Ticket ins Paradies
Roman. Originalausgabe
Clara ist mit ihrer Tochter und dem Spanier Andres nach Mallorca ausgewandert. Dort soll sie Andres mit seinem neuen Restaurant helfen. Aber Andres scheint erstmal nur Augen für seine verführerische Köchin Maria zu haben. Und das schaut sich Clara nicht lange mit an.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ticket ins Paradies “
Clara ist mit ihrer Tochter und dem Spanier Andres nach Mallorca ausgewandert. Dort soll sie Andres mit seinem neuen Restaurant helfen. Aber Andres scheint erstmal nur Augen für seine verführerische Köchin Maria zu haben. Und das schaut sich Clara nicht lange mit an.
Klappentext zu „Ticket ins Paradies “
Clara Flockheimer und ihre kleine Tochter wollen ihr Leben auf Mallorca verbringen - zusammen mit Andrés, dem charmanten, leidenschaftlichen Spanier, dessen Restaurant Clara mit ihren Ideen zu neuer Blüte verhelfen soll. Doch Andrés scheint nur noch Augen für Maria José zu haben, die verführerische Köchin seines neuen Restaurants - das sieht Clara sich natürlich nicht lange mit an ...
Lese-Probe zu „Ticket ins Paradies “
Ticket ins Paradies von Gaby HauptmannClara bohrte ihren grossen Zeh in den warmen Sand und sah den feinen Sandkörnern zu, wie sie sofort nachrieselten und sich um ihre Haut schlossen. Ihr Zeh war weg – ganz wie ihr früheres Leben. Clara hatte sich aufgesetzt, die Arme um ihre nackten Beine gelegt, und ihr Blick glitt hinüber zu Andrés’ Füßen. Er hatte schöne Füße, einen ausgeprägten Spann, die Zehen gleichmäßig, Männerfüße, die man gern betrachtete. Clara zog ihren großen Zeh aus dem Sand. Ein Sandhäufchen hatte sich darauf gebildet und floss nun nach allen Seiten ab. Clara wartete, bis nur noch eine feine Schicht Körner übrig war, die ihren roten Nagel und die braune Haut mit einem leichten Schimmer bedeckten, dann schob sie ihren Fuß langsam hinüber zu Andrés. Sie sahen gut aus, nebeneinander, sie passten zusammen.
Andrés schlief. Seine Bauchdecke hob und senkte sich gleichmäßig, und Clara schob ihre gespreizten Finger durch seine lockigen Brusthaare, die sich kurz um ihre Finger schmiegten, länger wurden und sich sofort wieder einrollten, sobald sie ihre Hand wegzog. Zärtlich betrachtete sie ihn.
Sein Körper war ihr vertraut, der weiche Zug um seine Lippen rief in ihr ein Gefühl der Zärtlichkeit hervor, das Clara mit Dankbarkeit erfüllte. Sie hätte nie gedacht, dass sie für einen Mann noch einmal so würde empfi nden können. Sie waren am späten Nachmittag von Puerto Portals aus hierhergefahren. Als Einheimischer kannte Andrés jeden Winkel von Mallorca und hatte sie zu diesem einsamen Strand geführt, der, tief in eine Felsenlandschaft eingebettet, ein seltenes, vom Tourismus noch unentdecktes Kleinod war. Es waren diese wenigen Stunden, die sie sich davonstahlen, wenn der mittägliche Ansturm im Restaurant
... mehr
vorbei und bis zu den Abendstunden noch Zeit war. Andrés, seit Kurzem Geschäftsführer im Amici miei, einem der angesagtesten Restaurants der Insel, nahm seine Aufgabe ernst, und Clara unterstützte ihn. Ihren Traum, als Innenarchitektin auf Mallorca zu arbeiten, hatte sie zunächst hintangestellt.
Clara seufzte wohlig und ließ sich in den warmen Sand zurücksinken. Der Himmel über ihr war wolkenlos blau, und das Rauschen des Meeres fand sie noch immer unvergleichlich schön. Der gleichmäßige Schlag der Wellen beruhigte sie, und wenn sie zusah, wie die Gischt schäumend über den Sand züngelte, dann fühlte sie sich wie Robinson Crusoe, wie eine Pionierin der ersten Stunde, frei, ungebunden, abenteuerlich.
Ihre Hand stahl sich wieder zu Andrés. Diese Hand hatte in den letzten Wochen eine Art Eigenleben entwickelt. Noch nie hatte sie das Verlangen gespürt, einen Mann derart oft zu berühren wie Andrés. Sie fand ihn einfach zum Anbeißen schön. Sie liebte seinen Körper, die braunen Härchen an seinen Beinen und Unterarmen, die sich sonnengebleicht wie ein weicher Flaum über seine gebräunte Haut legten, sie liebte seine perfekt geformten Waden, die muskulösen Pobacken und die Adern an seinen Unterarmen, die bei körperlicher Anstrengung hervortraten, sie war verliebt in seinen leicht schiefen Vorderzahn und in seine warmen braunen Augen. Und überhaupt. Sie liebte ihn nackt, wie jetzt, oder lässig in Jeans mit T-Shirt und selbst seriös im Anzug.
Oh, Clara, dachte sie. Du, die stille Kulturmaus aus Deutschland, promovierte Kunsthistorikerin, sechsunddreißig Jahre alt, vom Ex im eigenen Bett betrogen, mit der gemeinsamen vierjährigen Tochter ausgezogen, allen Luxus hinter sich gelassen und auf dem Boden der Realität gelandet. Du glaubst nun, die Welt und die Liebe für dich entdeckt zu haben. Clara grub eine Hand in den Sand und schaute zu, wie er durch ihre Finger rieselte. So konnte auch das gewohnte Leben verrieseln, das hatte sie am eigenen Leib erfahren. Sie ballte ihre Hand zur Faust. So, jetzt blieb der Sand drin, gefangen. Sie würde ihr neues Leben festhalten.
Clara spürte eine Zuversicht in sich aufsteigen, wie sie sie in ihrem vorigen Leben nicht gekannt hatte. Das war neu an ihr. Sie hatte den Absturz aus der Kölner Gesellschaft hinter sich und war jetzt mit einem sieben Jahre jüngeren Mann liiert. Sie hatte sich auf elegante Art an ihrem Exmann gerächt und sich nicht um die Folgen geschert. Sie war über sich hinausgewachsen und hatte eine neue Clara entdeckt, reifer und zugleich verspielter, bodenständiger und doch experimentierfreudiger, verantwortungsbewusster und zugleich leichtlebiger.
Ihre Hand hatte ihr Ziel erreicht. Sie spürte, wie sich sein Penis unter ihrer Berührung aufrichtete, und ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. Sie rückte etwas näher an seinen sonnenwarmen Körper. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Andrés die Augen aufschlug und zu ihr hinübersah. Und dann spürte sie seinen Mund an ihrem Ohrläppchen und seine Hand auf ihrer Brust. Und in plötzlichem Verlangen setzte sie sich auf ihn und bohrte ihre Knie rittlings in den weichen Sand. Der war bereits frühlingswarm wie der ganze Tag. Achtzehn Grad. Und das im März.
Auf der Prachtstraße von Puerto Portals stauten sich die Autos wie mitten im Sommer. Das Showfahren an den Restaurants vorbei war zwar nur von kurzer Dauer, aber manche schienen das Spiel endlos zu betreiben. Wer auf den großen Jachten nicht gesehen wurde, griff gern zu diesem Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen. Clara hatte sich daran gewöhnt. Auch an die extremen High Heels und endlosen Mädchenbeine, die auf der Promenade vor bei spazierten. Die einen stellten sich mit ihrem Reichtum zur Schau, die anderen mit ihren körperlichen Vorzügen, es war ein bisschen wie im Zoo. Clara betrachtete es mit stillem Vergnügen – das war nicht anders als in anderen Mittelmeerorten auch. Wenn sich das Geld irgendwo ansiedelte, zog es neues Geld nach. Clara konnte das nur recht sein. Wenn das Amici miei lief, hatten sie eine Sorge weniger.
Andrés schlängelte sich mit seinem Motorrad an den Autos vorbei, Clara hielt sich auf dem Rücksitz an ihm fest.
Es war erstaunlich, was um diese Jahreszeit bereits los war.
Aber jetzt kamen alle, die keine schulpflichtigen Kinder hatten und der kalten Jahreszeit in Deutschland entfliehen wollten. Andrés fuhr durch eine schmale Gasse zur Rückseite des Restaurants und parkte seine Maschine neben den großen Müllcontainern, die schon wieder überzuquellen drohten. Clara stieg ab und öff nete den Kinnriemen ihres Jethelms. »Ich warte ja nur drauf, dass sie dir das Motorrad mal mit entsorgen …«
Andrés grinste und hängte seinen Helm über den Spiegel.
»Das trauen sie sich nicht. Schließlich kenne ich die Jungs.«
Das ist sein Vorteil als Einheimischer, dachte Clara, er ist auf der Insel bekannt. Und in seinem Job als Türsteher einer Nobeldisco hatte er bewiesen, dass er nicht nur der freundliche Gruß-August war. Offensichtlich genoss er auch körperlichen Respekt.
»Magst du etwas trinken?«, fragte er freundlich und strich sich durch die Haare.
Clara nickte: »Wasser.«
»Wasser?« Andrés klang nicht überzeugt.
»Ich muss Katie noch abholen.« Clara tippte kurz auf ihre Armbanduhr.
»Bring die Kleine mit, dann bekommt sie noch einen tollen Eisbecher!«
»Ist es nicht voll heute Abend?«, wollte Clara überrascht wissen.
»Für euch beide fi nde ich doch immer Platz!« Andrés öffnete die Hintertür des Restaurants und ließ Clara an sich vorbei eintreten. »Und bis es richtig voll ist, ist Katie sowieso schon im Tiefschlaf.«
Das Amici miei war für Andrés ein Volltreffer gewesen.
Vier Jahre lang hatte er in einem Restaurant in Berlin gearbeitet, war in seine Heimat nach Mallorca zurückgekehrt, hatte sich als Busfahrer und Türsteher verdingt und auf seine Chance gewartet. Die kam mit Friedrich, einem gutmütigen, aber gewitzten Geschäftsmann, der in Deutschland und auf Mallorca mehrere Hotels und Restaurants besaß und über einen Geschäftskollegen von Andrés’ Qualitäten erfahren hatte: gute Arbeitsleistung in Berlin, professionell und schnell, dreisprachig und als Mallorquiner die perfekte Besetzung für sein Restaurant Amici miei in Puerto Portals. Noch sammelte Andrés Erfahrung, aber er hatte sich geschworen, den Weg nach oben zu gehen, koste es, was es wolle.
Wenig später fuhr Clara nach Santa Ponça. Sie fühlte sich wie berauscht, obwohl sie nur Mineralwasser getrunken hatte. Wie konnte das Leben so schön, so verheißungsvoll sein? Im Moment schien auch alles so einfach: Katie hatte in den wenigen Monaten, die sie auf Mallorca war, schon richtig tolle Freundinnen gefunden und sprach schon besser Spanisch als sie selbst, obwohl sie sich mit diversen Sprachprogrammen eingedeckt und Andrés gebeten hatte, mehr Spanisch mit ihr zu sprechen. Clara hatte die flüchtige Urlaubslaune, sich auf Mallorca ein neues Leben einzurichten, inzwischen zementiert. Es war keine Laune mehr, es war ihr neues Leben.
Katie hatte am Nachmittag mit ihrer neuen Freundin Ines den Tierpark besucht. Den liebte sie heiß und innig, und Clara stellte fest, dass sie darüber ihren Zoo in Köln schon fast vergessen hatte. Wie leicht es Kindern doch fallen konnte, ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Selbst nach Paul, ihrem leiblichen Vater, fragte sie kaum noch. Und wenn, dann klang es nicht nach Sehnsucht, sondern eher nach der Bestätigung, dass es ihm in Deutschland gut gehe.
Klar, dachte Clara, während sie am Ortsschild von Santa Ponça vorbeifuhr, Paul war für sie der Zehn-Minuten-Vater gewesen, während Andrés leidenschaftlich gern mit ihr spielte, Muscheln und Steine sammelte und der fröhliche Baggerführer ihres Spielzeugbaggers war. Er hatte sie erobert, und Clara war froh darüber. Wenn Katie von Köln sprach, erzählte sie vor allem von Knuffi , einem Okapi aus dem Zoo, und von ihrer Freundin Sarah, die sie unbedingt einladen wollte.
Clara lächelte, während sie vor dem weißen Haus mit dem kleinen Vorgarten anhielt. Hier wohnte Ines mit einer echten spanischen Vollblutmutter, temperamentvoll und kurvenreich, und mit ihrem typisch englischen Vater, zurückhaltend und blasshäutig. Die Mischung war gelungen, fand Clara, Ines war zweisprachig aufgewachsen und fi ng an, in ihre englischen und spanischen Sätze deutsche
Brocken einzustreuen. Katie kam ihr schon an der Haustür entgegen. Sie wollte keinen Eisbecher mehr, weil sie und Ines bereits »ganz viel Eis« gegessen hätten, wie ihre Mutter Felisa lächelnd bestätigte.
Die Frauen schauten gerührt zu, wie die beiden Mädchen sich zum Abschied umarmten. Die eine blond gelockt, die andere mit dunklen Haaren bis weit über die Schultern.
»Wie aus dem Bilderbuch«, sagte Clara und drückte Felisa die Hand.
»Sí«, sagte die, als ob sie es verstanden hätte.
Clara wohnte mit Andrés und Katie in einem der vielen Apartmenthäuser von Santa Ponça direkt am Meer. Sie hatten zwei Wohnungen gemietet: In der einen hatten sie sich selbst eingerichtet, in der anderen wohnte Britta, die Clara als Freundin geschäftlich und auch sonst zur Seite stand. Britta hatte in ihrem Apartment ein Büro eingerichtet.
Nachdem Claras ursprünglicher Plan, als Innenarchitektin groß ins mallorquinische Immobiliengeschäft einzusteigen, zunächst einmal vertagt worden war, hatte Britta als akkurate deutsche Buchhalterin für ihren eigenen Unterhalt andere Auftraggeber gewonnen. Ganz offensichtlich hatte sie mit ihrer deutsch-präzisen Dienstleistung eine Marktlücke erobert.
Katie sprang fröhlich über die Steinplatten durch den Garten und sauste durch die offene Terrassentür zu Britta hinein.
»Huch, hast du mich erschreckt«, hörte Clara Brittas Stimme und musste lachen. Britta war ihr in den letzten Monaten eine sehr wertvolle Freundin geworden. »Wenn deine Mutter gleich hinterherkommt, dann sag ihr doch bitte, dass ich Lust auf einen Prosecco hätte.«
Katie kam augenblicklich wieder aus dem Zimmer hinaus geschossen und winkte Clara zu: »Mami, Britta möchte gern einen Proschecko!«
Clara nickte. »Schon gehört. Ich komme!«
»Was gibt es Neues auf der Meile?«, wollte Britta wissen, kaum dass sie sich auf der Terrasse an den runden Tisch gesetzt hatten. Sie trug eine weiße Bluse und blaue Leinenhosen und sah mit ihrem gebräunten Gesicht und den dichten dunklen Haaren erheblich jünger aus als zweiundvierzig.
»Wenn ich das mal wüsste«, seufzte Clara. »Ich glaube, wir müssen mal wieder los …«
Britta lachte, und der Schalk blitzte aus ihren Augen.
»So eine feste Partnerschaft hindert einen eben doch ganz schön.«
Clara nickte. »Obwohl es ja gar nicht so fest ist … die gemeinsame Wohnung hier, okay, aber es ist eine Ferienwohnung. Nur eine Ferienwohnung, meine ich.«
Britta hob ihr Glas und schaute sie an. »Sei doch froh, dass du so einen tollen Partner gefunden hast!«
»Eigentlich habe ich gedacht, dass ich in meinem ganzen Leben keinen Mann mehr will.« Clara stieß mit Britta an. »Offensichtlich ist mein Wille etwas schwach.«
Katie kam auf die Terrasse heraus, einen Pfirsich auf der flachen Hand balancierend. »Darf ich den essen?«, wollte sie von Britta wissen, aber in dem Moment klingelte Claras Handy, und das fand Katie wiederum spannender als ihren Pfirsich. Mit zwei Schritten war sie an Claras Handtasche und zog das Handy heraus, während der Pfirsich über die Steinfliesen davonrollte.
»Wer ist es?«, wollte sie wissen, bevor Clara es überhaupt richtig am Ohr hatte.
»Was denkst du denn?«, fragte Clara zurück.
»Andrés?«
Clara warf Britta ein Lächeln zu. Interessant, dass sie zuerst an Andrés dachte.
»Flockheimer«, meldete sie sich förmlich.
»Liebe Frau Doktor«, kam die sonore Stimme durch den kleinen Lautsprecher. »Schön, dich zu hören, hier ist …«
»Friedrich!«, schnitt Clara ihm das Wort ab und schaltete auf »laut«. »Es ist schön, dich zu hören!« Britta nickte.
»Bist du auf Mallorca? Vielleicht sogar in der Nähe? Wir trinken gerade einen Prosecco, magst du dazukommen?«
»Verlockend«, sagte er. »Aber ich bin erst im Anflug. Auf den Prosecco komme ich zurück – morgen Mittag im Amici miei, wenn dir das passt. Ich hätte etwas mit dir zu besprechen.«
Clara zwinkerte Britta zu. »Für dich doch immer«, sagte sie nur.
»Was will er besprechen?«, fragte Britta mit einer Geste und zog die Augenbrauen hoch.
Clara winkte ab. »Ich bin gespannt«, sagte sie.
»Das darfst du auch sein«, antwortete Friedrich, und Clara hörte ein kurzes hüstelndes Lachen. »Aber ich verrate nichts!«
»Gut.« Clara nickte. »Ich bin ja auch nicht neugierig – nur Britta stupst mich hier ständig …«
»Och!«, protestierte Britta, und Friedrich lachte.
»Liebe Britta«, sagte er dann laut, »auch Sie sind herzlich eingeladen. Für Sie dürfte es auch interessant sein.«
Britta beugte sich näher zu Clara, damit er sie ebenfalls hören konnte. »Danke für die Einladung – eben sprachen Clara und ich darüber, und jetzt rufen Sie an. Ich fürchtete schon, in Santa Ponça versauern zu müssen.«
Friedrich schnaubte. »Ausgerechnet Sie als rheinische Frohnatur! Schöner Gedanke … aber trotzdem … das Geheimnis lüfte ich erst morgen.«
© Piper Verlag GmbH, München 2010
Clara seufzte wohlig und ließ sich in den warmen Sand zurücksinken. Der Himmel über ihr war wolkenlos blau, und das Rauschen des Meeres fand sie noch immer unvergleichlich schön. Der gleichmäßige Schlag der Wellen beruhigte sie, und wenn sie zusah, wie die Gischt schäumend über den Sand züngelte, dann fühlte sie sich wie Robinson Crusoe, wie eine Pionierin der ersten Stunde, frei, ungebunden, abenteuerlich.
Ihre Hand stahl sich wieder zu Andrés. Diese Hand hatte in den letzten Wochen eine Art Eigenleben entwickelt. Noch nie hatte sie das Verlangen gespürt, einen Mann derart oft zu berühren wie Andrés. Sie fand ihn einfach zum Anbeißen schön. Sie liebte seinen Körper, die braunen Härchen an seinen Beinen und Unterarmen, die sich sonnengebleicht wie ein weicher Flaum über seine gebräunte Haut legten, sie liebte seine perfekt geformten Waden, die muskulösen Pobacken und die Adern an seinen Unterarmen, die bei körperlicher Anstrengung hervortraten, sie war verliebt in seinen leicht schiefen Vorderzahn und in seine warmen braunen Augen. Und überhaupt. Sie liebte ihn nackt, wie jetzt, oder lässig in Jeans mit T-Shirt und selbst seriös im Anzug.
Oh, Clara, dachte sie. Du, die stille Kulturmaus aus Deutschland, promovierte Kunsthistorikerin, sechsunddreißig Jahre alt, vom Ex im eigenen Bett betrogen, mit der gemeinsamen vierjährigen Tochter ausgezogen, allen Luxus hinter sich gelassen und auf dem Boden der Realität gelandet. Du glaubst nun, die Welt und die Liebe für dich entdeckt zu haben. Clara grub eine Hand in den Sand und schaute zu, wie er durch ihre Finger rieselte. So konnte auch das gewohnte Leben verrieseln, das hatte sie am eigenen Leib erfahren. Sie ballte ihre Hand zur Faust. So, jetzt blieb der Sand drin, gefangen. Sie würde ihr neues Leben festhalten.
Clara spürte eine Zuversicht in sich aufsteigen, wie sie sie in ihrem vorigen Leben nicht gekannt hatte. Das war neu an ihr. Sie hatte den Absturz aus der Kölner Gesellschaft hinter sich und war jetzt mit einem sieben Jahre jüngeren Mann liiert. Sie hatte sich auf elegante Art an ihrem Exmann gerächt und sich nicht um die Folgen geschert. Sie war über sich hinausgewachsen und hatte eine neue Clara entdeckt, reifer und zugleich verspielter, bodenständiger und doch experimentierfreudiger, verantwortungsbewusster und zugleich leichtlebiger.
Ihre Hand hatte ihr Ziel erreicht. Sie spürte, wie sich sein Penis unter ihrer Berührung aufrichtete, und ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. Sie rückte etwas näher an seinen sonnenwarmen Körper. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Andrés die Augen aufschlug und zu ihr hinübersah. Und dann spürte sie seinen Mund an ihrem Ohrläppchen und seine Hand auf ihrer Brust. Und in plötzlichem Verlangen setzte sie sich auf ihn und bohrte ihre Knie rittlings in den weichen Sand. Der war bereits frühlingswarm wie der ganze Tag. Achtzehn Grad. Und das im März.
Auf der Prachtstraße von Puerto Portals stauten sich die Autos wie mitten im Sommer. Das Showfahren an den Restaurants vorbei war zwar nur von kurzer Dauer, aber manche schienen das Spiel endlos zu betreiben. Wer auf den großen Jachten nicht gesehen wurde, griff gern zu diesem Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen. Clara hatte sich daran gewöhnt. Auch an die extremen High Heels und endlosen Mädchenbeine, die auf der Promenade vor bei spazierten. Die einen stellten sich mit ihrem Reichtum zur Schau, die anderen mit ihren körperlichen Vorzügen, es war ein bisschen wie im Zoo. Clara betrachtete es mit stillem Vergnügen – das war nicht anders als in anderen Mittelmeerorten auch. Wenn sich das Geld irgendwo ansiedelte, zog es neues Geld nach. Clara konnte das nur recht sein. Wenn das Amici miei lief, hatten sie eine Sorge weniger.
Andrés schlängelte sich mit seinem Motorrad an den Autos vorbei, Clara hielt sich auf dem Rücksitz an ihm fest.
Es war erstaunlich, was um diese Jahreszeit bereits los war.
Aber jetzt kamen alle, die keine schulpflichtigen Kinder hatten und der kalten Jahreszeit in Deutschland entfliehen wollten. Andrés fuhr durch eine schmale Gasse zur Rückseite des Restaurants und parkte seine Maschine neben den großen Müllcontainern, die schon wieder überzuquellen drohten. Clara stieg ab und öff nete den Kinnriemen ihres Jethelms. »Ich warte ja nur drauf, dass sie dir das Motorrad mal mit entsorgen …«
Andrés grinste und hängte seinen Helm über den Spiegel.
»Das trauen sie sich nicht. Schließlich kenne ich die Jungs.«
Das ist sein Vorteil als Einheimischer, dachte Clara, er ist auf der Insel bekannt. Und in seinem Job als Türsteher einer Nobeldisco hatte er bewiesen, dass er nicht nur der freundliche Gruß-August war. Offensichtlich genoss er auch körperlichen Respekt.
»Magst du etwas trinken?«, fragte er freundlich und strich sich durch die Haare.
Clara nickte: »Wasser.«
»Wasser?« Andrés klang nicht überzeugt.
»Ich muss Katie noch abholen.« Clara tippte kurz auf ihre Armbanduhr.
»Bring die Kleine mit, dann bekommt sie noch einen tollen Eisbecher!«
»Ist es nicht voll heute Abend?«, wollte Clara überrascht wissen.
»Für euch beide fi nde ich doch immer Platz!« Andrés öffnete die Hintertür des Restaurants und ließ Clara an sich vorbei eintreten. »Und bis es richtig voll ist, ist Katie sowieso schon im Tiefschlaf.«
Das Amici miei war für Andrés ein Volltreffer gewesen.
Vier Jahre lang hatte er in einem Restaurant in Berlin gearbeitet, war in seine Heimat nach Mallorca zurückgekehrt, hatte sich als Busfahrer und Türsteher verdingt und auf seine Chance gewartet. Die kam mit Friedrich, einem gutmütigen, aber gewitzten Geschäftsmann, der in Deutschland und auf Mallorca mehrere Hotels und Restaurants besaß und über einen Geschäftskollegen von Andrés’ Qualitäten erfahren hatte: gute Arbeitsleistung in Berlin, professionell und schnell, dreisprachig und als Mallorquiner die perfekte Besetzung für sein Restaurant Amici miei in Puerto Portals. Noch sammelte Andrés Erfahrung, aber er hatte sich geschworen, den Weg nach oben zu gehen, koste es, was es wolle.
Wenig später fuhr Clara nach Santa Ponça. Sie fühlte sich wie berauscht, obwohl sie nur Mineralwasser getrunken hatte. Wie konnte das Leben so schön, so verheißungsvoll sein? Im Moment schien auch alles so einfach: Katie hatte in den wenigen Monaten, die sie auf Mallorca war, schon richtig tolle Freundinnen gefunden und sprach schon besser Spanisch als sie selbst, obwohl sie sich mit diversen Sprachprogrammen eingedeckt und Andrés gebeten hatte, mehr Spanisch mit ihr zu sprechen. Clara hatte die flüchtige Urlaubslaune, sich auf Mallorca ein neues Leben einzurichten, inzwischen zementiert. Es war keine Laune mehr, es war ihr neues Leben.
Katie hatte am Nachmittag mit ihrer neuen Freundin Ines den Tierpark besucht. Den liebte sie heiß und innig, und Clara stellte fest, dass sie darüber ihren Zoo in Köln schon fast vergessen hatte. Wie leicht es Kindern doch fallen konnte, ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Selbst nach Paul, ihrem leiblichen Vater, fragte sie kaum noch. Und wenn, dann klang es nicht nach Sehnsucht, sondern eher nach der Bestätigung, dass es ihm in Deutschland gut gehe.
Klar, dachte Clara, während sie am Ortsschild von Santa Ponça vorbeifuhr, Paul war für sie der Zehn-Minuten-Vater gewesen, während Andrés leidenschaftlich gern mit ihr spielte, Muscheln und Steine sammelte und der fröhliche Baggerführer ihres Spielzeugbaggers war. Er hatte sie erobert, und Clara war froh darüber. Wenn Katie von Köln sprach, erzählte sie vor allem von Knuffi , einem Okapi aus dem Zoo, und von ihrer Freundin Sarah, die sie unbedingt einladen wollte.
Clara lächelte, während sie vor dem weißen Haus mit dem kleinen Vorgarten anhielt. Hier wohnte Ines mit einer echten spanischen Vollblutmutter, temperamentvoll und kurvenreich, und mit ihrem typisch englischen Vater, zurückhaltend und blasshäutig. Die Mischung war gelungen, fand Clara, Ines war zweisprachig aufgewachsen und fi ng an, in ihre englischen und spanischen Sätze deutsche
Brocken einzustreuen. Katie kam ihr schon an der Haustür entgegen. Sie wollte keinen Eisbecher mehr, weil sie und Ines bereits »ganz viel Eis« gegessen hätten, wie ihre Mutter Felisa lächelnd bestätigte.
Die Frauen schauten gerührt zu, wie die beiden Mädchen sich zum Abschied umarmten. Die eine blond gelockt, die andere mit dunklen Haaren bis weit über die Schultern.
»Wie aus dem Bilderbuch«, sagte Clara und drückte Felisa die Hand.
»Sí«, sagte die, als ob sie es verstanden hätte.
Clara wohnte mit Andrés und Katie in einem der vielen Apartmenthäuser von Santa Ponça direkt am Meer. Sie hatten zwei Wohnungen gemietet: In der einen hatten sie sich selbst eingerichtet, in der anderen wohnte Britta, die Clara als Freundin geschäftlich und auch sonst zur Seite stand. Britta hatte in ihrem Apartment ein Büro eingerichtet.
Nachdem Claras ursprünglicher Plan, als Innenarchitektin groß ins mallorquinische Immobiliengeschäft einzusteigen, zunächst einmal vertagt worden war, hatte Britta als akkurate deutsche Buchhalterin für ihren eigenen Unterhalt andere Auftraggeber gewonnen. Ganz offensichtlich hatte sie mit ihrer deutsch-präzisen Dienstleistung eine Marktlücke erobert.
Katie sprang fröhlich über die Steinplatten durch den Garten und sauste durch die offene Terrassentür zu Britta hinein.
»Huch, hast du mich erschreckt«, hörte Clara Brittas Stimme und musste lachen. Britta war ihr in den letzten Monaten eine sehr wertvolle Freundin geworden. »Wenn deine Mutter gleich hinterherkommt, dann sag ihr doch bitte, dass ich Lust auf einen Prosecco hätte.«
Katie kam augenblicklich wieder aus dem Zimmer hinaus geschossen und winkte Clara zu: »Mami, Britta möchte gern einen Proschecko!«
Clara nickte. »Schon gehört. Ich komme!«
»Was gibt es Neues auf der Meile?«, wollte Britta wissen, kaum dass sie sich auf der Terrasse an den runden Tisch gesetzt hatten. Sie trug eine weiße Bluse und blaue Leinenhosen und sah mit ihrem gebräunten Gesicht und den dichten dunklen Haaren erheblich jünger aus als zweiundvierzig.
»Wenn ich das mal wüsste«, seufzte Clara. »Ich glaube, wir müssen mal wieder los …«
Britta lachte, und der Schalk blitzte aus ihren Augen.
»So eine feste Partnerschaft hindert einen eben doch ganz schön.«
Clara nickte. »Obwohl es ja gar nicht so fest ist … die gemeinsame Wohnung hier, okay, aber es ist eine Ferienwohnung. Nur eine Ferienwohnung, meine ich.«
Britta hob ihr Glas und schaute sie an. »Sei doch froh, dass du so einen tollen Partner gefunden hast!«
»Eigentlich habe ich gedacht, dass ich in meinem ganzen Leben keinen Mann mehr will.« Clara stieß mit Britta an. »Offensichtlich ist mein Wille etwas schwach.«
Katie kam auf die Terrasse heraus, einen Pfirsich auf der flachen Hand balancierend. »Darf ich den essen?«, wollte sie von Britta wissen, aber in dem Moment klingelte Claras Handy, und das fand Katie wiederum spannender als ihren Pfirsich. Mit zwei Schritten war sie an Claras Handtasche und zog das Handy heraus, während der Pfirsich über die Steinfliesen davonrollte.
»Wer ist es?«, wollte sie wissen, bevor Clara es überhaupt richtig am Ohr hatte.
»Was denkst du denn?«, fragte Clara zurück.
»Andrés?«
Clara warf Britta ein Lächeln zu. Interessant, dass sie zuerst an Andrés dachte.
»Flockheimer«, meldete sie sich förmlich.
»Liebe Frau Doktor«, kam die sonore Stimme durch den kleinen Lautsprecher. »Schön, dich zu hören, hier ist …«
»Friedrich!«, schnitt Clara ihm das Wort ab und schaltete auf »laut«. »Es ist schön, dich zu hören!« Britta nickte.
»Bist du auf Mallorca? Vielleicht sogar in der Nähe? Wir trinken gerade einen Prosecco, magst du dazukommen?«
»Verlockend«, sagte er. »Aber ich bin erst im Anflug. Auf den Prosecco komme ich zurück – morgen Mittag im Amici miei, wenn dir das passt. Ich hätte etwas mit dir zu besprechen.«
Clara zwinkerte Britta zu. »Für dich doch immer«, sagte sie nur.
»Was will er besprechen?«, fragte Britta mit einer Geste und zog die Augenbrauen hoch.
Clara winkte ab. »Ich bin gespannt«, sagte sie.
»Das darfst du auch sein«, antwortete Friedrich, und Clara hörte ein kurzes hüstelndes Lachen. »Aber ich verrate nichts!«
»Gut.« Clara nickte. »Ich bin ja auch nicht neugierig – nur Britta stupst mich hier ständig …«
»Och!«, protestierte Britta, und Friedrich lachte.
»Liebe Britta«, sagte er dann laut, »auch Sie sind herzlich eingeladen. Für Sie dürfte es auch interessant sein.«
Britta beugte sich näher zu Clara, damit er sie ebenfalls hören konnte. »Danke für die Einladung – eben sprachen Clara und ich darüber, und jetzt rufen Sie an. Ich fürchtete schon, in Santa Ponça versauern zu müssen.«
Friedrich schnaubte. »Ausgerechnet Sie als rheinische Frohnatur! Schöner Gedanke … aber trotzdem … das Geheimnis lüfte ich erst morgen.«
© Piper Verlag GmbH, München 2010
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Autoren-Porträt von Gaby Hauptmann
Gaby Hauptmann, geboren 1957 in Trossingen, lebt als freie Journalistin und Autorin in Allensbach am Bodensee. Ihre Romane »Suche impotenten Mann fürs Leben«, »Nur ein toter Mann ist ein guter Mann«, »Die Lüge im Bett«, »Eine Handvoll Männlichkeit«, »Die Meute der Erben«, »Ein Liebhaber zuviel ist noch zuwenig«, »Fünf-Sterne-Kerle inklusive«, »Hengstparade«, »Yachtfieber«, »Ran an den Mann«, »Nicht schon wieder al dente« und »Rückflug zu verschenken« sind Bestseller und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und erfolgreich verfilmt. Außerdem erschienen die Erzählungsbände »Frauenhand auf Männerpo« und »Das Glück mit den Männern«, ihr ganz persönliches Buch »Mehr davon. Vom Leben und der Lust am Leben«, das Kinderbuch »Rocky der Racker« und die mehrbändigen Jugendbuchreihen »Alexa, die Amazone« sowie die »Kaya«-Reiterbücher.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gaby Hauptmann
- 2010, 5. Aufl., 304 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492258980
- ISBN-13: 9783492258982
- Erscheinungsdatum: 12.03.2010
Rezension zu „Ticket ins Paradies “
»Hauptmanns romantische Alltagsskizzen der Liebe sind die perfekte Lektüre für den Hotelbalkon.« Börsenblatt
Pressezitat
»Gaby Hauptmann hat mal wieder mit viel Witz einen kurzweiligen Liebesschmöker geschrieben. Genau das richtige für Urlaubstage und entspannte Wochenenden.« Lübecker Nachrichten 20100901
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