Und morgen in das kühle Grab
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Und morgenin das kühle Grab von MaryHiggins Clark
LESEPROBE
WÄHREND DER VIERZIG MINUTEN Fahrt zum St. Ann's Hospital hatte ich denCBS-Sender eingeschaltet, um eventuell weitere Nachrichten über den Brandmitzubekommen. Den Berichten zufolge war Lynn Spencer gegen elf Uhr abends zuihrem Haus in Bedford gefahren. Die Hausangestellten, ein Ehepaar, Manuel undRosa Gomez, wohnten in einem eigenen Häuschen auf dem Gelände, ein Stückentfernt vom Hauptgebäude. Offenbar hatten sie an diesem Abend Lynn nichterwartet und wussten nicht, dass sie dort war.
Was hatteLynn dazu bewogen, gestern Abend nach Bedford zu fahren, fragte ich mich,nachdem ich beschlossen hatte, mich auf den Cross Bronx Expressway zu wagen,die schnellste Möglichkeit, um vom Osten Manhattans nach Westchester County zugelangen, falls es keinen Unfall gibt, der den ganzen Verkehr aufhält. DasProblem besteht bloß darin, dass ein Unfall mit Stau der Normalfall ist,weshalb der Cross Bronx auch als die schlimmste Schnellstraße des Landes gilt.
Die Wohnungder Spencers in New York befindet sich an der Fifth Avenue, in der Nähe desGebäudes, in dem Jackie Kennedy gelebt hatte. Ich musste an meine achtzig QuadratmeterWohnfläche denken und an die fünfundzwanzigtausend Dollar, die ich verlorenhatte, das Geld, das als Kapitaleinlage für eine Eigentumswohnung gedacht war. Ichmusste an den Mann gestern in der Versammlung denken, dessen Kind todkrank warund der sein Haus verlieren würde, weil er in Gen-stone investiert hatte. Ichfragte mich, ob Lynn auch nur die leiseste Spur von Schuldgefühl empfundenhatte, als sie nach der Versammlung in dieses opulente Apartment zurückgekehrtwar. Ich fragte mich, ob es das war, worüber sie mit mir sprechen wollte.
Der Aprilwar wieder ganz April geworden. Auf dem Weg zu der Garage drei Blocks weiter,in der mein Auto abgestellt war, sog ich die Luft tief ein und erfreute michdes Daseins. Die Sonne schien, und der Himmel war von einem tiefen Blau. Diewenigen Wolken sahen aus wie duftige weiße Kissen, die dort oben trägevorbeitrieben, als seien sie erst im Nachhinein hinzugefügt worden. Genau aufdiese Art würde sie die Kissen verteilen, wenn sie ein Zimmer dekorierte,hatte mir einmal Eve erklärt, eine Innenarchitektin, mit der ich befreundetbin. Die Verteilung der Kissen müsse beiläufig wirken, wie später hinzugefügt,wenn alles andere schon an seinem Platz ist.
DasThermometer auf dem Armaturenbrett zeigte siebzehn Grad an. Es wäre eingroßartiger Tag für eine Fahrt aufs Land gewesen, wenn ich nicht schon einenGrund für eine Fahrt gehabt hätte. Dennoch war ich neugierig. Ich befand michauf dem Weg zu meiner Stiefschwester, die für mich eine Fremde war und die auseinem mir unbekannten Grund ausgerechnet nach mir verlangt hatte, als sie insKrankenhaus eingeliefert worden war, und nicht nach einer ihrer prominentenFreundinnen.
Tatsächlichbrauchte ich für den Cross Bronx nur etwa eine Viertelstunde, fast ein Rekord,und danach wandte ich mich nach Norden auf den Hutchinson River Parkway. Der Nachrichtensprechermeldete die neuesten Details von der Sache mit Lynn. Um drei Uhr fünfzehn seider Feueralarm auf dem Anwesen in Bedford ausgelöst worden. Als die Feuerwehrein paar Minuten später eingetroffen sei, habe bereits das gesamte Treppenhaus inFlammen gestanden. Rosa Gomez habe ihnen versichert, dass sich niemand imInnern befinde. Glücklicherweise habe einer der Feuerwehrleute den Fiat in derGarage als den Wagen erkannt, den Lynn immer fuhr, und Rosa gefragt, wie langeer schon dort stehe. Auf ihre entsetzte Reaktion hin hätten die Männer eine Leitergeholt, das Schlafzimmerfenster eingeschlagen und seien eingestiegen. Dorthätten sie die benommene und desorientierte Lynn gefunden, die hilflos imdichten Rauch nach einem Ausweg gesucht habe. Zu diesem Zeitpunkt habe sie bereitseine große Menge Rauch eingeatmet. Sie habe Verbrennungen zweiten Grades anden Füßen erlitten, wegen der großen Hitze am Fußboden, sowie an den Händen,weil sie sich auf der Suche nach der Tür an den Wänden vorwärts getastet habe.Einer Meldung des Krankenhauses zufolge habe sich ihr Zustand inzwischengebessert und werde jetzt als stabil bezeichnet.
In einervorausgehenden Meldung war berichtet worden, dass das Feuer absichtlich gelegtworden sei. Jemand habe Benzin auf das Vordach gegossen, welches sich über diegesamte Länge des Erdgeschosses erstrecke. Nachdem es angezündet worden sei, habe sich eine Feuerwolke gebildet, die innerhalbvon Sekunden das gesamte Erdgeschoss in Flammen habe aufgehen lassen.
Wer sollteihr Haus anzünden?, fragte ich mich. Wusste oder ahnte irgendjemand, dass Lynndort war? Sofort musste ich an die Aktionärsversammlung denken. Vor mir sahich das Bild jenes Mannes, der sie angeschrien hatte. Er hatte unter anderemauch das Haus in Bedford erwähnt. Sicher würde die Polizei ihm einen Besuchabstatten, wenn sie davon hörte. (...)
© derdeutschsprachigen Ausgabe 2003 by Wilhelm Heyne Verlag, München
Übersetzung:Andreas Gressmann
Interview mit Mary Higgins Clark
Sie wurden 1928 als Tochter irischer Einwanderer in New Yorkgeboren. Glauben Sie, es stimmt, dass den Iren das Geschichtenerzählen im Blutliegt und auch Ihnen diese Leidenschaft von Ihren Vorfahren in die Wiege gelegtwurde? Und gibt es in Ihrem Schreiben Elemente, die Sie als "typischirisch" empfinden?
Ich habe immer gesagt, dass meine irische Herkunft der Grunddafür ist, dass ich seit meiner Kindheit Geschichten erzähle. Es gibt einwunderbares Zitat über den irischen Dichter und Dramatiker William Butler Yeats: "...als Ire hatte er einen immerwährenden Sinnfür Tragik, der ihm half, die zeitweiligen Perioden der Freude zu überstehen."
Übrigens: Wirklich spannende Romane vermitteln ihren Lesern immerunterschwellig das Gefühl: "Hier läuft irgendetwas schief". Und wir Irenglauben immer, dass ein Übel im Anmarsch ist, auch wenn gerade alles ganz gutaussieht.
Sie mussten einige Absagen hinnehmen, bevor 1975 Ihr ersterThriller "Wintersturm" mit großem Erfolg veröffentlicht wurde. Wiebehält man unter diesen Umständen als Schriftstellerin den Glauben an seineeigenen Fähigkeiten? Hatten Sie Freunde, die Sie in Ihrer Arbeit unterstützten?
Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich eines Tages eineerfolgreiche Schriftstellerin sein würde, auch wenn das im Rückblick jetztvielleicht überheblich klingen mag. Ich bin davon überzeugt, dass es in derAnfangszeit für einen Schriftsteller wichtig ist, sich einerAutorengemeinschaft anzuschließen. Die Aufmunterung und Unterstützung durch Menschen,die die gleichen Ziele verfolgen, schaffen neue Energien und erfüllen einenwieder mit Leben.
Der spürbarste Effekt meines plötzlichen Erfolges war, dasswir nach jahrelangen Sorgen darüber, wie wir unsere Rechnungen bezahlen sollen,das erste Mal Geld hatten. Es war ein Geschenk des Himmels, von heute auf morgenso viel Geld zu haben. Ich konnte den Kredit abbezahlen, den wir für dieAusbildung der Kinder aufgenommen hatten. Da "Wintersturm" soerfolgreich war, bezahlte mein Verleger Simon & Schuster einen sehr hohenPreis für meinen zweiten Roman. Und das war dann wirklich der finanzielleDurchbruch. Aber selbst wenn sich "Wintersturm" nicht so gut verkaufthätte, hätte ich nicht aufgehört, Bücher zu schreiben.
Ihre Tochter Carol ist eine bekannte Schauspielerin undAutorin. Einige Krimis schrieben Sie auch gemeinsam mit ihr, beispielsweise"Gefährliche Überraschung". Gestaltet sich eine Zusammenarbeitzwischen Mutter und Tochter denn nicht besonders schwierig?
Carol und ichgenießen es absolut, miteinander zu schreiben. Es ist extrem hilfreich, mancheIdeen zusammen durchzuspielen. Alle fragen, ob wir nicht wenigstens einengroßen Streit hatten, seit wir zusammen Bücher schreiben. Die Antwort ist sehreinfach: Nein. Wir verfolgen mit unserer Arbeit beide das gleiche Ziel.
Sie selbst haben fünf Kinder, Ihr zweiter Mann brachte vierKinder mit in die Ehe. Insgesamt haben Sie mittlerweile 16 Enkelkinder - mankönnte sich vorstellen, dass Sie von Ihrer Familie rund um die Uhr auf Trabgehalten werden. Aber Sie haben es geschafft, mit Ihren Büchern zu einer internationalenBestsellerautorin zu avancieren. Wann finden Sie die Zeit zum Schreiben? Wasbedeutet das Wort "Disziplin" für Sie?
Ich bin sehrglücklich darüber, eine große Familie zu haben. Meine Kinder, die Kinder meinesMannes und unsere Enkelkinder leben alle nicht weit entfernt von uns. Wir sehensie regelmäßig und verreisen auch ab und zu zusammen. Ich bin eine sehrdisziplinierte Schriftstellerin. In meinem Vertrag ist vorgesehen, dass ich proJahr ein Buch schreibe. Manchmal, wie jetzt beispielsweise, schreibe ichzusätzlich noch ein Weihnachtsbuch mit Carol. Ich habe bisher noch keinenRedaktionsschluss verpasst und habe das auch in Zukunft nicht vor. Wenn icheinen Vertrag über ein neues Buch abschließe, dann schätze ich die Tatsachesehr, dass der Verleger mir in dem Punkt vertraut, dass ich das Manuskriptpünktlich abgebe. Auch das ist für mich Disziplin. So weit, so gut.
Die Fragenstellte Roland Große Holtforth, literaturtest.de.
- Autor: Mary Higgins Clark
- 2005, 367 Seiten, Maße: 12 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Andreas Gressmann
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453430085
- ISBN-13: 9783453430082
- Erscheinungsdatum: 01.01.2005
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