Noch immer schwelt die Glut
Roman
Die Romanfolge 'Fortune de France' erzählt die Geschichte dreier Generationen der Adelsfamilie Siorac in dem dramatischen Jahrhundert von 1550 bis 1643, das erschüttert wurde von blutigen Glaubenskriegen zwischen Katholiken und Protestanten und den Kämpfen...
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Produktinformationen zu „Noch immer schwelt die Glut “
Die Romanfolge 'Fortune de France' erzählt die Geschichte dreier Generationen der Adelsfamilie Siorac in dem dramatischen Jahrhundert von 1550 bis 1643, das erschüttert wurde von blutigen Glaubenskriegen zwischen Katholiken und Protestanten und den Kämpfen für ein starkes französisches Königtum. Schauplatz der Handlung ist anfangs die Burg Mespech in der Provinz Perigord, später der Hof Heinrichs III., Heinrichs IV., schließlich seines Sohnes Ludwig XIII.
Klappentext zu „Noch immer schwelt die Glut “
Pierre de Siorac, frischgebackener Mediziner und Hugenott, hat durch Freundeshilfe das Massaker der Bartholomäusnacht überlebt und kehrt zwei Jahre später nach Paris zurück. König Heinrich III. hat ihn zum Leibarzt ernannt, aber bald wird er vor allem dessen Geheimagent in heiklen politischen Missionen. Denn Frankreich ist noch immer ein tief zerrissenes Land, die Katholische Liga in Gestalt des mächtigen Herzogs von Guise macht Front gegen den König, der im Staatsinteresse zwischen Katholiken und Protestanten zu vermitteln sucht. Spanien steht hinter den einen, England hinter den anderen. Das mörderische Duell zwischen Heinrich und Guise bestimmt über ein Jahrzehnt die französische Politik. Verkleidet als Tuchhändler, Putzmachermeister, königlicher Leibgardist, reist Pierre durchs Land, besteht Abenteuer, Duelle und Attentate, trifft Spione und Gegenspione. Er reist zu Heinrich von Navarra in den hugenottischen Süden. Er reist zu Königin Elisabeth nach London. Sein Husarenstück aber: Während eines nicht ganz freiwilligen Beischlafs mit der erzkatholischen Herzogin von Montpensier stiehlt er dieser einen Brief Guises an den König von Spanien und hat damit den entscheidenden Beweis für Guises Landesverrat in Händen. Robert Merles Romanfolge "Fortune de France" ist das farbenprächtige Gemälde einer der dramatischsten Zeiten in der französischen Geschichte: des Bürgerkriegs zwischen Katholiken und Hugenotten. In seinem Zentrum steht der Chevalier Pierre de Siorac, nunmehr Arzt und Geheimagent König Heinrichs III. Das Massaker der Bartholomäusnacht, dem er gerade noch entronnen ist, liegt zwei Jahre zurück. Aber noch immer schwelt die Glut und wird aufs neue geschürt durch die "Liga" des Herzogs von Guise, der den König über Jahre hinweg zu einem mörderischen Machtkampf fordert. Pierres Charme, sein perfekter Degen und sein gutes Englisch auf internationalem Parkett machen ihn in dieser gefährlichen Auseinandersetzung zum Helden par excellence. "Robert Merle ist einer
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der ganz wenigen französischen Schriftsteller, der sowohl den Erfolg beim Publikum als auch die Achtung der Kritik errungen hat." Le Figaro
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Lese-Probe zu „Noch immer schwelt die Glut “
Ich wartete eine geschlagene Stunde, und mir blieb reichliche Zeit zu überdenken, in welcher Gefahr ich mich befand, galt diesen Mänaden ein Menschenleben doch nicht mehr als ihrer Katze das einer Maus. Sie nannten einen "mein Herr Vetter", konnten einen aber bei Nacht glatt in einem Sack in die Seine werfen, die so bequem am Hause vorüberfloß. Wie viele Verbrechen beging man nicht aus Religionseifer in diesem seltsamen Jahrhundert! Nachdem ich mich ausgiebig mit tödlichen Besorgnissen beschäftigt hatte - und du kannst dir vorstellen, Leser, um wieviel bedrückender diese gewesen wären, hätte ich bereits gewußt, welches Los die Guisarden dem Hauptmann Le Pierre bereitet hatten-, kam derselbe Lakai, um mich zu seiner Herrin zu führen, die ich, nach dem edlen Putz ihrer Verwandten, in nahezu königlicher Pracht zu erblicken erwartete, wie es der Schwester eines Herzogs geziemte, der nach dem Thron strebte. Doch wurde ich nicht in einen großen Salon geführt, wo die Herzogin im Kreis ihres Hofstaates thronte, sondern in ein Schlafgemach.
Zuerst sah ich nur ein großes goldenes Bett, um welches die weißgoldenen Brokatgardinen geschlossen waren und mich des Anblicks der Besitzerin dieses Lagers beraubten, doch hörte ich ihre Stimme, weil sie gerade ihre Gouvernante (oder Kammerzofe, was weiß ich) auszankte, die sich ein wenig Ordnung zu schaffen bemühte, war doch der ganze Raum mit weiblichen Kleidern, Schuhen und anderen Utensilien übersät. "Und ich bin mir ganz sicher", gellte die Stimme, "daß du es warst, Frédérique, und niemand anders, die mir diesen Entwurf von Henris Brief an Philipp verschludert hat. Ich hatte ihn gestern noch in der Hand." "Madame", sagte Frédérique, wahrscheinlich eine Lothringerin, denn sie war groß, blauäugig, strohblond und so üppig beleibt, daß ihr der Busen aus dem Mieder quoll, "das kann nicht sein! Ich gehe nicht an Eure Papiere! Ich habe genug zu tun, Eure Sachen aufzuräumen, hier findet ja eine Hündin nicht ihre
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Jungen! Wenn ich nicht Ordnung machte, sähe es bei Euch aus wie im Saustall und nicht wie im Gemach einer Prinzessin!" "Luder du, immer mit deinem großen Mund!" keifte die Stimme. "Aber warte, wenn ich dich vorm ganzen Gesinde auspeitschen lasse für deine Frechheit! Saustall! Was du dir erlaubst!" "Madame", sagte Frédérique ungerührt, "Ihr seid sicherlich die schönste Prinzessin der Welt, aber schlag mich der Teufel mit Stummheit, wenn Ihr nicht auch die liederlichste seid! Und schiebt doch nicht mir in die Schuhe, daß ich den Briefentwurf des Herrn Herzogs verschludert hätte, den werdet wohl Ihr, den Entwurf meine ich, gedankenlos in den Papierkorb geworfen haben. Und dann ist er jetzt natürlich verbrannt." "Wieso verbrannt, dumme Trine?" "Weil Ihr mir an hundertmal befohlen habt", sagte Frédérique, indem sie sich mit der flachen Hand an ihren straffen Lothringer Busen schlug, "jeden Morgen das Papier aus dem Papierkorb zu verbrennen! Hundertmal, mein Wort! Mögen die gebenedeite Jungfrau und ihr göttlicher Sohn mich durch den Blitz erschlagen, wenn ich lüge!" "Von wegen! Du warst es, blöde Gans", keifte die herzogliche Stimme hinterm Vorhang, "die den Entwurf in den Papierkorb geworfen hat! Ich habe ihn mir aufheben wollen, weil er von der Hand meines geliebten Bruders war! Und jetzt hast du ihn verbrannt, du Bastardin!" "Ich bin keine Bastardin", sagte Frédérique, indem sie sich aufrichtete und die Hände in die Hüften stemmte. "Ich kenne Vater und Mutter, das waren angesehene Bauersleute im Metzer Land. Und Ihr wißt sehr gut, Madame, daß so manche Damen und Herren am Hof das nicht von sich behaupten können!" Worauf der Lakai, ungeduldig über den Hickhack, sich zu einem Räuspern erkühnte. "Wer ist da?" fragte die herzogliche Stimme, scharf wie Essig. "Hier ist Franz, Frau Herzogin", sagte der Lakai. "Ich bringe Euch den Chevalier de Siorac." "Rüpel, du wagst es, in meiner Gegenwart zu husten?" wütete die Herzogin von Montpensier. "Du gehst sofort zum Majordomus und läßt dir zehn Hiebe aufzählen!" "Frau Herzogin", sagte Franz wie entrüstet, "ich habe mich nur geräuspert!" "Widersprechen willst du auch noch? Der Majordomus soll dir zehn Schläge mehr geben!" "Jawohl, Frau Herzogin", sagte Franz, machte dem Vorhang, krebsrot im Gesicht, eine tiefe Verbeugung und verließ rückwärts das Gemach. "Frédérique", sagte die Stimme hinterm Vorhang, "was meinst du zu dem Chevalier de Siorac? Du hast ihn doch vor der Nase." "Er ist nicht sehr groß, sieht aber gut aus", sagte Frédérique, indem sie auf mich zutrat und mich von nahem musterte wie einen Stier, den sie auf der Messe kaufen wollte. "Er hat blaugraue Augen, blonde Haare, ein bißchen grau an den Schläfen, ein frisches Gesicht und", fuhr sie fort, indem sie meinen Arm betastete, "ist ziemlich kräftig, denke ich.
Kurzum, Madame, ein Galan, der nach jedem Busen äugt." "Nach deinem, meinst du", sagte die Stimme schrill. "Du zwängst deinen ja derart hoch, daß jeder danach äugen muß." "Nur so weit, Madame, wie es die Mode befiehlt!" "Genug, Schwätzerin! Bring den Chevalier her! Aber paß auf, daß er nicht auf meine Sachen tritt!" Inzwischen waren meine vorigen besorgten Gefühle der Neugier gewichen, die berüchtigte Herzogin endlich mit eigenen Augen zu sehen, diese Hauptfeindin meines Königs in Paris, die sich mittels der von ihr besoldeten Pfaffen und der von diesen verhetzten Bevölkerung eine Art Gegenmacht geschaffen hatte, und überdies einen Gegen-Hof, ein buntes Gemisch aus (manchmal sehr hohen) verschuldeten oder in Ungnade gefallenen, unzufriedenen oder ehrgeizigen Herrschaften, die sie wie Marionetten an Fäden zog, zum Ruhme ihres Bruders und zum Schaden meines armen Herrn. Das Erstaunliche aber war, daß diese Intrigantin über all ihren endlosen Machenschaften noch die Zeit zu ebenso endlos vielen Liebschaften fand, war sie, dem Gerücht zufolge, hierin doch genauso unermüdlich wie unersättlich. Die Herzogin lag nicht zu Bett, sie saß halb aufrecht, gegen einen Stapel Kissen gelehnt, zwischen den zur Bettgasse hin seitlich gerafften Vorhängen, und obwohl es fast Mittag war und das Zimmer taghell, brannte auf dem Tisch neben ihrem Kopfende ein achtarmiger Leuchter, der sie voll beschien. Als erstes frappierte mich, sie in einem Négligé zu erblicken, das vorne weit offen stand, wobei dieses Vorne mir vom Alter unverdorben schien, obwohl sie jene Grenze der Sechsunddreißig schon überschritten hatte, jenseits derer eine Frau in unseren Breiten nicht mehr für jung gilt. Ihre Brüste waren keineswegs erschlafft, wenn auch nicht so straff wie die Frédériques, ihre Haut war weiß, das Gesicht noch recht glatt, so wirkte es jedenfalls im Kerzenschein, die Augen stahlblau, die gelösten Haare blond und füllig über die runden Schultern fallend, ein großer Mund, starke Lippen und nicht allzu schöne Zähne, soweit ich sah. Ihre Miene hatte nichts vom Hochmut der Vasselière, sondern eine in sich ruhende Sicherheit, so als könnte sie, die Schwester des künftigen Königs, über Leben und Tod der Franzosen mit dem gleichen Recht gebieten wie über den Buckel ihres Lakaien. Ich hatte Zeit genug, sie zu betrachten, denn seit ich ihre Bettgasse betreten hatte, richtete sie eine ganze Weile den Blick auf mich - die Feder in ihrer Rechten in der Schwebe haltend, denn sie war beim Schreiben, weshalb das Lager ringsum mit Papieren übersät war -, aber in genauso unpersönlicher Weise, als wäre ich ein Sattelpferd oder ein soeben erworbener Vorstehhund oder gar ein Zugpferd, bei dem sie sich fragte, ob es tüchtig genug sei, mit anderen im Gespann ihre Kutsche zu ziehen. Was, wenn man's recht bedenkt, die schlimmste Art des Hochmuts ist, stumm, ruhig, ohne die mindeste Geringschätzigkeit. Der Gedanke, mich auf einen Wert zu taxieren, zumindest einen moralischen Wert, wäre ihr nicht einmal gekommen, denn was klingende Münze anlangte, hatte sie so viele Priester und Edelleute gekauft, damit sie ihrem Bruder dienten, daß sie auf den Taler genau wußte, was ein jeder in diesem Reich kostete. Da sie in ihrer Prüfung fortfuhr, fuhr ich in der meinigen fort, ohne daß mein Blick sie mehr behelligte als der von des Bischofs Hund, und so bemerkte ich, daß die rings auf dem Bett verstreuten Papiere offensichtlich eigenhändig von ihr beschrieben waren und daß sich in dem Durcheinander auch Putzsachen, Schminke, ein Spiegel und eine große Schale voller Süßigkeiten, Marzipan und kandierter Früchte fanden, in die sie dann und wann ihre linke Hand tauchte. "Chevalier, setzt Euch!" sagte sie endlich. "Frau Herzogin", sagte ich, "Eure Hoheit verzeihe mir, aber ich sehe hier keinen Schemel." "Setzt Euch auf mein Bett. Oder bin ich so abstoßend?" "Madame", sagte ich, mich verneigend, "meine Augen dürften es Euch bereits bekundet haben: Ihr seid sicherlich die schönste Prinzessin der Christenheit!" "Meine Cousine die Königin, die ich lange nicht gesehen habe, soll aber längst noch nicht so verwelkt sein, daß Heinrich ihr nicht ein Kind machen könnte, wenn er dazu imstande wäre." "Madame", sagte ich mit neuerlicher Verneigung, "Ihre Majestät die Königin ist sehr schön, aber sie könnte Euch nicht die Palme streitig machen angesichts der zahllosen Reize, die man an Eurer Hoheit gewahrt." "Monsieur, nehmt Platz", sagte sie, ohne sich an derart abgeschmackten Komplimenten zu stoßen. "Madame, ich bin voll und ganz Euer Sklave", sagte ich. Damit setzte ich mich. Worauf sie mich gewissermaßen beim Wort nahm und, die Feder ablegend, verlangte, daß ich sie davon befreie, indem ich das ganze Pult auf den Nachttisch stellte. Dann sollte ich ihre verstreuten Briefe einsammeln und falten, was ich nicht tat, ohne einen verstohlenen Blick darauf zu werfen. Als sie es bemerkte, sagte sie ungescheut, das seien die Instruktionen, die sie den Pfarrern für ihre Sonntagspredigt gebe.
Sie machte gar keinen Hehl daraus, mochten nur alle es wissen, bewirkte sie ihrer Meinung nach durch ihre Pfaffen doch mehr zur Abwertung des Königs und zum Triumph ihres geliebten Bruders als alle Armeen, die dieser im Osten sammelte. "Frédérique", sagte sie, den Vorhang mit einer Hand aufhebend, "gib diese Briefe Guillot, er soll sie den Pfarrern persönlich überbringen und jedem zehn Ecus zahlen." "Zehn?" sagte Frédérique, "zehn, Frau Herzogin? Was sind diese Priester doch kostspielig! Vorige Woche habt Ihr noch fünf gezahlt." "Ja", sagte lachend die Montpensier, "die Meldung, die sie diese Woche zu schlucken kriegen, ist auch ein bißchen stark, aber geschluckt werden muß sie, bevor sie sie wiederkäuen und vor ihren Schäflein ausspucken. Mein Geld ölt ihnen die Kehlen. Ihr Eifer besorgt den Rest. Hör, Frédérique, wenn du Guillot losgeschickt hast, komm nicht wieder: Ich will mit dem Chevalier allein sein." "Madame", sagte ich, "sogar der König findet, daß Ihr ein besonderes Talent habt, Meldungen zu erfinden." "Recht hat er", sagte sie leichthin.
"Aber wie entzückend, daß der König ein Talent lobt, unter dem er so sehr leidet." "Und das Euch zu behaupten inspirierte, es gäbe im Faubourg Saint-Germain zehntausend verkappte Hugenotten, die nur auf Navarras Signal warteten, den Katholiken eine Bartholomäusnacht zu bereiten." "Ha!" sagte sie lachend, "das ist aber nur für den Beichtstuhl bestimmt, für die Kanzel ist es zu happig." "So wie die Legende", sagte ich, "daß der Chevalier de Siorac Navarra zweihunderttausend Ecus vom König überbracht habe, damit dieser seine katholischen Untertanen bekriege." "Was gar nicht leicht zu widerrufen war", sagte die Montpensier. "Man glaubt eben, was ich durch den Mund meiner Pfarrer verkünden lasse." "Und warum ließt Ihr derlei verkünden?" "Damit irgend jemand Euch beseitigte, ohne daß ich es befehlen mußte." Madame de Montpensier sagte dies alles in einem Ton, als handele es sich um die natürlichsten Dinge der Welt. "Frau Herzogin", sagte ich mit einer Verneigung, "ich bin entzückt, daß Ihr dies widerrieft." "Ich weiß nur nicht, ob ich recht daran tat", sagte die Montpensier, indem sie mich plötzlich mit einem stechenden Blick aus ihren blauen Augen maß. "Wart nicht Ihr es, der nach Boulogne ging und Monsieur de Bernay vor der Unternehmung des Herzogs von Aumale warnte?" "Nein", sagte ich aufs Geratewohl, "ich nicht!" "Ihr wurdet aber eine Woche vor der Unternehmung in Boulogne gesehen." "Das kann nicht sein!" sagte ich. "Ich war nicht dort." "Aber in Paris wart Ihr auch nicht!" entgegnete sie prompt. "Nein, Madame", sagte ich, wissend, daß ich mich auf einem Boden bewegte, der jeden Moment unter mir einbrechen konnte. "Und wo wart Ihr, Monsieur?" "Madame", sagte ich, langsam Tritt fassend, "wie inquisitorisch Ihr fragt! Kann ich Euch nichts verheimlichen? Bin ich im Beichtstuhl? Muß ich Euch gestehen, wo ich war? Warum nicht auch gleich, mit wem?" "Mit wem?" fragte ungerührt die Montpensier. "Mit einer weiblichen Person", sagte ich und gab mich verwirrt. "Ha", sagte sie auflachend, "nun seid Ihr erwischt, Heuchler, der Ihr Eurer Gemahlin angeblich so treu sein sollt! Vögelt in der Provinz, weil in Paris ja nichts verborgen bleibt!" "Frau Herzogin", sagte ich in etwas unwirschem Ton, "Ihr habt mir das Geständnis abgezwungen, aber ich schwöre bei der gebenedeiten Jungfrau, daß ich nicht verraten werde, wo noch mit wem." "Nicht nötig, Monsieur", sagte die Montpensier. "Ich habe Euch nur so zugesetzt, um mich zu vergewissern, denn daß nicht Ihr Monsieur de Bernay gewarnt habt, weiß ich." "Wieso das, Madame?" "Weil Ihr nach Eurer Rückkehr kein Geld vom König erhieltet, wie es selbstverständlich geschehen wäre, wenn Ihr in der Affäre sein Werkzeug gewesen wärt. Was ich sehr bedauerlich für Euch gefunden hätte, Monsieur", sagte sie mit einem bedeutsamen Blick, "denn wer meinem Bruder diesen Tort angetan hat, wird nicht lange genug leben, um es zu bereuen." Ha, dachte ich, die liebe Pillendose! Oh, wundertätige Pillendose, ich danke dir mein Leben! "Frau Herzogin", sagte ich, "es scheint mein Glück zu sein, daß ich so ehrlich gegen Euch war, sonst hätte ich Euer Hotel wohl in einem Sack stromab verlassen anstatt auf den eigenen Füßen." Und wieder lachte sie, mit jener leichtherzigen, blinden und quasi unschuldigen Grausamkeit derjenigen, für die der Tod immer der Tod der anderen ist, nie der eigene. "Monsieur", sagte sie, "kommen wir zur Sache: Wollt Dir mir dienen?" "Wie meint Ihr das, Hoheit?" fragte ich verdattert. "In meinem Sold." "Madame", sagte ich nach kurzer Überlegung, "ich kann nicht gleichzeitig im Dienst des Königs und seiner Todfeindin stehen. Ich begebe mich nicht auf die schiefe Bahn. Und Geld lockt mich nicht." "Das heißt, Monsieur", sagte sie, ein stählernes Blitzen in den Augen, "Ihr weist mich ab!" "Das heißt, Madame", sagte ich, indem ich mich verneigte, "daß ich, ganz als wäre ich Euer, auch Euren schlimmsten Feind abweisen würde, wenn er mich kaufen wollte. Ist das nichts? Hat der Herr Herzog so viele treue Diener?" "Allerdings nicht", sagte sie bitter. "Man dient ihm nur insoweit, wie man ihm den Sieg über den König zutraut. Aber auf keinen seiner großen Verbündeten ist Verlaß. Nicht einmal auf Philipp. Wie wir erfuhren, sollen wir für ihn nur die Kastanien aus dem Feuer holen, aber nicht für unser Haus, sondern für seins. Er will seine Tochter, Elisabeth von Valois, auf den französischen Thron setzen." "Damit übergeht Seine sehr katholische Majestät das Salische Gesetz." "Gemach!" sagte sie, während ihre blauen Augen mit einem sinnenden Ausdruck ins Leere blickten, als sähe sie ihren Bruder schon auf dem Thron und sich selbst auf dessen Stufen. "Also", fuhr sie verlorenen Blickes fort, als löse sie sich nur mühsam von dem süßen Traum, "Ihr wollt nicht auf meine Seite wechseln? Schade, daß ein so galanter Edelmann unbedingt an diesem schwulen König hängt, falls er nicht auch schwul ist!" "Madame", sagte ich lächelnd, "wenn Ihr dies als Meldung an Eure kleinen Prediger ausgäbt, fände sich am Hof kein einziger, der sie glaubte." "Bah, ich denke nicht daran!" sagte sie achselzuckend. "Aber was mache ich mit Euch? Um Euch beseitigen zu lassen, seid Ihr ein zu kleines Korn in unseren königlichen Mühlen." "Frau Herzogin", sagte ich ein wenig pikiert, "so unwichtig bin ich nun nicht! Der Herzog von Epemon verdankt mir sein Leben." "Leider!" sagte sie. "Und wer weiß", fuhr ich fort, "wenn ich derzeit schon soweit gewesen wäre, hätte ich vielleicht auch Euren erhabenen Vater von seiner Schußwunde geheilt, die ja nur die Schulter verletzt hatte." "Monsieur", sagte sie, "ich finde, Ihr prahlt reichlich mit Eurem Wissen. Wollte Gott, Ihr könntet mir wenigstens zu besserer Verdauung verhelfen. Mein Gedärm", fuhr sie fort, indem sie sich ganz aufdeckte, "ist völlig verknotet und gräßlich gebläht." Damit nahm sie meine Rechte und legte sie auf ihren Bauch, den ich mit beiden Händen, vom Magen bis zum Venushügel, abtastete.
"Madame, wenn Dir nicht den ganzen Tag so viele Süßigkeiten naschen würdet, blieben Euch solche Unannehmlichkeiten erspart. Ein Tag Diät, etwas Kräutertee, und Ihr seid Eure Verstopfung los." "Ha, Monsieur!" sagte sie, "wie warm und sanft Eure Hände sind! Und Euer Kneten tut mir wunderbar wohl! Bitte, fahrt fort. Mir ist, als lösten sich die Knoten." "Frau Herzogin", sagte ich, "es beglückt mich, Euch ein wenig zu erleichtern." "Ein wenig, Monsieur! Ihr macht das so geschickt, daß ich mich öffne wie eine Blume an der Sonne. Laßt mich Eure Hand führen, desto besser hilft es." "Madame", sagte ich, "wenn meine Hand den Weg nimmt, den Dir wollt, ist es keine Behandlung mehr, sondern das Vorspiel eines Stückes, das mit Medizin nichts mehr zu tun hat." "Worauf warten wir, Monsieur? Spielen wir das Stück, wenn Ihr genausoviel Lust drauf habt wie ich." "Gewiß, aber bin ich für Euch nicht ein zu kleines Korn?" "Monsieur, laßt es meine Sorge sein, was ich meinem Rang schulde. Ihr jedenfalls könnt Euch hinter Eurer ehelichen Treue schwerlich verschanzen, da ich aus Eurem Munde weiß, daß Ihr auswärts vögelt." Ich war gefangen, Leser. Nicht allein, daß es höchst ungalant gewesen wäre, einer hohen Dame einen Korb zu geben, die, ihre Hoheit vergessend, so sehr darauf brannte, befriedigt zu werden. Ich hätte mich dieser Furie auch nicht verweigern können, ohne sie tödlich zu beleidigen, vor allem aber ohne Zweifel an der vorgeblichen Eskapade zu erregen, mit der ich meine Rolle in Boulogne bemäntelt hatte. Ich ließ meinem Körper also freie Bahn, und weil dieses Tier, jedem Gesetz und menschlichen Anstand zum Trotz, nichts so sehr verlangt, als (um es soldatisch auszudrücken) an die Kanonen zu gehen, war es stracks bereit. "Ah, mein Freund", sagte die Montpensier, vor Wonne aufseufzend, als ich in Stellung ging, "das tut gut, aber bewegt Euch nicht: Das ist meine Sache. Haltet Ihr mir nur die Stange." Was mir nicht eben gefiel - wollte die Herzogin auch mir meine Predigt vorschreiben? Aber weil ich einsah, daß sie zu den herrischen Frauen gehörte, die ihre Lust nur sich selbst verdanken wollen, eine möglichst endlose, ergab ich mich drein, tapfer auf Posten auszuharren, konnte ich ihr Gesetz doch stillschweigend brechen, sollte meine Untätigkeit mich erschlaffen lassen: Was ich dann und wann tat, und was fast unbemerkt durchging in dem Orkan, den sie sich verschaffte und der so wild und unstillbar war, daß ich es nicht schildern kann, mir dröhnten von ihrem Seufzen und Stöhnen die Ohren. Wie ich nun so bewegungslos und gespannt inmitten dieses Sturmgewitters verharrte, ohne daß es mir erlaubt war, daran teilzunehmen, dazu oberhalb höchst unbequem bekleidet - meine Krause würgte mich, mein Wams hatte sich verzerrt, mein im Rücken verborgener Dolch spießte mir ins Schulterblatt - ach, wie gern hätte ich, wäre meine menschliche Regung nicht so gegenteilig gewesen, diese Staatsfeindin mit dem Stahl durchbohrt, anstatt mit meinem Fleisch! -, so vielerlei Unbilden ausgesetzt, sage ich, wandte ich meine Aufmerksamkeit der Umgebung zu, staunend ob der unfaßlichen Liederlichkeit dieses Lagers, wo die Kissen drunter und drüber lagen, als meine Augen vom Zipfel eines beschriebenen Blattes Papier gebannt wurden, das sich wohl unter einem Kissen verkrochen hatte, um dem allgemeinen Chaos zu entgehen. Vorsichtig zog ich es weiter aus seinem Versteck. Mit raschem Blick erkannte ich, daß dies nicht die Handschrift meiner entfesselten Mänade war, sondern, ein paar erhaschten Worten zufolge, jener Briefentwurf Heinrichs von Guise, den die Herzogin verbrannt glaubte. Jäh schloß ich die Hand darum in dem Vorsatz, ihn zu entwenden, zugleich aber, der unerhörten Gefahr inne, wenn ich es jetzt an der von mir erwarteten Standfestigkeit fehlen ließe, stärkte ich diese noch rechtzeitig durch besagte Bewegungen, doch der Schweiß brach nur aus allen Poren, sowohl vor Freude über meinen Fund als darüber, in welche neue Gefahr ich mich brachte, hatte ich die der Boulogner Geschichte doch eben erst umschifft. Soweit ich schätzen konnte, benötigte die Montpensier eine gute halbe Stunde für ihr Toben, was sie mit so gellenden Schreien tat, daß man sie, wette ich, bis ans andere Seine-Ufer hörte, und unter so gewaltigen Zuckungen, daß ich dachte, sie fänden nie ein Ende, auf einmal jedoch verstummte sie, öffnete ihre stahlblauen Augen, und indem sie mich mit beiden Händen wegstieß, ohne daß ich meine Anstrengungen vollenden und deren Frucht ernten konnte, wälzte sie mich ab auf das Lager, erhob sich undeilte davon. "Wohin, Madame?" rief ich ziemlich empört.
Kurzum, Madame, ein Galan, der nach jedem Busen äugt." "Nach deinem, meinst du", sagte die Stimme schrill. "Du zwängst deinen ja derart hoch, daß jeder danach äugen muß." "Nur so weit, Madame, wie es die Mode befiehlt!" "Genug, Schwätzerin! Bring den Chevalier her! Aber paß auf, daß er nicht auf meine Sachen tritt!" Inzwischen waren meine vorigen besorgten Gefühle der Neugier gewichen, die berüchtigte Herzogin endlich mit eigenen Augen zu sehen, diese Hauptfeindin meines Königs in Paris, die sich mittels der von ihr besoldeten Pfaffen und der von diesen verhetzten Bevölkerung eine Art Gegenmacht geschaffen hatte, und überdies einen Gegen-Hof, ein buntes Gemisch aus (manchmal sehr hohen) verschuldeten oder in Ungnade gefallenen, unzufriedenen oder ehrgeizigen Herrschaften, die sie wie Marionetten an Fäden zog, zum Ruhme ihres Bruders und zum Schaden meines armen Herrn. Das Erstaunliche aber war, daß diese Intrigantin über all ihren endlosen Machenschaften noch die Zeit zu ebenso endlos vielen Liebschaften fand, war sie, dem Gerücht zufolge, hierin doch genauso unermüdlich wie unersättlich. Die Herzogin lag nicht zu Bett, sie saß halb aufrecht, gegen einen Stapel Kissen gelehnt, zwischen den zur Bettgasse hin seitlich gerafften Vorhängen, und obwohl es fast Mittag war und das Zimmer taghell, brannte auf dem Tisch neben ihrem Kopfende ein achtarmiger Leuchter, der sie voll beschien. Als erstes frappierte mich, sie in einem Négligé zu erblicken, das vorne weit offen stand, wobei dieses Vorne mir vom Alter unverdorben schien, obwohl sie jene Grenze der Sechsunddreißig schon überschritten hatte, jenseits derer eine Frau in unseren Breiten nicht mehr für jung gilt. Ihre Brüste waren keineswegs erschlafft, wenn auch nicht so straff wie die Frédériques, ihre Haut war weiß, das Gesicht noch recht glatt, so wirkte es jedenfalls im Kerzenschein, die Augen stahlblau, die gelösten Haare blond und füllig über die runden Schultern fallend, ein großer Mund, starke Lippen und nicht allzu schöne Zähne, soweit ich sah. Ihre Miene hatte nichts vom Hochmut der Vasselière, sondern eine in sich ruhende Sicherheit, so als könnte sie, die Schwester des künftigen Königs, über Leben und Tod der Franzosen mit dem gleichen Recht gebieten wie über den Buckel ihres Lakaien. Ich hatte Zeit genug, sie zu betrachten, denn seit ich ihre Bettgasse betreten hatte, richtete sie eine ganze Weile den Blick auf mich - die Feder in ihrer Rechten in der Schwebe haltend, denn sie war beim Schreiben, weshalb das Lager ringsum mit Papieren übersät war -, aber in genauso unpersönlicher Weise, als wäre ich ein Sattelpferd oder ein soeben erworbener Vorstehhund oder gar ein Zugpferd, bei dem sie sich fragte, ob es tüchtig genug sei, mit anderen im Gespann ihre Kutsche zu ziehen. Was, wenn man's recht bedenkt, die schlimmste Art des Hochmuts ist, stumm, ruhig, ohne die mindeste Geringschätzigkeit. Der Gedanke, mich auf einen Wert zu taxieren, zumindest einen moralischen Wert, wäre ihr nicht einmal gekommen, denn was klingende Münze anlangte, hatte sie so viele Priester und Edelleute gekauft, damit sie ihrem Bruder dienten, daß sie auf den Taler genau wußte, was ein jeder in diesem Reich kostete. Da sie in ihrer Prüfung fortfuhr, fuhr ich in der meinigen fort, ohne daß mein Blick sie mehr behelligte als der von des Bischofs Hund, und so bemerkte ich, daß die rings auf dem Bett verstreuten Papiere offensichtlich eigenhändig von ihr beschrieben waren und daß sich in dem Durcheinander auch Putzsachen, Schminke, ein Spiegel und eine große Schale voller Süßigkeiten, Marzipan und kandierter Früchte fanden, in die sie dann und wann ihre linke Hand tauchte. "Chevalier, setzt Euch!" sagte sie endlich. "Frau Herzogin", sagte ich, "Eure Hoheit verzeihe mir, aber ich sehe hier keinen Schemel." "Setzt Euch auf mein Bett. Oder bin ich so abstoßend?" "Madame", sagte ich, mich verneigend, "meine Augen dürften es Euch bereits bekundet haben: Ihr seid sicherlich die schönste Prinzessin der Christenheit!" "Meine Cousine die Königin, die ich lange nicht gesehen habe, soll aber längst noch nicht so verwelkt sein, daß Heinrich ihr nicht ein Kind machen könnte, wenn er dazu imstande wäre." "Madame", sagte ich mit neuerlicher Verneigung, "Ihre Majestät die Königin ist sehr schön, aber sie könnte Euch nicht die Palme streitig machen angesichts der zahllosen Reize, die man an Eurer Hoheit gewahrt." "Monsieur, nehmt Platz", sagte sie, ohne sich an derart abgeschmackten Komplimenten zu stoßen. "Madame, ich bin voll und ganz Euer Sklave", sagte ich. Damit setzte ich mich. Worauf sie mich gewissermaßen beim Wort nahm und, die Feder ablegend, verlangte, daß ich sie davon befreie, indem ich das ganze Pult auf den Nachttisch stellte. Dann sollte ich ihre verstreuten Briefe einsammeln und falten, was ich nicht tat, ohne einen verstohlenen Blick darauf zu werfen. Als sie es bemerkte, sagte sie ungescheut, das seien die Instruktionen, die sie den Pfarrern für ihre Sonntagspredigt gebe.
Sie machte gar keinen Hehl daraus, mochten nur alle es wissen, bewirkte sie ihrer Meinung nach durch ihre Pfaffen doch mehr zur Abwertung des Königs und zum Triumph ihres geliebten Bruders als alle Armeen, die dieser im Osten sammelte. "Frédérique", sagte sie, den Vorhang mit einer Hand aufhebend, "gib diese Briefe Guillot, er soll sie den Pfarrern persönlich überbringen und jedem zehn Ecus zahlen." "Zehn?" sagte Frédérique, "zehn, Frau Herzogin? Was sind diese Priester doch kostspielig! Vorige Woche habt Ihr noch fünf gezahlt." "Ja", sagte lachend die Montpensier, "die Meldung, die sie diese Woche zu schlucken kriegen, ist auch ein bißchen stark, aber geschluckt werden muß sie, bevor sie sie wiederkäuen und vor ihren Schäflein ausspucken. Mein Geld ölt ihnen die Kehlen. Ihr Eifer besorgt den Rest. Hör, Frédérique, wenn du Guillot losgeschickt hast, komm nicht wieder: Ich will mit dem Chevalier allein sein." "Madame", sagte ich, "sogar der König findet, daß Ihr ein besonderes Talent habt, Meldungen zu erfinden." "Recht hat er", sagte sie leichthin.
"Aber wie entzückend, daß der König ein Talent lobt, unter dem er so sehr leidet." "Und das Euch zu behaupten inspirierte, es gäbe im Faubourg Saint-Germain zehntausend verkappte Hugenotten, die nur auf Navarras Signal warteten, den Katholiken eine Bartholomäusnacht zu bereiten." "Ha!" sagte sie lachend, "das ist aber nur für den Beichtstuhl bestimmt, für die Kanzel ist es zu happig." "So wie die Legende", sagte ich, "daß der Chevalier de Siorac Navarra zweihunderttausend Ecus vom König überbracht habe, damit dieser seine katholischen Untertanen bekriege." "Was gar nicht leicht zu widerrufen war", sagte die Montpensier. "Man glaubt eben, was ich durch den Mund meiner Pfarrer verkünden lasse." "Und warum ließt Ihr derlei verkünden?" "Damit irgend jemand Euch beseitigte, ohne daß ich es befehlen mußte." Madame de Montpensier sagte dies alles in einem Ton, als handele es sich um die natürlichsten Dinge der Welt. "Frau Herzogin", sagte ich mit einer Verneigung, "ich bin entzückt, daß Ihr dies widerrieft." "Ich weiß nur nicht, ob ich recht daran tat", sagte die Montpensier, indem sie mich plötzlich mit einem stechenden Blick aus ihren blauen Augen maß. "Wart nicht Ihr es, der nach Boulogne ging und Monsieur de Bernay vor der Unternehmung des Herzogs von Aumale warnte?" "Nein", sagte ich aufs Geratewohl, "ich nicht!" "Ihr wurdet aber eine Woche vor der Unternehmung in Boulogne gesehen." "Das kann nicht sein!" sagte ich. "Ich war nicht dort." "Aber in Paris wart Ihr auch nicht!" entgegnete sie prompt. "Nein, Madame", sagte ich, wissend, daß ich mich auf einem Boden bewegte, der jeden Moment unter mir einbrechen konnte. "Und wo wart Ihr, Monsieur?" "Madame", sagte ich, langsam Tritt fassend, "wie inquisitorisch Ihr fragt! Kann ich Euch nichts verheimlichen? Bin ich im Beichtstuhl? Muß ich Euch gestehen, wo ich war? Warum nicht auch gleich, mit wem?" "Mit wem?" fragte ungerührt die Montpensier. "Mit einer weiblichen Person", sagte ich und gab mich verwirrt. "Ha", sagte sie auflachend, "nun seid Ihr erwischt, Heuchler, der Ihr Eurer Gemahlin angeblich so treu sein sollt! Vögelt in der Provinz, weil in Paris ja nichts verborgen bleibt!" "Frau Herzogin", sagte ich in etwas unwirschem Ton, "Ihr habt mir das Geständnis abgezwungen, aber ich schwöre bei der gebenedeiten Jungfrau, daß ich nicht verraten werde, wo noch mit wem." "Nicht nötig, Monsieur", sagte die Montpensier. "Ich habe Euch nur so zugesetzt, um mich zu vergewissern, denn daß nicht Ihr Monsieur de Bernay gewarnt habt, weiß ich." "Wieso das, Madame?" "Weil Ihr nach Eurer Rückkehr kein Geld vom König erhieltet, wie es selbstverständlich geschehen wäre, wenn Ihr in der Affäre sein Werkzeug gewesen wärt. Was ich sehr bedauerlich für Euch gefunden hätte, Monsieur", sagte sie mit einem bedeutsamen Blick, "denn wer meinem Bruder diesen Tort angetan hat, wird nicht lange genug leben, um es zu bereuen." Ha, dachte ich, die liebe Pillendose! Oh, wundertätige Pillendose, ich danke dir mein Leben! "Frau Herzogin", sagte ich, "es scheint mein Glück zu sein, daß ich so ehrlich gegen Euch war, sonst hätte ich Euer Hotel wohl in einem Sack stromab verlassen anstatt auf den eigenen Füßen." Und wieder lachte sie, mit jener leichtherzigen, blinden und quasi unschuldigen Grausamkeit derjenigen, für die der Tod immer der Tod der anderen ist, nie der eigene. "Monsieur", sagte sie, "kommen wir zur Sache: Wollt Dir mir dienen?" "Wie meint Ihr das, Hoheit?" fragte ich verdattert. "In meinem Sold." "Madame", sagte ich nach kurzer Überlegung, "ich kann nicht gleichzeitig im Dienst des Königs und seiner Todfeindin stehen. Ich begebe mich nicht auf die schiefe Bahn. Und Geld lockt mich nicht." "Das heißt, Monsieur", sagte sie, ein stählernes Blitzen in den Augen, "Ihr weist mich ab!" "Das heißt, Madame", sagte ich, indem ich mich verneigte, "daß ich, ganz als wäre ich Euer, auch Euren schlimmsten Feind abweisen würde, wenn er mich kaufen wollte. Ist das nichts? Hat der Herr Herzog so viele treue Diener?" "Allerdings nicht", sagte sie bitter. "Man dient ihm nur insoweit, wie man ihm den Sieg über den König zutraut. Aber auf keinen seiner großen Verbündeten ist Verlaß. Nicht einmal auf Philipp. Wie wir erfuhren, sollen wir für ihn nur die Kastanien aus dem Feuer holen, aber nicht für unser Haus, sondern für seins. Er will seine Tochter, Elisabeth von Valois, auf den französischen Thron setzen." "Damit übergeht Seine sehr katholische Majestät das Salische Gesetz." "Gemach!" sagte sie, während ihre blauen Augen mit einem sinnenden Ausdruck ins Leere blickten, als sähe sie ihren Bruder schon auf dem Thron und sich selbst auf dessen Stufen. "Also", fuhr sie verlorenen Blickes fort, als löse sie sich nur mühsam von dem süßen Traum, "Ihr wollt nicht auf meine Seite wechseln? Schade, daß ein so galanter Edelmann unbedingt an diesem schwulen König hängt, falls er nicht auch schwul ist!" "Madame", sagte ich lächelnd, "wenn Ihr dies als Meldung an Eure kleinen Prediger ausgäbt, fände sich am Hof kein einziger, der sie glaubte." "Bah, ich denke nicht daran!" sagte sie achselzuckend. "Aber was mache ich mit Euch? Um Euch beseitigen zu lassen, seid Ihr ein zu kleines Korn in unseren königlichen Mühlen." "Frau Herzogin", sagte ich ein wenig pikiert, "so unwichtig bin ich nun nicht! Der Herzog von Epemon verdankt mir sein Leben." "Leider!" sagte sie. "Und wer weiß", fuhr ich fort, "wenn ich derzeit schon soweit gewesen wäre, hätte ich vielleicht auch Euren erhabenen Vater von seiner Schußwunde geheilt, die ja nur die Schulter verletzt hatte." "Monsieur", sagte sie, "ich finde, Ihr prahlt reichlich mit Eurem Wissen. Wollte Gott, Ihr könntet mir wenigstens zu besserer Verdauung verhelfen. Mein Gedärm", fuhr sie fort, indem sie sich ganz aufdeckte, "ist völlig verknotet und gräßlich gebläht." Damit nahm sie meine Rechte und legte sie auf ihren Bauch, den ich mit beiden Händen, vom Magen bis zum Venushügel, abtastete.
"Madame, wenn Dir nicht den ganzen Tag so viele Süßigkeiten naschen würdet, blieben Euch solche Unannehmlichkeiten erspart. Ein Tag Diät, etwas Kräutertee, und Ihr seid Eure Verstopfung los." "Ha, Monsieur!" sagte sie, "wie warm und sanft Eure Hände sind! Und Euer Kneten tut mir wunderbar wohl! Bitte, fahrt fort. Mir ist, als lösten sich die Knoten." "Frau Herzogin", sagte ich, "es beglückt mich, Euch ein wenig zu erleichtern." "Ein wenig, Monsieur! Ihr macht das so geschickt, daß ich mich öffne wie eine Blume an der Sonne. Laßt mich Eure Hand führen, desto besser hilft es." "Madame", sagte ich, "wenn meine Hand den Weg nimmt, den Dir wollt, ist es keine Behandlung mehr, sondern das Vorspiel eines Stückes, das mit Medizin nichts mehr zu tun hat." "Worauf warten wir, Monsieur? Spielen wir das Stück, wenn Ihr genausoviel Lust drauf habt wie ich." "Gewiß, aber bin ich für Euch nicht ein zu kleines Korn?" "Monsieur, laßt es meine Sorge sein, was ich meinem Rang schulde. Ihr jedenfalls könnt Euch hinter Eurer ehelichen Treue schwerlich verschanzen, da ich aus Eurem Munde weiß, daß Ihr auswärts vögelt." Ich war gefangen, Leser. Nicht allein, daß es höchst ungalant gewesen wäre, einer hohen Dame einen Korb zu geben, die, ihre Hoheit vergessend, so sehr darauf brannte, befriedigt zu werden. Ich hätte mich dieser Furie auch nicht verweigern können, ohne sie tödlich zu beleidigen, vor allem aber ohne Zweifel an der vorgeblichen Eskapade zu erregen, mit der ich meine Rolle in Boulogne bemäntelt hatte. Ich ließ meinem Körper also freie Bahn, und weil dieses Tier, jedem Gesetz und menschlichen Anstand zum Trotz, nichts so sehr verlangt, als (um es soldatisch auszudrücken) an die Kanonen zu gehen, war es stracks bereit. "Ah, mein Freund", sagte die Montpensier, vor Wonne aufseufzend, als ich in Stellung ging, "das tut gut, aber bewegt Euch nicht: Das ist meine Sache. Haltet Ihr mir nur die Stange." Was mir nicht eben gefiel - wollte die Herzogin auch mir meine Predigt vorschreiben? Aber weil ich einsah, daß sie zu den herrischen Frauen gehörte, die ihre Lust nur sich selbst verdanken wollen, eine möglichst endlose, ergab ich mich drein, tapfer auf Posten auszuharren, konnte ich ihr Gesetz doch stillschweigend brechen, sollte meine Untätigkeit mich erschlaffen lassen: Was ich dann und wann tat, und was fast unbemerkt durchging in dem Orkan, den sie sich verschaffte und der so wild und unstillbar war, daß ich es nicht schildern kann, mir dröhnten von ihrem Seufzen und Stöhnen die Ohren. Wie ich nun so bewegungslos und gespannt inmitten dieses Sturmgewitters verharrte, ohne daß es mir erlaubt war, daran teilzunehmen, dazu oberhalb höchst unbequem bekleidet - meine Krause würgte mich, mein Wams hatte sich verzerrt, mein im Rücken verborgener Dolch spießte mir ins Schulterblatt - ach, wie gern hätte ich, wäre meine menschliche Regung nicht so gegenteilig gewesen, diese Staatsfeindin mit dem Stahl durchbohrt, anstatt mit meinem Fleisch! -, so vielerlei Unbilden ausgesetzt, sage ich, wandte ich meine Aufmerksamkeit der Umgebung zu, staunend ob der unfaßlichen Liederlichkeit dieses Lagers, wo die Kissen drunter und drüber lagen, als meine Augen vom Zipfel eines beschriebenen Blattes Papier gebannt wurden, das sich wohl unter einem Kissen verkrochen hatte, um dem allgemeinen Chaos zu entgehen. Vorsichtig zog ich es weiter aus seinem Versteck. Mit raschem Blick erkannte ich, daß dies nicht die Handschrift meiner entfesselten Mänade war, sondern, ein paar erhaschten Worten zufolge, jener Briefentwurf Heinrichs von Guise, den die Herzogin verbrannt glaubte. Jäh schloß ich die Hand darum in dem Vorsatz, ihn zu entwenden, zugleich aber, der unerhörten Gefahr inne, wenn ich es jetzt an der von mir erwarteten Standfestigkeit fehlen ließe, stärkte ich diese noch rechtzeitig durch besagte Bewegungen, doch der Schweiß brach nur aus allen Poren, sowohl vor Freude über meinen Fund als darüber, in welche neue Gefahr ich mich brachte, hatte ich die der Boulogner Geschichte doch eben erst umschifft. Soweit ich schätzen konnte, benötigte die Montpensier eine gute halbe Stunde für ihr Toben, was sie mit so gellenden Schreien tat, daß man sie, wette ich, bis ans andere Seine-Ufer hörte, und unter so gewaltigen Zuckungen, daß ich dachte, sie fänden nie ein Ende, auf einmal jedoch verstummte sie, öffnete ihre stahlblauen Augen, und indem sie mich mit beiden Händen wegstieß, ohne daß ich meine Anstrengungen vollenden und deren Frucht ernten konnte, wälzte sie mich ab auf das Lager, erhob sich undeilte davon. "Wohin, Madame?" rief ich ziemlich empört.
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Autoren-Porträt von Robert Merle
Robert Merle wurde 1908 in Tébessa in Algerien geboren. Nach Schule und Studium in Frankreich war er von 1940 bis 1943 in deutscher Kriegsgefangenschaft. 1949 erhielt er den Prix Goncourt für seinen ersten Roman "Wochenende in Zuydcoote", 1952 gelang ihm ein weltweiter Erfolg mit "Der Tod ist mein Beruf". Robert Merle starb im März 2004 in seinem Haus in Montfort-l"Amaury in der Nähe von Paris.
Bibliographische Angaben
- Autor: Robert Merle
- 2003, Nachdruck, 534 Seiten, Maße: 18,8 x 11,4 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Christel Gersch
- Verlag: Aufbau TB
- ISBN-10: 3746612071
- ISBN-13: 9783746612072
- Erscheinungsdatum: 01.08.2003
Pressezitat
»Die Literaturkritik hat Merle oft vorgeworfen, antimodern zu sein - er schrieb unbeirrt weiter realistisch-politische Romane im Stile Stendhals. Doch seine Leser goutieren das Rezept, gleichermaßen politisch wie unterhaltsam zu schreiben.« Deutschlandfunk
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