeit verbringe ich in derSchulbibliothek, wo ich ein Buch nach dem anderen verschlinge.
Dem Unterricht hingegen folge ich mit großem Eifer, denn dashat mir Krähe besonders ans Herz gelegt.
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©Verlagsgruppe Random House
Übersetzung:Ursula Gräfe
- Autor: Haruki Murakami
- 2006, 640 Seiten, Maße: 11,7 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Ursula Gräfe
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442733235
- ISBN-13: 9783442733231
- Erscheinungsdatum: 13.03.2006
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